Von...?" Die andern sahen verständnislos drein.

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" Na von Lene Meinhard, von Deiner Cousine", sie nickte ihrem Mann zu. ,, Von Onkel Adolfs ältester Tochter. Sie ist aber jetzt verheiratet und heißt Frau Burg."

Ach ja, sie heiratete ja wohl damals", sagte Hedwig, heiratete fie nicht' n Möbelfabrikanten in Ertner?"

,, Möbelfabrikant?" spottete Olga.

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' n Möbeltischler war er."

Ja, Meinhards hatten immer so was Ordinäres", pflichtete ihr die Mutter bei. Na ja, solche Kleinen Beamten."

Und dann bist Du immerzu hingerannt?" fragte der Mann etwas ironisch. Das ging ja fast jeden Tag zu Meinhards, und ohne Meinhards Kinder konnten unsre nicht sein.

Na erlaub' mal, Du bist auch hingegangen und hast Dich nach­her drüber lustig gemacht. Und wie wir damals dastanden Du keine Stelle und alles im Geschäft verloren... Da konnte man noch grade froh sein, daß man mal' n paar Menschen zum Aussprechen fand. Es waren doch auch Deine Verwandte.

,, Deine Verwandte spitz' nur nicht so... durch' n Scheffel Erbsen gemessen." Seine Stimme flang etwas gereizt.

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Ach und es war auch immer ganz nett bei Meinhards," sagte Hedvig, laßt nur gut sein. Und wie Tante Emmy immer getröstet hat, wenn wir vor Kummer nicht aus noch ein wußten, das hast Du doch auch oft gesagt, Mama."

" Ich weiß ganz allein, was ich gesagt habe, Du brauchst es mir nicht vorzuhalten," die Mutter erhob ihre Stimme.

" Ja man hat ganz nette Stunden bei ihnen verlebt," sagte der Vater.

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Dann hättest Du doch nicht mit ihnen brechen sollen." ,, Erlaube mal, das hast Du gethan." Er gab seinem Sessel einen hörbaren Ruck.

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Es kam so durch die Entfernung," fiel Hedwig ein. Sie hatte entschieden das Bestreben zu vermitteln. Wir in Halensee , Meinhards in der Ackerstraße... da kommt man so ganz von selbst aus­einander..."

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Es war auch ein wahrer Segen, daß es so kam," fagte Olga. " Ja das war es," nickte die Mutter. ,, Bei unsren besseren Verhältnissen hätten Meinhards nicht mehr zu uns gepaßt und jetzt will Lene wieder anfangen."

Ach... was schreibt sie denn?" Die drei andren fragten es beinah gleichzeitig.

Gott , nichts weiter. Sie schreibt, sie wäre wieder nach Berlin gezogen und ihr Mann hätte hier' ne Anstellung in' ner Fabrik und sie hätte so viel an uns gedacht und freut sich sehr, daß es uns wieder gut geht. Und daß Dntel" die gute Stelle bei der Bank gefunden hat... die Mutter knitterte mit dem Briefe... und nun möchte sie uns mal besuchen, oder ob wir nicht zu ihr kommen wollten, sie wohnt natürlich wieder in der Ackerstraße."

Es entstand eine Pause.

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Der Vater zog die Stirn kraus: Es ist so gar nicht unsre Sphäre." " Ra also, nun sagst Du es selbst." Die Mutter warf den Brief auf den Nähtisch: und ich werde angefahren". " Ich hab' Dich gar nicht angefahren, aber immer spitst Du auf meine Verwandten. Antworte ihr gar nicht, das ist schon das beste." " Wir können ja hingehen," höhnte Olga, am Ende macht sie's auch wie ihre Mutter und bringt die Stullen gleich belegt und noch dazu als Klappstullen auf den Tisch. Und' s Bier für alle Mann in

einem Glas."

Aber schöne Schinkenstullen gab's immer", Hedwig schwelgte offenbar noch in der Rüderinnerung, Und ich glaube, für uns hat Tante Emmy immer noch extra dick belegt, weil sie wußte, daß wir zu Hause nichts hatten."

" Ja, gut waren fie alle miteinander." Der Vater nichte nach­denklich, die Frau fiel ihm jedoch rasch ins Wort:" Gut? Ja wohl, immer so, als wären wir dasselbe wie sie. In den Fingern hat es mir manchmal gekribbelt, daß ich mir all' ihr Mitleid gefallen lassen mußte. Ach wißt Ihr, ich lasse die Lene mal herkommen, sie kann mal sehen, wie es uns jezt geht. Ich möchte ihr mal zeigen wie wir es gewohnt find. Ich lade sie zum Sonntagnachmittag ein." Au ja, Mama!" Olga schlug in die Hände. " Und dann decken wir den Kaffeetisch recht sein mit dem rosa Damastgedeck und mit dem Meißener Service. Die soll mal gar nicht wissen, wie ihr wird."

Und abends erleuchten wir alle Zimmer und ziehen uns unsre seidnen Blusen an." Auch in Hedwig erwachte die Lust am Prahlen. " Ja, behaltet sie nur zum Abend hier," sagte der Vater, ich werde uns Wein besorgen. Wenn es geht, macht was Warmes, vielleicht' n Hasenbraten."

" Wir machen es furchtbar fein, Papachen!" Olga flatschte wieder in die Hände:" Oh die soll der ganzen Verwandtschaft er­zählen, was wir wieder für vornehme Leute sind!"

" Du, ich dächte, das wären wir immer." Die Mutter sah sie verweisend an:" Ja dann schreib' ich ihr also, sie soll uns Sonntag besuchen. Ach Kinder, das ist mir ja solch ein Triumph, daß ich's der ganzen Meinhardschen Gesellschaft doch noch einmal zeigen fann, seht Ihr, wenn es uns auch mal schlecht ging, wir sind doch was Besseres als Jhr!"-

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Ein Wiener Fiaker. Aus Wien vom 7. d. M. berichtet das dortige Extrablatt": Der Fiater Georg Benzer wurde wegen Nichtbeaufsichtigung seines Fuhrwerks zu drei Tagen Arrest ver­

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urteilt, wogegen er Einspruch erhob. Gestern fand daher beim Bezirksgericht Josefstadt die Verhandlung statt:

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Richter: Womit begründen Sie Ihren Einspruch?" Angell.: Drei Tag' fan m'r 3'viel."

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Richter: Sie sind schon 115mal vorbestraft, darunter 16mal wegen aufsichtslosen Fuhrwerks."

Angefl.: Meistens unschuldig i leid' so mit'm Magen." Richter: Sie haben schon wegen Uebertretung desselben Baragraphen einmal fünf Tage bekommen."

Angefl: Das waren mehrere Geschichten, da san no a paar andre Paragraphen wie der 430er dabei g'west."

Richter: Jedesmal ist Ihr Zeug in der Teinfaltstraße auf derselben Stelle beanstandet worden und jedesmal sind Sie im Kaffeehause."

Angefl: Na ja... mein schlechter Magen."

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Richter: Wachmann Maurer behauptet, daß Sie die ganze Beit über geschnapst haben."( Schnapsen" ist ein Startenspiel.) Angefl.: Schnapsen därf ma do gar nöt."

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Richter: Man darf so manches nicht, auch nicht den Wagen allein laffen."

Angel.: Segn's Euer Gnaden, vor dem Café geht der Wachmann eh alliweil hin und her... da kann ja nig g'scheg'n." Richter: Ist denn die Wache zur Beaufsichtigung Ihres Wagens da? Geben Sie jetzt Acht! Es liegt noch eine Anzeige vor Da haben Sie das Zeug schon wieder allein gelassen." Angel.: Stimmt!"

Richter: Außerdem haben Sie noch von früher einmal 24 Stunden und einmal 48 Stunden abzujizen?"

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Angefl.: Richtig! An dös hätt i beinah' vergessen! Geben's mir dafür, Herr kaiserlicher Rat, jezt a mildere Straf, ſunst sig' i ja mehr im Arrest, als auf'm Bock!"( Heiterkeit.)

Richter: Das wird schwer gehen! Sind Sie verheiratet?" Angel.: Gott sei Dank na! Bei dem Elend sollt Aner heiraten?" Das Urteil lautete auf vier Tage Arrest mit einmaligem harten Lager für beide letzte Facten.

Richter: Nehmen Sie die Strafe an?"

Angel.: 3 bitt' dös harte Lager" thun wir auslassen." Richter: Hier wird nichts ausgelassen, aber Sie können da­gegen ans Landesgericht berufen."

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Angefl.( rasch): Na, na! Beim Landesgericht war i amol nur, aber nie mehr wieder! Backen m'r alles z'samm, wann's sein muß." Richter: Sie haben also 4 Tage, 24 und 48 Stunden!" Angefl.: Macht z'samm akkurat a Wochen... I fumm am Montag! B'hüt Gott !"

Musik.

Komponistinnen. In den Erörterungen über Frauenart und Frauenrecht wird regelmäßig selbst von denen, die sich zu beidem günstig stellen, behauptet oder angedeutet, daß die Frauen immerhin dort zu vielem befähigt seien, wo es mehr auf ein Wiedergeben an­tomme, dort aber sicher im Stich lassen, wo es das eigentliche Schaffen, eine wirklich schöpferische Zeugungskraft gelte. Nun beachte man folgende zwei einander ähnliche Erscheinungen. Erstens ist diefer Gegensatz zwar nicht etwa richtig, wohl aber sehr elastisch. In den sogenannten reproduktiven Künsten läßt sich originell schaffen, und in der eigentlichen Produktion läßt sich wie mit einer Schraube ohne Ende ein fortwährendes Surrogat für Schöpferkraft aufgießen; und ob der angeblich produktivste Stand, der Bauernstand, mehr Schaffenstraft entfaltet, als es etwa im Stande der Vermittelungs­agenten geschehen mag, bezweifeln wir. Setzt man an die Stelle des Gegensatzes von Schaffen und Wiedergeben etwa den von Aktivem und Passivem oder von Positivem und Negativem, so kommt man erst recht nicht weiter, sondern rennt sich nur immer noch mehr ins Nebelhafte hinein. Zweitens: wenn man auf irgend einem Ge­biet menschlicher Aeußerungen, sei es die Rede, oder die Handschrift, oder die Litteratur, oder die Wissenschaft, oder die Politik, Leistungen daraufhin bestimmen soll, ob sie von Männern oder von Frauen hera rühren, so versagt das Urteil allermeistens, ausgenommen die, welche unmittelbare Aeußerungen der sogenannten primären und etwa noch der sekundären" Geschlechtscharattere find( also Fortpflanzung. teilen Erfahrenen zu unterscheiden zwischen männlichen und weiblichen Stimmflang und Aehnliches). Wohl aber pflegen die in jenen Ur­Charakteren, von denen jedoch dieser auch bei Männern, jener auch Stimmung dieser Verschiedenheit abermals hapert und nebelt: über bei Frauen vorkommen soll. Nur daß es mit einer näheren Be­die blassen Gegensätze von Aktiv und Passiv oder dergleichen kommt man da wieder nicht gut hinaus. Gewichtiger und klarer schon ist charakter des Kindlichen und Weiblichen. Und verfolgt man dann die die Unterscheidnug zwischen dem reifen Männlichen und dem Gesamt­Sache näher, so charakterisiert sich alles, auch reifer Weibliche, als liche Leistungen auf irgend einem Gebiet sind eben durchschnittlich das dem reifer Männlichen gegenüber weniger Entwickelte. Weib die unreiferen; der Blaustrumpf" ist lediglich der Mensch, der sich in Litteratur oder andrem ohne das wohlerworbene Können zu thun

macht.

Kehren wir nun wieder zu den seelischen Folgeeigentümlich feiten der Geschlechter zurück, so ist die Durchführung aller Unter­scheidungsversuche auch deswegen so schwer, weil wir immer in der Gefahr sind, Eigentümlichkeiten, die rein auf augenblickliche Ver­hältnisse der Bildung, des Verkehrs usw. zurückgehen, für beständige