Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 53.

15]

Das Geld.

Dienstag, den 17. März.

( Nachdruck verboten.)

Roman von Emile Zola  .

Kurz, bei diesem Caracas  - Geschäft," schloß Mazaud, der ungeachtet seines so forreften Wesens jetzt dem Grolle nachgab, ist es unzweifelhaft, daß Daigremont gemogelt und die Gewinne für sich eingestrichen hat Das ist ein ganz ge­fährlicher Mensch!" Dann fügte er nach einer Pause hinzu: Warum wenden Sie sich denn nicht an Gundermann?"

gerissen.

Nimimermehr!" rief Saccard, von der Erregtheit fort­In diesem Augenblick trat der Prokurist Berthier ein und flüsterte dem Makler einige Worte ins Ohr. Es war wegen der Baronin von Sandorff, welche Differenzen zu entrichten fam und die allerlei Chikanen aufbrachte, um ihre Rechnung zu verringern. Sonst war Mazaud dienstfertig und empfing die Baronin selbst; wenn sie aber verloren hatte, mied er sie wie die Pest, eines allzu harten Angriffs auf seine Galanterie gewärtig. Es giebt keine schlimmeren Kunden als die Frauen, keine durch und durch unehrlicheren, sobald es sich ums Be zahlen handelt.

" Nein, nein! sagen Sie, ich sei nicht zu Hause!" ant­wortete er unmutig, und lassen Sie keinen Pfennig nach,

verstehen Sie wohl!"

Als Berthier fort war, merkte er an Saccards Lächeln, daß dieser alles gehört hatte.

Das ist auch wahr, mein Lieber, sie ist sehr nett, die Baronin, aber Sie haben keine Ahnung von ihrer Geldgier. O, die Kunden, wie lieb wären wir ihnen, wenn sie immer gewännen! Und je reicher sie sind, je mehr sie zur feinen Welt gehören, desto mißtrauischer werde ich, weiß Gott  ! desto mehr fürchte ich, daß sie nicht zahlen... Ja, an manchen Tagen möchte ich außer den großen Häusern am liebsten nur eine Provinzkundschaft haben."

Im felben Augenblick trat ein Buchhalter ein, übergab ihm ein Aftenheft, welches er am Vormittag verlangt hatte, und ging wieder hinaus.

15

1903

Unter der Thür des Privatbureaus sagte ihm Mazaud noch mit einem Händedruck:

,, Sie haben Unrecht, sprechen Sie doch mit Gundermann wegen Ihres Konsortiums."

,, Nimmermehr!" rief Saccard, abermals wütend. und Billerault. Der erstere streďte mit tiefbetrübter Miene Als er endlich hinausging, erkannte er am Schalter Moser feinen Gewinn der letzten vierzehn Tage ein, sieben oder acht Tausendfrankennoten; der andre dagegen, der verloren hatte, zahlte etwa zehntausend Franken mit lauten Ausrufen, mit der stolzen Miene eines Angreifers, der gefiegt hat.

Die Stunde des Frühstücks und der Börse kam heran, die Geschäftsräume leerten sich schon zum Teil. Als die Thüre daraus. Gustave erzählte Flory von einer Nachenpartie, bei zur Abrechnungsstelle sich halb aufthat, erscholl lautes Lachen welcher das am Steuer sitzende Mädchen in die Seine gefallen war und sogar die Strümpfe verloren hatte.

wie viel verlorene Zeit! Nein, zu Daigremont wollte er nicht Auf der Straße schaute Saccard nach der Uhr. Elf Uhr; gehen. Obwohl er beim bloßen Namen Gundermanns sich empört hatte, entschloß er sich mit einem Male, zu ihm hinauf zu gehn. Hatte er ihn übrigens nicht auf seinen Besuch vor­bereitet, als er bei Champeaur ihm sein großes Geschäft an­gekündet hatte, um ihm sein boshaftes Lächeln auf den Lippen festzunageln? Als Entschuldigung sagte er sich, er wolle ja nichts aus ihm zu ziehen suchen und wünsche nur, ihm Troß zu bieten, über diesen Menschen zu triumphieren, der ihn ge­fliffentlich wie einen kleinen Jungen behandelte.

Da ein neuer Platzregen auf das Pflaster hernieder zu prasseln begann, wie ein rauschender Strom, sprang er in eine Droschke und rief dem Kutscher zu: Rue de Provence."

Dort bewohnte Gundermann ein ungeheures Haus, gerade groß genug für seine unzählige Familie. Er hatte nämlich fünf Töchter und vier Söhne, von denen drei Töchter und drei Söhne verheiratet waren und ihm bereits vierzehn Enkel beschert hatten. Bei der Abendmahlzeit, wenn diese Nach fommenschaft beisammen war, saßen einunddreißig Personen bei Tisch, Gundermann und Frau selbst mitgezählt. Mit Aus­" Sehen Sie! Das fommt gerade recht, da ist ein Renten- nahme von zwei Schwiegersöhnen, welche nicht im Hause einnehmer in Vendôme, ein gewisser Fayeur. Nun, Sie wohnten, hatten alle andren Familienangehörigen ihre machen sich feinen Begriff von der Menge Orders, die ich von diesem Kunden empfange. Allerdings sind diese Orders von geringem Belang; sie kommen von kleinen Bürgern, von Eleinen Handels- und Gewerbetreibenden, von Landwirten. Aber die Zahl macht alles aus!... Fürwahr das Beste in unsrem Geschäft, der Grundstock, setzt sich aus den bescheidenen Spielern zusamen, aus der unbekannten großen Menge, welche spielt."

Durch eine rasche Gedankenverbindung fam Saccard auf Sabatani, den er am Schalter der Kasse gesehen hatte.

" Sabatani ist also jezt ihr Kunde?" fragte er. " Seit einem Jahre, glaube ich," antwortete Mazaud mit liebenswürdiger Gleichgültigkeit. Das ist ein netter Mensch, nicht wahr? Er hat klein angefangen, er ist sehr vorsichtig und wird es zu etwas bringen."

Was aber Mazaud nicht sagte, was er nicht mehr wußte, war der Umstand, daß Sabatani mur eine Deckung von zwei­tausend Franken niedergelegt hatte. Daher dieses so bescheidene Spiel im Anfang. Ohne Zweifel wartete der schlaue Revan­tiner, wie so viele andre, bis der geringe Betrag dieser Deckung vergessen war. Er bewies Vorsicht, steigerte seine Orders mur stufenweise, in Erivartung des Tages, an dem er bei einer großen Liquidation umwerfen und verschwinden würde. Wie tönnte man auch gegen einen reizenden Menschen, mit dem anan sich befreundet hat, Mißtrauen äußern? Wie soll man an seiner Zahlungsfähigkeit zweifeln, wenn man ihn fröhlich und anscheinend reich sieht, mit jener eleganten Kleidung, die an der Börse unerläglich ist, wie eine Uniform des Diebstahls? Sehr nett, sehr verständig!" wiederholte Saccard, der sich plöglich entschloß, gelegentlich an Sabatani zu denken, wenn er einmal einen verschwiegenen und gewissenlosen Menschen brauchen würde.

Dann stand er auf und verabschiedete sich:

Nun, auf Wiedersehen!... Wenn unsre Papiere fertig find, werde ich Sie wieder aufsuchen, ehe ich sie auf den Kurs­zettel bringen zu lassen versuche."

Wohnung hier in den Flügeln rechts und links, die auf den Garten hinausgingen. Der ganze Mittelbau dagegen war durch die großartigen Geschäftsräume des Bankhauses besetzt. In weniger als einem Jahrhundert war in dieser Familie das riesengroße Vermögen von einer Milliarde entstanden und angewachsen, durch Sparsamkeit vermehrt und auch durch die glückliche Mitwirkung der Ereignisse. Es war ein vor­gezeichnetes Schicksal gewesen, aber unterstützt durch lebhaften Verstand, durch Hartnäckige Arbeitskraft, kluge und unüber­windliche, immerdar nach demselben Ziel gerichtete An­strengung. Jetzt flossen alle Goldströme diesem Meere zu; die Millionen verloren sich in diesen Millionen; der öffentliche Reichtum wurde von diesem stetig wachsenden Vermögen eines einzelnen verschlungen, und Gundermann war der thatsächliche Herr, der allmächtige König, dem Paris   und die Welt Gehorsam und Furcht erwiesen.

Während Saccard die breite Steintreppe hinaufstieg, deren Stufen durch das beständige Hinundhergehen der Menge schon mehr abgenügt waren als die Schwellen alter Kirchen, empfand er, wie sich ein unauslöschlicher Haß gegen diesen Mann in ihm erhob.

O die Juden! Gegen die Juden hegte er den uralten Rassenhaß, der sich namentlich in Südfrankreich   findet. war gleichsam eine Empörung seines Fleisches, ein Zurückbeben seiner Haut, so daß der bloße Gedanke an die geringste Be­rührung ihn mit unüberwindlichem Etel erfüllte und ihn jeder Besinnung und Selbstbeherrschung beraubte. Das Merk­würdige war, daß er, Saccard, dieser gewaltige Geschäfte­macher, dieser Jobber mit den verdächtigen Händen, jedes Be­wußtsein seines eignen Ichs verlor, sobald es sich um einen Juden handelte, daß er von einem solchen mit der Erbitterung und der rachedurstigen Entrüstung eines ehrlichen Mannes sprach, der von seiner Hände Arbeit lebt und von jedem wucherischen Handel rein ist.

Saccard schien von um so größerer Wut erfaßt zu sein, da er die Juden bewunderte und um ihre großartigen Finanz­