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fähigkeiten beneidete, um iene angeborene Wissenschaft der Bahlen, um jene natürliche Findigkeit in den verwickeltsten Operationen, um jenen Spürfinn und jenes Glück, welche allen ihren Unternehmungen den Sieg zusichern. Bei diesem Spizbubenspiel," sagte er, find die Christen ihnen nicht gewachsen und gehen schließlich immer unter; nimmt man dagegen einen Juden, der nicht einmal Buchführung versteht, wirft ihn ins trübe Waffer irgend eines anrüchigen Geschäfts, er wird sich retten und den ganzen Gewinn auf seinem Rücken forttragen. Das eben ist die Gabe dieser Rasse, das ist ihre Daseinsberechtigung mitten unter den werdenden und schwindenden Völkerschaften." Bornerfüllt weisfagte er die schließliche Eroberung aller Völker durch die Juden, wenn sie einmal das gesamte Vermögen des Erdkreises zusammengescharrt hätten. Das würde aber nicht mehr lange auf sich warten lassen, da man schon in Paris mitansehen könne, wie ein Gundermann auf einem festeren und geachteteren Throne size als der Kaiser selbst.
Droben, beim Eintritt ins große Wartezimmer, wich Saccard unwillkürlich zurück, als er dasselbe mit Rommissionären und Bittstellern, mit Männern und Frauen, mit dem ganzen Gewimmel einer geräuschvollen Menge angefüllt fah. Unter den Kommissionären namentlich war es ein heißer Wettstreit, wer zuerst ankommen würde, wegen der unwahrscheinlichen Hoffnung, eine Order von dannen zu tragen; denn der große Bankier hatte seine eignen Vertreter. Aber es war schon eine Ehre, wenn man empfangen wurde, und jeder wollte sich dessen rühmen können. Deshalb brauchte man auch nie lange zu warten; die zwei anwesenden Bureaudiener waren fast nur dazu da, den Vorbeimarsch zu ordnen, einen unaufhörlichen Vorbeimarsch, einen förmlichen Galopp durch die auf- und zugeklappten Thüren. Trotz der Menge wurde auch Saccard fast sofort mit der Flut der andren hereingeführt.
Das Arbeitszimmer war ein gewaltig großer Raum, von Sem Gundermann nur einen kleinen Winkel im Hintergrunde nahe beim letzten Fenster besetzt hielt. Er saß vor einem schlichten Schreibtisch aus Mahagoni und zwar so, daß er dem Lichte den Rücken zuwandte und sein Gesicht gänzlich im Schatten war. Schon um fünf Uhr war er auf und bei der Arbeit, wenn Paris noch schlief; wenn dann gegen neun Uhr die einander stoßenden und drängenden Geldgierigen an ihm vorbeitrabten, war sein Tagewerk bereits vollbracht. Mitten im Arbeitszimmer waren an größeren Bulten zwei seiner Söhne und einer seiner Schwiegersöhne beschäftigt, die selten saßen und inmitten des Hin- und Herwogens einer ganzen Welt bon Angestellten fortwährend ab und zu gingen. Hier liefen die Fäden der ganzen Verwaltung des Hauses zusammen. Die ganze Straße ging durch dieses Zimmer und schritt nur auf ihn zu, den in feiner bescheidenen Ecke sitzenden Gebieter; stundenlang fertigte er bis zum Frühstück mit unbeweglichem und düsterem Antlitz die Leute ab, oft mit einem Wink, manchmal mit einem Wort, wenn er sich besonders liebenswürdig zeigen wollte.
Sobald Gundermann Saccard erblickte, wurde sein Gesicht von einem höhnischen Lächeln erhellt:
So, Sie find's, liebster Freund! Sehen Sie sich doch einen Augenblick, wenn Sie mir etwas zu sagen haben, ich stehe Sofort zu ihrer Verfügung."
Dann stellte er sich, als habe er ihn vergessen. Saccard wurde übrigens nicht ungeduldig; ihn interessierte der lange Zug der Kommissionäre, die einander dicht auf den Fersen mit dem gleichen demütigen Gruß eintraten, den gleichen Bettel aus ihrem tadellosen Ueberrod herauszogen, ihren Notierungszettel, den sie mit der gleichen bittenden und ehrerbietigen Geberde dem Bankier überreichten. So zogen zehn, zogen zwanzig vorüber; jedesmal nahm der Bankier den ihm gereichten Bettel, warf einen Blick darauf und gab ihn zurück. Nichts kam dabei seiner Geduld gleich als fein völliger Gleichmut unter diesem Hagel von Angeboten.
Bald zeigte sich Maffias mit seiner luftigen und zugleich besorgten Miene eines geprügelten gutmütigen Hundes. Der Empfang war mitunter so schlecht, daß er hätte weinen können. An jenem Tage war wohl seine Demut zu Ende, denn er erlaubte sich eine unerwartete Zudringlichkeit.
Sehen Sie doch, geehrter Herr, Crédit Mobilier steht sehr niedrig... Wie viel darf ich für Sie kaufen?"
Gundermann richtete, ohne die Notierung entgegen zu nehmen, feine grünlichen Augen auf diesen so zutraulichen jungen Mann.
„ Hören Sie' mal, mein Bester," erwiderte er rauh, glauben Sie denn, daß es mir Spaß macht, Sie zu empfangen?"
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Mein Gott ! Geehrter Herr," versette Massias, der böse geworden war, das macht mir noch weniger Spaß, seit drei Monaten jeden Morgen umsonst zu kommen." Nun, dann kommen Sie nicht wieder!"
Der Kommissionär grüßte und zog sich zurück, nachdem er mit Saccard einen wütenden und betrübten Blick gewechselt hatte, als sei ihm plötzlich die Erkenntnis gekommen, daß ihm niemals der Erfolg zu teil würde.
Saccard fragte sich in der That, welches Interesse Gundermann daran haben könnte, alle diese Leute zu empfangen. Augenscheinlich besaß er eine ganz besondere Fähigkeit, seine Gedanken zu isolieren: er vertiefte sich und überlegte ruhig weiter. Aber abgesehen davon, war wohl eine Berechnung dabei im Spiel, die Absicht, jeden Morgen einen Ueberblick über den Markt zu gewinnen, bei welchem er immerhin einen, wenn auch noch so geringfügigen Gewinn herausfand. Sehr knauserig handelte er einem Coulissenmakler, der ihn übrigens bestahl, an einer Order vom gestrigen Tage achtzig Franken herunter. Dann kam ein Raritätenhändler mit einer goldenen Emailbüchse, die angeblich aus dem vorigen Jahrhundert stammte und deren teilweise Unechtheit der Bankier sofort herauswitterte. Hierauf traten zwei Damen ein, eine alte mit einer Nachteulennafe, und eine junge, sehr schöne Brünette, die ihn zur Besichtigung einer Kommode im Stile Ludwigs XV. einluden; er schlug die Besichtigung im Hause der Damen rundweg ab. ( Fortsetzung folgt.)
Gips.
( Nadjdrnd verboten.)
Gips, der heute in umfangreicher Weise zu Zwecken mannigfacher Art Verwendung, aber dennoch nur bedingte Wertschätzung findet, kann auf eine bis ins Altertum zurückreichende Benuzung feitens der Menschen blicken; die Pyramide des Cheops ist mit Gipsmörtel erbaut worden.
Das Rohmaterial des für viele technische Zwecke benutten Gipses ist der in der Natur vorkommende Gipsstein, welcher ein durchschnittliches specifisches Gewicht von 2,3 hat. Der Gipsstein besteht aus wasserhaltigem, schwefelsaurem Kalt und weist in seiner reinsten Beschaffenheit etwa folgende Zusammensetzung auf: 33 Prozent Stalferde, 46 Prozent Schwefelsäure und 21 Prozent Wasser. Dieses Material, das fich in 360 bis 480 Teile Wasser löst, ist so weich, daß man es mit dem Fingernagel zu rißen bermag.
Wenngleich der reinste Gipsstein hin und wieder in farbloser, wohl auch wasserheller Beschaffenheit angetroffen wird, so findet sich den Beimischungen( Thon, Eisenoryd usw.) weist es dann rötliche, diefes Material doch meist mit Fremdstoffen verunreinigt; je nach graue, gelbe oder braune Färbungen auf. graue, gelbe oder braune Färbungen auf.
Der Gipsstein findet sich in der Natur als: dichter oder gemeiner Gips, als törniger oder Alabastergips, als porphyrartiger Gips, als Gipstryftalle, als Fasergips und als Gipserde oder Schaumgips. Von diesen Arten des Nohmaterials verdienen hier nur die Gipskrystalle besondere Erwähnung, da sie oft in bedeutenden Größen vorkommen und durch Spaltung in perlmutterglänzende Tafeln zerfallen, die wir als Marienglas, Jungfernglas, Fraueneis usw. bezeichnen.
Bei uns in Deutschland findet sich der Gips als Gestein Hauptfächlich als Begleiter des Steinsalzes in der Buntsandstein-, Zechstein -, Muschelfalt usw. Formation.
Seine Hauptverwendung findet der Gips im gebrannten Zustande. Das Brennen des Gipssteins ist notwendig, damit das chemisch gebundene Wasser ausgetrieben wird. Je nach der Art des Brennens erhält man, was vielfach ganz unbekannt ist, zwei total verschiedene Produkte. Wenn man nämlich das Wasser durch gelinde Erhigung bis wenig über 130 Grad Celsius austreibt, so erhält man den Gips, der später mit Wasser sehr schnell erhärtet. Diese Gipsart wird dann benutzt zur Herstellung von Abgüssen, Formen und Modellen, für Stuccatur- und Bubarbeiten, zur Anfertigung fünftlicher Steine, Gipsdielen, für chirurgische Verbände und ähnliche Swede.
Wird aber der Gipsstein in Rotglut gebrannt, so erhält man ein von dem vorher erivähnten durchaus verschiedenes Material, das später hydraulische Eigenschaften entwickelt, also nach dem Erhärten in Waffer widerstandsfähig gegen Feuchtigkeit und gegen Witterungseinflüsse ist. Die Zeit, welche diese Gipsart zum Abbinden erfordert, ist länger als die, welche der ersterwähnte Gips benötigt; dagegen erreicht der in Rotglut gebrannte Gips auch eine viel größere Härte als der andre. Dieser hydraulische Gips findet hauptsächlich Anwendung bei der Herstellung von Beton, Estrichfußböden und Gips quadern; endlich dient er auch als Mörtel. Man unterscheidet diefe beiden Gipsarten als Stud gips und Estrich gips.
Außer diesen beiden verwertbaren Gipsmaterialien fann man aber auch einen unbrauchbaren Gips erhalten, wenn man nämlich die Austreibung des Waffers bei den Gipssteinen bei einer Tem peratur vornimmt, die zwischen der des Etucgipses und der Rotglut liegt. Die Erscheinung des" Totbrennens" des Gipses ist noch