Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 55.

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Das Geld.

Donnerstag, den 19. März.

( Nachdrud verboten.)

Roman von Emile Zola . Daigremont erhob sich sofort bei Saccards Erscheinen. Ei, mein werter Freund, was wird denn aus Ihnen? Erst neulich dachte ich wieder an Sie... Sind Sie denn nicht

mein Nachbar?"

Indessen beruhigte er sich und verzichtete auf jene für die große Schar berechnete Herzlichkeit, als Saccard, der die feinen Einleitungsformeln für überflüssig hielt, sofort den 3wed seines Besuches darzulegen begann. Er nannte ihm sein großes Unternehmen, setzte ihm auseinander, daß er vor der Gründung der Banque Universelle mit einem Sapital von fünfundzwanzig Millionen ein Konsortium aus befreundeten Bankiers und Fabrikanten zu bilden suche, welches den Erfolg der Emission zum voraus sichern sollte durch die Verpflichtung, vier Fünftel dieser Emission zu übernehmen, das heißt min­destens vierzigtausend Aktien.

Daigremont, sehr nachdenklich geworden, hörte zu und schaute Saccard an, als wollte er ihm bis in die Tiefen des Gehirns schauen, um zu sehen, welche für ihn selbst nut­bringende Arbeit er noch aus diesem Manne ziehen könnte, den er so rührig und so voll wunderbarer Eigenschaften gekannt hatte, trotz seiner fieberhaften Unbeständigkeit.

Buerst zauderte er: Nein, nein!" sprach er. Ich bin überbürdet, ich mag nichts Neues mehr unternehmen."

1903

nicht entlassen hatte, obwohl er nur bis zum Ende der Straße zu gehen brauchte, um nach Hause zu kommen.

Er schickte ihn fort, da er darauf rechnete, daß er nach­mittags zu Hause anspannen lassen konnte; dann kehrte er rasch nach Hause zurück, um zu speisen. Man erwartete ihn nicht mehr, die Stöchin brachte ihm selbst ein Stück kaltes Fleisch, welches er gierig verzehrte. Gleichzeitig zanfte er mit dem Kutscher, den er heraufgerufen hatte, um über den Be­daß man das Pferd drei bis vier Tage ausruhen lassen müßte. such des Tierarztes Bericht zu hören. Das Ergebnis war, mit vollem Mund klagte er den Mann der Nachlässigkeit an und drohte ihm mit Frau Karoline, die in der ganzen Ge­schichte Ordnung schaffen würde. Schließlich rief er ihm

nach, er solle wenigstens eine Droschke holen. Straße. Ueber eine Viertelstunde mußte er auf den Wagen Wieder fegte ein fintflutartiger Regenguß über die warten. Als er unter strömendem Regen einstieg, rief er dem Kutscher zu:

Zum Gesetzgebenden Körper."

Sein Plan war, noch vor Beginn der Sigung anzu­fommen, so daß er Suret im Vorbeigehen anhalten und in aller Ruhe mit ihm reden könnte. Leider fürchtete man für ein Mitglied der Linfen die ewige Meritofrage zur Sprache den betreffenden Tag eine leidenschaftliche Erörterung, weil bringen wollte; ohne Zweifel müßte dann Rougon erwidern.

Als Saccard in den Wandelgang eintrat, hatte er das Glück, seinen Abgeordneten zu treffen. Wegen der in den Dann wandelte ihn die Versuchung an, er stellte Fragen, Gängen herrschenden Erregung führte er ihn in einen der wollte die Entwürfe kennen lernen, deren das neue Haus sich fleinen Nebensale, wo sie sich allein jahen. Die Oppositions. anzunehmen hätte und über welche Saccard vorsichtigerweise partei wurde immer gefürchteter; schon machten sich die Vor­nur mit größter Zurückhaltung sprach. Sobald er dann das wehen der Katastrophe fühlbar, welche anbrechen und alles erste beabsichtigte Geschäft fannte, jenen Gedanken, sämtliche fortblasen sollte. Huret, der mit wichtigen Gedanken be­Transportgesellschaften am Mittelmeer unter einer Firma schäftigt war, verstand zuerst nicht, was Saccard wollte, und " Compagnie générale des paquebots réunis" zu verließ sich zweimal die Sendung erklären, die er übernehmen einigen, schien er betroffen und entschied sich mit einem Schlage: sollte. Dann stieg seine Verstörtheit: ,, Nun, hören Sie!" sprach er, ich will dabei sein, allein Aber, bester Freund, was fällt Ihnen ein? Ich soll jetzt unter einer Bedingung... Wie stehen Sie eigentlich mit Ihrem mit Rougon sprechen?... Er wird mich zum Teufel schicken, Bruder, dem Minister?" ganz gewiß.

Durch diese Frage überrumpelt, sprach Saccard un­umwunden seine Erbitterung aus:

Mit meinem Bruder? Nun, er macht seine Geschäfte und ich die meinigen. Er ist nicht sehr brüderlich gestimmt,

mein Herr Bruder."

Dann thut es mir leid!" erklärte Daigremont rundweg, ,, ich thue mur mit, wenn Ihr Bruder auch dabei ist... Ver­stehen Sie wohl? Ich will nicht, daß Sie miteinander böse seien."

Mit zorniger Geberde, voll Ungeduld widersprach Saccard. Brauchte man denn Rougon? Sieße das nicht Heffeln holen, mit denen man sich Hände und Füße band? Aber gleichzeitig erhob sich die Stimme der Vernunft in ihm und übertönte seinen Groll. Man mußte mindestens sich der Neutralität des großen Mannes versichern. Gleichwohl weigerte er sich immer noch barsch.

Nein, nein, er hat sich zu schmutzig gegen mich betragen! Nie werde ich den ersten Schritt thun."

Hören Sie!" begann Daigremont wieder. Um fünf Uhr erwarte ich Huret wegen eines Auftrages, den er über nommen hat... Eilen Sie jetzt zum Gefeßgebenden Körper hin, nehmen Sie Huret beiseite, erzählen Sie ihm Ihre An­gelegenheit, sofort wird er mit Rougon darüber sprechen, er wird erfahren, was dieser davon hält, und wir haben um fünf Uhr die Antwort. Wie? Um fünf Uhr wieder hier?"

Gesentten Hauptes dachte Saccard nach.

Mein Gott!" rief er, wenn Sie Wert darauf legen!" D, einen sehr großen! Ohne Rougon ist nichts zu wollen; mit Rougon alles, was Sie verlangen." ,, Gut, ich gehe hin."

Er wollte schon nach kräftigem Händedruck abgehen, als der andere ihn zurückrief.

Hören Sie mal! Wenn Sie merken, daß die Sache ins Blei kommt, dann sprechen Sie doch im Vorbeigehen beim Marquis de Bohain und bei Sédille vor. Teilen Sie ihnen mit, daß ich dabei bin, und fragen Sie beide, ob sie mitthun wollen... Ich verlange, daß sie dabei sind."

"

teil zu Tage. Er existierte ja nur durch den großen Rougon, Dann aber trat die Sorge um seinen persönlichen Vor­dem er seine offizielle Kandidatur, seine Wahl zum Abge­ordneten verdankte, seine Stellung als Dienstmann für alles, der von den Brosamen der Gunst seines Herrn lebte. Bei diesem Handwerk rundete er, dank den Bestechungsgeldern und den vorsichtig unter dem Tisch aufgelesenen Gewinnen, feit 3mei Jahren seine großen Ländereien im Departement Cal­vados ab und hegte den Plan, sich nach dem großen Krach dort­hin zurückzuziehen und da als Herrscher zu thronen. Sein breites, pfiffiges Bauerngesicht war von der Verlegenheit um­düstert, in die ihn diese Bitte um seine Vermittelung warf; man gab ihm nicht einmal Zeit, sich darüber Rechenschaft ab­zulegen, ob für ihn Gewinn oder Schaden dabei herausfam. Nein, nein, ich kann nicht, ich habe Ihnen die Willens­meinung Ihres Bruders überbracht, ich will ihn nicht schon wieder plagen. Zum Teufel, denken Sie doch auch an mich! Er ist nicht sehr zärtlich, wenn man lästig wird, und ich habe, bei Gott, feine Luft, für Sie zu büßen und meinen Einfluß zu verlieren."

Saccard verstand ihn und bestrebte sich nur noch, ihn von den Millionen zu überzeugen, die bei der Gründung der Banque Universelle zu gewinnen wären. Mit großen Zügen, mit seiner glühenden Beredsamkeit, die ein Geldgeschäft zum Dichtermärchen umgestaltete, setzte er ihm die herrlichen Unter­nehmungen, den sicheren und großartigen Erfolg auseinander.

Daigremont habe sich mit Begeisterung an die Spitze des Konsortiums gestellt, der Marquis de Bohain und Sédille hätten gebeten, mitthun zu dürfen. Unmöglich könnte er, Huret, nicht mitthun: die andern Herren wollten ihn wegen seiner hohen politischen Stellung durchaus dabei haben. Man hoffte sogar, daß er einwilligen würde, in den Verwaltungsrat einzutreten, da sein Name gleichbedeutend wäre mit Ordnung und Ehrlichkeit.

Bei diesem Versprechen einer Ernennung zum Ver­waltungsrat faßte ihn der Abgeordnete scharf ins Auge:

Zum Schluß! Was verlangen Sie von mir? Welche Ant­

Vor der Thüre fand Saccard den Wagen wieder, den er I wort soll ich aus Rougon ziehen?"