Zlnterhaltimgsblatt des Horwärts Nr. 27. -O Sonntag, den 8. Februar. 1903 (Nachdruck verboten.) 2T] Der JVIüUerbannes. Roman ans der Eise! von Clara Viebig . Aufspringend reckte Hannes die Anne zur Decke mit einem furchtbaren Gähner, der seine starken Zähne zeigte, und schüttelte die riesigen Fäuste und streckte dann alle zehn Finger aus, als sollten sie nach was greifen. Noch war er nicht unter die Füße gekommen, wenn auch der Laufeld schon gedachte, auf ihm herumzutrampeln den Buckel lang rutschen, ja, das konnte ihm der! Und das konnten ihm auch die Müller! Eigentlich waren die zwei in den weißen Mühlen keine bösen Lcut ein Hallunke würde ihn nicht am Wegrand ausgelesen haben, dazumal, als er aus dem Chaischen gestürzt, und ihn heimgeführt haben, als sei er sein leiblicher Bruder. Und hatte der andre ihm nicht letzthin zu wissen gethan, er wolle ihm seine Mühle abkaufen, so gut, daß er sich mit der Wittlicher Sparbank abfinden könne und noch was übrig behalten das war ein Vorschlag! Aber nein, nein und wieder nein, seine Mühle gab er nicht her. die gehörte ihm von Gott und Rechtswegen, ihm ganz allein, da durfte kein andrer d'ran rühren: kam einer, wahrhaftig, dem schlug er lieber den Schädel ein! Ne ne ne!" Plötzlich laut herausschreiend, daß der Alte entsetzt auffuhr, stapfte er mit großen Schritten in der Stube auf und ab. Bös kläffend folgte der auch auf- geschreckte Nero seinen Tritten. Da wagte der Vater endlich ein Wörtchen: Hannes, wat machste? Hannes, wat denkste denn?" Aber ihm ward keine Antwort, nur herrisch, herrischer noch als er einst die Frau angefahren, fuhr der Sohn ihn jetzt an:Halt Dein Maul!" Sich mit zitternden Fingern ein stärkendes PrieSchen in die Nase stopfend, verstummte der Greis. Die Thräneu kamen ihm in die Augen:Hazieh!" nur vom Niesen! Geh' häm laß mich zufrieden," schrie der' Sohn. Da trollte sich der Vater von dannen, um am andren Abend, wenn's dunkelte, gewiß wiederzukommen, llnd ebenso gewiß wartete der Sohn� schon auf ihn. Die Franz war viel allein. Kameradinnen hatte sie nicht wie. sollte sie noch mit den gewöhnlichen Bailerndirnen ver- kehren? Als Kind, in ihrer Dummheit, war sie freilich mit denen umhergesprungen, aber jetzt?! Die waren alle Mägde geworden oder schufteten hart auf dem elterlichen Acker, nur mit knielangen Zumpelröckchen angethan, die Beine ohne Strümpfe. Da rümpfte sie ihre Nase. Eh' sie sich mit denen gemein machte, blieb sie lieber für sich. Zur Großmutter trieb sie's auch nicht was sollte sie mit der alten Frau schwätzen?! Die klagte nur, und sie wollte gern lachen: die sprach nur von der Vergangenheit, und sie wollte Zukunft. Oft sah sie sich in den Spiegelscherben, der gleich beim Weihwasscrkcsselchen in ihrer Kammer, hing ihre Augen waren leuchtend, ihre Haut Milch und Blut, ihr Haar glänzende Wellen. Wie, war sie nicht schön, sollte nicht dereinst einer in der goldenen Kutsch' kommen und sie holen?! Hellt' hatte der Müllerhannes mit ihr gescholten nein, nicht gescholten, geschimpft, ganz sackgrob. Warum dem:? Ei, das wußte sie ja gar nicht, er war eben unwirschknötterig" schon vom frühen Morgen an. Weim er was Unangenehmes zu hören gekriegt hatte, was Aergcrliches, was konnte sie denn dafür?! Aber als sie's ihm gesagt, hatte er mit dem Pantoffel nach ihr geschmissen, ja. geschmissen! O, die arme Mutter, der llatte er's auch so gemacht. Aber sie. nein, sie ließ sich lange nichts gefalleil, was die sich hatte gefallen lasseil. Eher lief sie weg, weit weg! Und in zornige Thräneu ausbrechend, stürzte die Erregte zur Mühle hinaus, warf die Thür unsanft-hinter sich ins ' Schloß und rannte davon wie besessen. Sie mußte rennen,� sich austoben, der Unmut stieß ihr sonst daS Herz ab. War's nicht schon schlimm genüg, daß sie gar keine Freud' hatte? Andre Mädchen aus ihrem Stand hatten Plaisir die Masse, und bunte Bänder, viel neue Kleider und Bräutigams, die sie zu Tanz führten. Bräutigams? Da zuckreu ihre geraden Brauen, und sie zog die Mundwinkel verächtlich herab Bräutigams konnte sie auch kriegen Bauerntölpel aus Maarfelden aber nein, dazu war sie sich doch wahrhaftig zu schad' ans dem Acker arbeiten, wie ein Pferd, alle Jahre ein greinendes Kind kriegen und noch den Buckel voll Schläge dazu?! Sie schüttelte sich, und dann stampfte sie mit dem Fuße: die Burschen sollten sie in Ruh' lassen aber wo wären die auch sonst so frech gewesen, hinter ihr dreinPst!" zu machen! Daran war nur er schuld, an diesem Hebel und an vielen, ja, an allen der Müllerhannes ganz allein! Ein rechter Groll gegen den Vater stieg in ihr ans, sie hätte ihn hassen können, lind wenn's auch Sünde war, ja, hassen! Hatte er sich je um sie gekümmert? Und die Mutter ach, die Mutter lebte gewiß noch! Mit einem Schlag stand die Gestalt der Mutter, an die sie lange nicht gedacht, vor ihr. Sie sah ihr verhärmtes Gesicht, ihr schwarzes Kleid und sah sie zittern. Sic hörte das Winseln durch die Kammerthür. Thränen des Schmerzes imd der Bitterkeit fingen an, über ihre Wangen zu fließen, und sie schluchzte laut. Immer weiter lief sie in zorniger Hast, tiefe Seufzer stieß sie aus, als sollte ihr das Herz brechen, llnd der der schimpfte noch zu allem?! Aber wart', sie wollte ihm wohl Bescheid thun.Du," würde sie sagen,Hab' Du nur net e so en groß Maul! Wen hat dann alle? e fo weit e runner gebracht he?! Dat mer tein anständig Kleid mehr hat, für unter de Leut' zu gehen, kein Chäis' mehr hat, für drin zu fahren? Tat mer- dat mer" llnd wenn er dann mächtig schrie, sagte sie ganz patzig: Spar' Tein Red', ich han et satt in der Mühl' ich gehn!" Ganz verdutzt würde er gewiß drein seh'n, aber sie Ha, ha!" Ein helles Lachen schreckte sie auf. Da war sie schon an dem Brückchen angelangt, das unweit des Engs- loches über die Kleine Kyll führt: die Thalwiesen, von un- zähligen Herbstzeitlosen bestickt, breiteten sich, und am gc- mauerten Einfaß des Brückcheus lehnte ein Bursche, lachte und schwippte mit einer langen Angelgerte in den raschfließenden Bach. DaS war der Josef von Laufeld oben aus Manderscheid sie kannte den wohl noch wollte der etwa hier unten fischen in ihres Vaters Bach?! Zornig runzelte sie die Stirn. Schon wollte sie ihm einen Verweis austeilen, aber da besann sie sich: mit dem durfte sie nicht sprechen. Fest kniff sie die Lippen zusammen. n'Abend. Fränz, wat bis Du c so groß geworden?" sagte der Josef, und dann nach einem musternden Blick:un en staats Mädchc, c so is kein annerc hei! No, Fränz, wie geht et Der dann cweil?" Was, der wollte gar eine Unterhaltung mit ihr anfangen? Stracks kehrte sie ihm den Rücken. Mit dem Laufeld seinem Sohn sprach sie nicht nein! Alles Unglück kam von dem alten Duckmäuser oben das hatte sie oft gehört. Und auf einmal stürzte alles Leid, das sie mit angesehen und das sie täglich mit ansah, unter den musternden Blicken dieses wohl- gekleideten Burschen über sie her. Heiße Röte stieg ihr bis in die Stirn, fest preßte sie die Lippen aufeinander, daß ihr ja kein Wort entschlüpfe, warf den Kopf in den Nacken und schritt davon, nicht zu rasch, nicht zu langsam. Sie that sich Zwang an, gelassen und stolz zu scheinen. Der da sollte es nicht merken, wie sehr sie erregt war verstohlen wischte sie hastig mit der Schürze, der hatte doch ihre Thränen nicht gesehen? der sollte nur sehen, daß sie ihn, seinen Vater, die ganze Sippschaft verachtete. Ihr bescheidenes Kleid raffend, stieg sie über eine nasse Stelle des Weges. Es war schon abendlich, ein feuchtes Herbstdämmern breitete sich, ans den Gründen stiegen kalte weiße Nebel und hüllten alles Nagende wie in Ranchsäulen. Als sie an der Felsenecke einmal verstohlen zurückblickte, war von dem Joses nichts mehr zu sehen. Hatte er sich durch's Engs loch davon gemacht? Ah, abgeblitzt! Sie lachte hohnvoll, aller Schmerz ging in diesem Lachen unter. XVI. Dicht bei der Giebelwand, da wo der Mühlenpfad zur Straße hinauf gen Maarfelden führt, standen Weidenbäume. Bis vor wenig Jahren hatten die noch Mark und Saft gehabt, alle Frühjahr neu ihre graugrünen, wehenden Blätterbüschel