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Er hörte ihr lächelnd zu, immer noch verlegen und un­schlüssig. Jetzt wies sie ihn förmlich ab; es war lächerlich, daß er sich nur einmal durch Ueberrumpelung ihrer bemächtigt hatte. Aber seine Eitelkeit allein litt darunter.

"

Also nur Freundschaft?"

" Ja! Ich will Ihr guter Kamerad sein, ich will Ihnen helfen. Freunde wollen wir sein, gute Freunde.

Sie hielt ihm die Wangen hin, und besiegt drückte er zwei herzhafte Küsse darauf. Er fand, daß sie recht hatte.

3.

Der von Sigismund übersetzte Brief des russischen Bantiers in Konstantinopel war der günstige Bescheid gewesen, auf welchen Saccard gewartet hatte, ehe er die Angelegenheit in Paris in Gang setzte.

Zwei Tage später kam ihm beim Erwachen die plögliche Eingebung, es müsse heute noch gehandelt werden, noch vor der Nacht müsse das Konsortium gebildet sein, bei dem er die fünfzigtausend Aktien zu fünfhundert Franken seiner mit einem Kapital von fünfundzwanzig Millionen zu gründenden Aktiengesellschaft zum voraus unterbringen wollte.

Als er aus dem Bette sprang, hatte er endlich den Namen für diese Gesellschaft, das lange gesuchte Aushängeschild ge­funden. Die Worte ,, Banque Universelle " standen in dem noch dunklen Gemach plöglich in Flammenzügen vor ihm.

" 1

Banque Universelle!" wiederholte er immerfort beim Anfleiden, Banque Universelle ", das ist einfach und groß­artig! Das umklammert alles, das bedeckt die Welt... Ja, ja, vortrefflich... Banque Universelle!"

Bis halb zehn Uhr durchmaß er in Gedanken vertieft feine geräumigen Zimmer und fragte sich, wo er nun in Paris feine Jagd nach den Millionen beginnen sollte. Fünfund­zwanzig Millionen, die findet man am Ende hinter einer Straßenecke! Ja, die Verlegenheit der Auswahl kostete ihn das meiste Nachdenken; denn planmäßig wollte er zu Werke gehen.

Er trank eine Tasse Milch und wurde nicht böse, als der Kutscher mit der Meldung herauffam, das Pferd sei wahr­scheinlich infolge einer Erkältung nicht wohl, und es sei darum vorsichtiger, den Tierarzt kommen zu lassen.

Schon recht

Ich werde eine Droschke nehmen." Draußen auf dem Bürgersteig überraschte ihn der scharfe Wind, der ihm entgegenblies: eine plögliche Rückkehr des Winters mitten in diesem gestern noch so milden Mai. Trotz­dem regnete es nicht; große gelbe Wolfen stiegen am Horizont auf. Er nahm, um sich durch Laufen zu erwärmen, keine Droschke und wollte sich zuerst zu Fuß zu Mazaud, dem Wechselmakler in der Rue de la Banque, begeben, denn es war ihm der Gedanke gekommen, diesen über Daigremont, jenen wohlbekannten Spekulanten und glücklichen Teilnehmer an allen Konsortien, auszuforschen. In der Rue Vivienne aber fam von dem mit bläulichen Wolfen überzogenen Himmel ein derartiger, mit Hagel untermischter Regenschauer herunter­geplatzt, daß Saccard sich unter einen Thorweg flüchten mußte. Etwa eine Minute stand er da und schaute in den Platz­regen hinein, als ein helles Klingen von Goldstücken das Rauschen des Wassers dermaßen übertönte, daß er aufhorchend das Ohr spitte. Es schien aus dem Schoß der Erde hervor­zudringen, eine anhaltende gedämpfte Musik, wie in einem Märchen aus Tausend und einer Nacht". Er schaute um sich und erkannte, daß er sich unter dem Thor des Hauses Kolb befand. Kolb war ein Bankier, der sich hauptsächlich mit Gold­arbitrage abgab und das gemünzte Gold in den Staaten auf­faufte, wo der Kurs niedrig war, um es einzuschmelzen und die Goldbarren anderweitig zu veräußern, in den Ländern, wo der Goldkurs höher stand. Vom Morgen bis zum Abend klang an den Schmelztagen aus dem Kellergeschoß dieses kristallhelle Klirren der Goldstücke herauf, die schaufelweise aus Kisten geschöpft und in den Schmelztiegel geworfen wurden. Den Vorübergehenden klingen die Ohren jahraus jahrein davon. Wohlgefällig lächelte Saccard bei dieser Musik, welche gleichsam die unterirdische Stimme dieses Börsenviertels war. Hierin erblickte er eine glückliche Vorbedeutung.

Der Regen hatte mittlerweile aufgehört. Er schritt über den Börsenplatz und befand sich sogleich bei Mazaud. Aus­nahmsweise hatte dieser junge Wechselmakler seine Privat­wohnung im gleichen Hause, dessen ganzen zweiten Stock die Geschäftsräume einnahmen. Er hatte einfach die Bel- Etage feines Dheims übernommen, als er beim Tode desselben mit den Miterben sich verständigt und das Amt fäuflich er­worben hatte.

Es schlug zehn Uhr, als Saccard geradewegs zu den Geschäftsräumen hinaufstieg. Vor der Thür traf er Gustave Sédille. " Ist Herr Mazaud hier?" fragte er.

" Ich weiß nicht, mein Herr, ich komme soeben erst."

Der junge Mann lächelte; er kam immer zu spät und nahm seine unbezahlte Stelle leicht. Er hatte sich darein gefügt, ein oder zwei Jahre als Volontär hier zu verbringen, aber nur seinem Vater zu lieb, dem Seidenfabrikanten der Rue des Jeuneurs.

Saccard durchschritt das Kassenzimmer, begrüßt vom Bar­fassierer und vom Effektentassierer am andren Schalter, trat hierauf in das Zimmer der beiden Prokuristen, traf aber nur Berthier an, denjenigen, welchem der persönliche Verkehr mit den Kunden oblag und der den Prinzipal zur Börse be­gleiten mußte.

" Ist Herr Mazaud hier?"-

" Ich denke wohl, ich komme soeben aus seinem Arbeits­simmer Ach nein, er ist nicht mehr da Dann ist er wohl in der Abteilung für Kassageschäfte.

"

Er stieß die Thür zum Nebenzimmer auf und hielt in dem ziemlich weiten Raum, in welchem fünf Gehilfen unter der Aufsicht eines Abteilungsvorstandes arbeiteten, nach allen Seiten Umschau. Nein! Das ist merkwürdig... Sehen Sie doch selbst nebenan in der Abrechnungsstelle für Zeitgeschäfte nach." ( Fortsetzung folgt.)

( Nachdruck verboten.)

Die dörfliche fabrikation

bei den Wilden.

Die Berichte von Missionaren und Reisenden über die Zustände und das Leben wilder Völker wissen häufig absonderliche Dinge zu erzählen, die, zunächst als Ausfluß völliger Regellosigkeit angesehen, sich der späteren Forschung stets als der Ausdruck einer tiefen Ge­fezmäßigkeit erwiesen haben. Vielen Einrichtungen mancher Natur­völker stehen wir freilich heute noch als Thatsachen gegenüber, für die uns die volle und innere Erklärung fehlt. Bis zu einem gewissen Grade gilt das selbst für eine der interessantesten Erscheinungen im Wirtschaftsleben zahlreicher Urvölker, die dörfliche Fabrikation, die insbesondere in Centralafrika ihre typische Ausbildung gefunden zu haben scheint.

Die höher stehenden unter den dortigen Völkern kennen nicht bloß Jagd und Fischerei, sind nicht nur zur Zähmung einzelner Nutztiere wie Huhn, Biege und Schwein fortgeschritten, sondern haben auch den mit der Hacke betriebenen Acerbau bis zu einer bestimmten naturgemäß in Centralafrika die tropischen Senollengewächse: Maniof, Fruchtfolge entwickelt. Die Grundlage der Pflanzenproduktion bilden yam, Tarro, Bataten, Erdnuß, sodann Bananen, verschiedene Kürbis arten, Bohnen, Reis, Durrha und Mais. Am Kongobecken werden nun 3. B. nengerodete Aecker zuerst mit Bohnen befät, diesen folgt die Kolbenhirse, zwischen die man später die Stecklinge des Maniok pflanzt, der erst in zwei Jahren Früchte ergiebt. Das Land pflegt Holzen beginnen; dann schreitet man zu neuen Rodungen. An andren so lange bebaut zu werden, bis die Wurzeln des Maniok zu ver­Stellen tennt man eine ähnliche Folge von Früchten. Daneben ver­stehen die entwickelteren unter diesen Stämmen, mehr oder minder dauerhafte Hütten zu bauen, allerlei Stoffe zu flechten und zu weben, Geräte und Waffen zu schniken, Geschirre am Feuer zu brennen u. a. Sind ihre Werkzeuge auch bloße Naturgegenstände wie Steine, Knochen, geschärfte und gefantete Hölzer, so daß von eigentlichem Handwerkzeug bei ihnen nicht die Rede sein kann, so verstehen sie Sunstfertigkeit zu erzeugen, die unser höchstes Erstaunen hervor trotz dieser armseligen Hilfsmittel Produkte von einer Güte und rufen müssen. Sie erreichen dies dadurch, daß sie im Anschlußz an die örtliche Verbreitung der Rohstoffe bestimmte Technifen in der einseitigsten und zugleich umfaffendsten Weise in Anwendung bringen". So wissen die centralafrikanischen Tropenvölker, um mur ein Beispiel anzuführen, aus dem Bast- und Fasermaterial, den Gräfern und Binsen der Urivälder die allerverschiedenartigsten Gegen­stände herzustellen, von Rinden- Kleiderstoffen und Matten an= gefangen, bis herab zu wasserdichten Körben, Schüsseln und Flaschen. Gewerbliche Berufsarbeiter in unfrem Sinne giebt es dabei, soweit sich dies bis heute beurteilen läßt, bei ihnen wohl nicht. Die einzelnen Familien produzieren vielmehr ihre Nahrungsmittel und Gebrauchsgegenstände selber, und zwar scheint hier ein vollständiger Individualismus an den Produktionsmitteln zu herrschen. Jedes Geschlecht hat wenigstens einen Teil der Nahrungsgewinnung für sich; die Frau gewöhnlich alles, was mit den Pflanzenstoffen, der hängt. Daneben besteht dann eine gewerbliche Thätigkeit, die man Mann alles, was mit den tierischen Nahrungsmitteln zusammen­schlechthin als die bevorzugte des ganzen Stammes bezeichnen fann, die jedes Mitglied der betreffenden Völkerschaft lennt und übt. Diese Thätigkeit schließt sich eng an die örtliche Berteilung der Natur­