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Teuchtend gefärbt, durch den grauen Wolfenwust des Himmels daherfegelte. Kuckt dahin, Müllerhannes", er nahm den nur schwach Widerstrebenden beim Aermel und zog ihn ans

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( Nachdruck verboten.)

Fenſter, kuckt da oben! Heut bei dem grauen Tag- wen Hexenprozess am Dresdener Hofe.

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hätt dat gedacht, kein Mensch auf einmal himmelsblau! Kuckt, wie schön, wie schön!" Der alte Mann geriet ganz in Entzücken.

Ein plötzlicher Wind hatte sich aufgemacht, die Wolfen auseinandergetrieben, daß sie in jäher Flucht nach rechts und links wichen; das Stückchen Blau ward größer. Noch regnete es, aber ein abendlicher Sonnenstrahl brach jezt plötzlich hervor und suchte vorerst noch wie ein verirrtes Kind scheu den richtigen Weg.

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" No, Müllerhannes," der Herr Noldes reckte sich und schlug ganz triumphierend auf des großen Mannes Schulter ,, wie is et eweil, schläft unsen Herrgott? He? Wen läßt die Sonne scheinen, e so früh im Jahr, wie faum je? Dat is fein Zeichen. Ich sagen et ja, ich weiß et genau, den lebt un thut Wunder alle Tag, man muß se nur sehen!"

Meint Ihr?" In einem bittern Ton ward's gesprochen. Einen einzigen Blick nur warf Müllerhannes auf den heller und heller werdenden Himmel, dann kehrte er sich verdrossen ab, schlorrenden Schrittes wankte er wieder zum Tisch, ließ sich schwer auf den Stuhl fallen und verbarg das Gesicht in den Händen.

Abgeschlagen! Der alte Herr schaute ganz betrübt hinaus. Immer schöner färbte sich draußen der Himmel, aber er gönnte sich die Freude daran gar nicht allein, dem Hannes da müßten auch die blöden Augen aufgethan werden, daß sie Gottes Wunder erkannten, trotz allem Leid.

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Aber was konnte er dazu thun? Wie wie sollte er das nur beginnen?! Er rieb sich die Nase, fuhr sich durch's weiße Haar und ließ die Augen ratlos schweifen. Da fiel sein Blick auf das verstaubte Klavierchen, ei, hatte nicht David dereinst vor König Saul gespielt und den Finstern auf freundlichere Gedanken gebracht? Finsterer fonnte der auch nicht dagesessen haben wie dort der Müllerhannes. Und war er selber auch kein David und war's hier auch kein Harfen spiel mit süßem Schall, ein Klavierchen konnte es auch schon thun. Er wußte ja noch, wie das damals den Hannes erfreut.

Leise schlich Arnoldus Cremer zum Klavierchen hin und flappte den verstaubten Deckel auf. Einen Augenblick zögerte er doch wie würde der Müllerhannes es aufnehmen?! Der rührte sich nicht.

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Aber da brach ein zweiter Sonnenstrahl durch, zitterte durchs verklebte Fenster und schien hell auf die gelben Tasten, und Herr Noldes kriegte Mut Spaß hatte er selber ja auch dran mit Bravour spielte er herunter, was ihm gerade in den Sinn und in die Finger kam. Es war eine Melodie, die er liebte. Sie hieß:

" Freut euch des Lebens

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tim Als wollte es schon Frühling werden, so harfte der Wind die ganze Nacht im blätterlosen Buchengebüsch der Schluchten, auch an der Mühle Giebel harfte er in den alten Weiden  . Der Müllerhannes hörte es. Das war kein Sturmt mehr, wie in den bösen Winternächten, das war ein Schlummerlied. Seine Seele ward ruhiger dabei. Sollte der Noldes wirklich recht haben mit seinent: Unser Herrgott schläft nicht, es geschehen noch Wunder alle Tag!"? I

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Das wär noch ein Wunder, das sich sehen lassen fönnte ein größeres Wunder, als die Mutter Gottes, die sich jüngst zu Marpingen   beim Brunnen gezeigt oder den Kindern im Busch wenn der Alte jetzt hier in die Stube träte! Leibhaftig!

Ach, der Alte! Mit einem tiefen Aufatmen setzte sich der Sohn aufrecht im Bett und schaute, die Arme um die hoch­gezogenen Kniee geschlungen, sehnsüchtig ins Dunkel.

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Ach, er wollte sich ja schon bescheiden, wenn er seinen Alten überhaupt nur wieder zu sehen kriegte! Aber nicht dermaleinst mit verklärtem Leib, wie sie verhießen, als ein Engel mit der goldenen Palme nein, so nicht, den kannte er nicht! Den braungrünen Flauschrock, der so abgeschabt an den Ellenbogen war, den mußte er anhaben, den Wollenschawl um den Hals, die Pelzmüße über die Ohren gezogen accurat so, wie er immer hierhingekommen an den langen Herbst­abenden, an denen es schon fröstelte. So, so wollte er ihn wiedersehen! Mußte er ihn wiedersehn!

( Fortsetzung folgt.)'

Durch das 17. und bis in das 18. Jahrhundert hinein wurde Deutschland   heimgesucht durch die Herenverfolgungen und Heren­prozesse. Nicht bloß Männer und Frauen aus den breiten Volks­schichten haben in denselben eine Rolle gespielt; aus allen socialen Schichten holten sich vielmehr Aberglaube, Fanatismus und Nieder­tracht ihre Opfer. Mit den Begriffen" Here" und bösen Künsten" wurde meist nur die Dummheit oder Niedertracht andrer gedeckt; die Greuel der Folterkammer und der lodernde Scheiterhaufen dienten nur dazu, die menschlichen Thorheiten andrer vergessen zu machen. Zu den Herenprozessen, die das größte Aufsehen erregt haben, gehörte auch der gegen die Gräfin Rochlik, die lange Zeit am Dresdener Hofe eine hervorragende Rolle gespielt hatte. Auf Be­feht Augusts des Starken wurde dieser Prozeß 1694 begonnen; vielleicht weniger, weil die hohen Räte, die ihn befürworteten, an Heren und Zauberkünste glaubten, als vielmehr, um in dem Aber­glauben der Zeit das arg schimpfierte Ansehen des verstorbenen Sächsischen   Kurfürsten Johann Georg IV.   reinzuwaschen. Rochlik war eine Tochter des Hofobristen v. Neitschütz, Amts­Die als Here" gefangen gesezte Frau Generallieutenant hauptmann zu Birna und Hohenstein und Kammerherr unter dem dritten Georg. Diese Frau war nicht bloß eine intrigante, sondern auch eine dem Zuge der damaligen Zeit folgende abergläubische Person. Ihre 1675 geborene Tochter Sibylle erzog sie durchaus in den von dem sächsischen Hofadel gierig aufgefogenen französischen  Sitten. Brinzen Johann Georg  . Er war zwanzig, fie vierzehn Jahre alt. Die Schönheit des Mädchens erweckte die Aufmerksamkeit des zwar mühten sich bereits einige Hofjunker um die Gunst des Mädchens, aber die erwachte Begier des Prinzen drängte sie alle zurück. Dazu wußte die pfiffige Mutter sehr wohl die Vorteile ab­zuschätzen, die sich aus der prinzlichen Neigung herausschlagen ließen und so brachte sie die beiden mit allen Mitteln einer abgefeimten Suppelkunst zusammen. Sie überließ dem Prinzen ihre Tochter, sie diktierte die Antworten auf die Zuſchriften, die sie von dem Prinzen empfing, ihr in die Feder und führte sie nachher selbst dem Kurfürsten aufs Schloß zu. Der Hofadel, der damals mehr als je von fürstlicher Gnade lebte, erachtete es nämlich, unter der Einwirkung der französischen   Maitressenwirtschaft, als eine ganz be­sondere Ehre, wenn fürstliche Augen sich lüstern auf die törperlichen Reize seiner Frauen senkten.

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Der von der Mutter überkommene Aberglaube veranlaßte die junge Neitſchütz, alle möglichen Mittel anzuwenden, sich des Prinzen Liebe zu sichern. Kam er zu ihr, so hatte sie heimlich unter ihren Stuhl ein Fledermausherz genagelt und beständig lag jie bei alten " Zauberweibern", der" Burmeisterin", der Here aus dem Spree­wald". Sogar vor dem Dresdener Henter Meister Vogel scheute sie sich nicht und alle diese Personen machten ein einträgliches Ge­schäft daraus, dem Prinzenliebchen untrügliche Zaubermittel" zu vertaufen, wodurch sie ihren fürstlichen Buhlen zeitlebens an sich fesseln könne.

Das dauerhafteste Mittel war aber eben doch des jungen Mädchens Schönheit. Die schlug Johann Georg  , als er Kurfürst ge­worden war, dauernd in Fesseln. Und was dann noch fehlte, that der Eifer der Mutter. Wie diese selbst in dem Dresdener   Prozesse zu den Akten ausgesagt hat, begleitete sie ihre Tochter nicht bloß abends zu dem Kurfürsten ins Schloß, sondern setzte sich sogar vor das Bett, wenn der Kurfürst mit ihrer Tochter darin lag, und segnete dasselbe beim Abschied mit gemachten Kreuzen ein". Auch sonst war sie eifrig bemüht, ihrer Tochter in Dresden   die gleiche Stellung zu verschaffen, welche die Maitressen am französischen   Hofe innehatten. " Der Surfürst muß Dich vor seine Frau halten," instruierte sie alles thun, was Du willst; es ist nur um einen Sturm zu thun, sonst einmal ihr gelehriges Töchterlein, Du mußt es ihm sagen, er muß werden Dich die Leute für seine Hure halten."

Wirklich that denn auch der Kurfürst alles, und selbst als er nach Berlin   gereist war, um seine Verlobung mit einer branden­burgischen Prinzessin zu feiern, entflammte sein Herz bald wieder zu der jugendschönen Neitschütz, die er kurz zuvor, in einem Augen­blick des Ueberdrusses, eine Canaille genannt hatte. Als zur Ofter­messe 1692 die brandenburgische Prinzessin in Leipzig   ihren Einzug hielt, empfing ihr Bräutigam sie zu ihrem nicht geringen Schreden

mit der Neitschütz am Arme.

Es wurde eine sehr unglückliche Ehe. Die preußische Prinzessin scheint nicht über allzu großen förperlichen Reiz verfügt zu haben. Der Kurfürst hielt es deshalb auch nicht lange bei ihr aus und weilte um so öfter und um so länger in der Gesellschaft der schönen Sybille. Diese und ihre Mutter wiederum, in der lebhaften Sorge, der wetterwendische Sinn des Kurfürsten tönne sich eines Tages bon Sybille ab und der Brandenburgerin oder einem andren Weibe zuwenden, griffen neben Sybillens Reizen zu allerlei Zaubermitteln", die ihnen ihre abergläubische Furcht eingab. Sybille mußte ihre und des Kurfürsten Haare zusammengeflochten bei sich tragen. siegelte Stücke von ihrem und seinem Hemde in eine Schachtel, trug fie am Karfreitag in die Dresdener   Bartholomäuskirche, ſette fie, während man die Passion sang, heimlich auf den Altar und ließ so den Segen darüber sprechen". Sie trug Adlerwurzel und Zauber­traut bei sich, um den Fürsten   zu fesseln.

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