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Der Mann machte die Gartenarbeit, er schor den Rasen und goß und schnitt und half hier und da, es war erstaunlich, wie viel zu helfen war, mal gab's einen Nagel einzuschlagen und' mal was zu tragen oder zu holen oder aus Berlin herauszufchaffen. Die alte Frau lief gleichfalls und sprang. Die" Herrschaft" brauchte sie alle Augenblick, besonders wenn sie Gesellschaft hatte. Und die hatte fie fast alle Tage.
schaft ihn auch genommen. Solch einer, der sonst nicht zu brauchen einem Schiff durchgezogen und dann von vier starten Kerlen mit ist, mußte doch erst recht froh sein, wenn er für nichts und wieder Ruten gestrichen. Dann folgte das Rauchspiel; da ward der nichts die freie Wohnung hier befam. junge Kaufmann in einen Schornstein gehangen, wohl 10 Minutten Der Invalide und seine alte Frau waren es auch. Sie tamen lang und ward unter ihm ein Feuer von Haaren, Fischgräten und aus einer dumpfen Hinterwohnung in der großen Stadt, aus einem andern stinkenden Materien gemacht, so daß er oft halb tot Leben voll Aermlichkeit und Enge, hier, wo der Wein in ihre Fenster herunter fam. War diese Kurzweil vorbei, fo folgte das nickte, und Luft und Licht an allen Enden war, lebten fie Staupenspiel, da zeigten sich vier vermummte Gestalten in ordentlich auf. Mönchshabit, mit Spießruten in der Hand, die peitschten den Armen so lange, bis das Blut kam, und dabei wurde mit Pauken und Trompeten solcher Lärm vollführt, daß man das erbärmliche Winseli nicht hörte. Biele mun blieben davon, weil sie solche Marter nicht auszuhalten fich getrauten; wer aber durchkam, ward für einen richtigen Hanseatischen Kaufmann erklärt, und man nannte diese Prüfung das Hänseln“. Als aber die oft und westindischen ward, so hatte auch dieses barbarische Narrenspiel ein Ende. Man Compagnien aufgerichtet wurden und der Hanseatische Bund ruiniert rechnet es auch billig unter die himmelschreienden Sünden, welche Gott endlich gereizt haben, daß er den Fluch auf das Hanseatische anderswo die Gewohnheit behalten, daß sich die jungen Kaufleute Commercium gelegt. Nachher hat man zivar sowohl in Bergen als haben müssen hänseln" lassen, che sie für voll angesehen wurden, welches aber mehr Neckereien sind und mit jenen unchriftlichen Narrenspielen in teine Vergleichung tommnt. ( Kölnische Zeitung ".)
Es fiel auch was ab" für die alte Frau:' mal eine Schüssel Essen und' mal auch wohl ein Fünfgroschenstüd; aber immer nur ' mal", das war genug. Sie hatten ja das Hänschen: so meinte die Herrschaft. Wenn man nur von dem Häuschen hätte satt werden können, das fonnte man aber wirklich nicht. Der Mann ging auf den Zimmerplab und half da, so gut er konnte. Viel war's nicht, aber er verdiente sechs Mark die Woche; man konnte sich damit einrichten.
Die Herrschaft zog ein Gesicht, als der Pförtner zum erstenmal nicht da war. Hielt man sich dazu einen Pförtner, um sich seine Nägel selber einzuschlagen? Nein!
Die Arbeit auf dem Zimmerplay mußte aufhören.„ Gehen Sie im Winter hin, Henzen," sagte der„ Herr". Jm Winter meins wegen, so viel Sie wollen, jezt geht es nicht. Die Hausarbeit nur nach Feierabend, das ist nichts, dafür geb' ich nicht das nette Häuschen." Also im Winter. Und der Winter kam. Die Herrschaft 30g nach Berlin zurück, und es hieß nicht alle drei Minuten mehr: Hengen, wo sind Sie? Henzen, hören Sie' mal".
Henzen ging wieder auf den Zimmerplay.
Auf dem Zimmerplay war aber nichts mehr zu thun, man stellte ihn nur so aus Mitleid ein, weil es eben ein alter Mann war. Es gab aber jetzt auch nur fünf Mark die Woche, und das noch rein aus Mitleid. Na, so zur Not fam man mit durch.
Frant Henzen ging waschen und scheuern. Es waren nicht viele Herrschaften im Ort, die Wasch- und Scheuerfrauen brauchten; ein paar fanden sich aber doch. So kam ein Groschen zum andren, Schmalhans blieb zivar stüchenmeister, aber das Einrichten waren fie ja gewöhnt noch von der Stadt her, und wenigstens hatten fie die freie Wohnung, das reizende Häuschen".
Es fah gar nicht mehr so reizend aus. Der wilde Wein hing fahl und blattlos, und was darunter jeht hervorsah, war nur noch die elende Bauerukathe, der der Wind durch alle Fugen pfiff. Er pfiff derb, er kam g'rade vom See herauf.
Und das Waffer lief an den Wänden herunter, und die Diele Ivar falt, und schlechte Luft in den Zimmern. Moderluft, die nach Schimmel roch.
Wenn man tüchtig hätte einfacheln können! Aber dazu war nun einmal fein Geld da. Frau Henzen hatte fast alle Tage Stopf schmerzen, und, als der Mann eines Nachts erivachte, zwickte es in dem zerschossenen Arm. Das war das Reißen. Wenn das erst einmal da war, blieb es für den Winter. Schöne Aussichten!
Mit der Arbeit auf dem Zimmerplay war es aus. Der zer schossene Arm wurde immer steifer, es ivollte fein Pflaster und feine Salbe helfen. Die Nässe und die Moderluft machten alles zu nichte. Frau Henzen holte sich die Wäsche ins Haus, fie fonnte den hilflofen Dann nicht allein lassen. In der Küche stellte sie ihr Waschfaß auf und der heiße Seifendunst 30g durch alle Räume.
Und in dem heißen Dunst am Herd. der einzigen Stelle, wo es notdürftig warm war, hodte der franke Mann und weinte. Er weinte nicht vor Schmerzen, aber darüber, daß er zu nichts mehr gut war als unnüz am Ofen zu hocken und der alten Frau ihr farges Brot zu stehlen.
Sie richtete sich aber am Waschfaß auf und rief ihm durch den Dunst zu: Laß doch man, Friße, weene nich. Wirst ja schon wieder werden. Mir alleene behält de Herrschaft nich, wenn ich Dir nu nich mehr hätte? Denn hätte ich doch ooch nich de freie Wohnung hier in dett Häuschen."
ㄓ
Ich bin gerade vorübergegangen, als sie es rief. Ich überlege immer noch, ob sie den Kranken damit trösten oder jemand- Höhnen wollte.
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Mujik.
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Programm musik. Das Leben wär' ich glaube nach Scheffe ein Narrentanz, wenn's nicht so ernsthaft wär'; und die Tante- Sinfonic von Liszt wäre höchst interessant, wenn sie nicht. so langweilig wär'. Wir haben seit längerer Zeit ab und zu mit einzelnen Werken aus der vielberufenen Gattung der Programm musik zu thun bekommen und dabei nur über das Einzelne als folches, nicht über seine Gattung geurteilt. Die Gelegenheit, ein mindestens historisch bedeutsames Beispiel aus dieser zu hören, drängt uns, auch einige allgemeinere Bemerkungen nachzutragen, zumal wir ja jetzt in einer Hochflut dieser Musikgattung stehen. Vor allem muss man fich darüber verständigen, daß die Tontunst keinesfalls so, wie es Malerei, Plastik und Dichtkunst in der Hauptsache thun, Juhalte ( sei es der Außenwelt oder der Innentvelt) darstellen" oder sozu sagen in ihre Sprache wirklich übersehen kann. Dazu ist, sehr simpel gesagt, diese Sprache allzu eigenartig. Sie hat nicht nur noch schärfer als jede andre Stunstsprache ihren besonderen, selbstgenügsamen Zufammenhang, sondern noch mehr: sie ist ein Ausdruck, nicht der Abbilder, die sich ein Künstler von irgend welchen äußeren oder inneren Gegenständen macht, sondern vielmehr ganz eigentümlicher Reaktionen des Künstlergeistes auf irgendwelche Erlebnisse. Worin diese eigentümlichen Reaktionen bestehen, läßt sich aber nur eben durch die Mujit sagen, und aus diesem Cirkel kommen wir nur in einer Richtung heraus. Es ist dies die Verwandtschaft der Tongebilde mit sehr allgemeinen Formen der außermusikalischen Welt. Daß da draußen sich etwas wiederholt und behauptet, steigt und fällt, fich steigert und verringert, fich unterscheidet und gliedert, mit einander und gegeneinander geht, und was es derlei in unbestimmbar weiter Weise noch alles giebt; und ferner to ie es sich wiederholt usw.: das findet sich in der Musik wieder. Nur was sich da wiederholt usw.: das findet sich in der Musit nicht wieder. Ein Aufjauchzen bedrängter Herzen z. B. giebt es in der Musik trop aller Schwärmerei von der holden Stunit der Gefühle nun einmal nicht; wohl aber können Zongebilde mit den Formen dieses Aufjauchzens soweit übereinstimmen, daß wir, sobald unser Denten auf dieses hingelenkt wird, es musia talisch wiederzuerkennen glauben. Und darum reizt die Musik zu einem solchen Hinlenken. Man sagt uns: jest kommt das Aufjauchzen und wir glauben es zu hören. Dieses Sagen tann nun in verschiedener Weise geschehen, und in ebenso verschiedener Weise kann die Musit einem derartigen Hinweis dienstbar gemacht werden. Die vornehmste Weise dieser Dienstbarkeit ist die, bei welcher fie fich mit Genossen, d. h. mit andren, anderssprachigen Künsten zu einer Gesamtwirkung bereinigt; eine Solidarität, die dem einzelnen Gliede das Drückende der Dienstbarkeit benimmt. Das geschicht ame höchsten im Gesamtkunstwerk und zwar nicht nur in dem Richard Wagners. Die wenigst vornehme Weise jener Dienstbarkeit ist dic. bei welcher die Tonkunst allein dient, bei welcher das Zusammen wirken mit der von ihr bedienten Wacht erst durch eine specifische. mit äußeren Hilfsmitteln geftüßte Thätigkeit des Genießenden erfolgt. Das ist die Programmmufit, d. h. eine Art Toniert, bei der wir das Gehörte auf eine andersartige künstlerische Aeußerung, meist eine Dichtung oder die Inhaltsangabe einer solchen( Programm"), beziehen sollen. Der Drang, diese specifische Thätigkeit von uns abzu wälzen, den vorgeschriebenen Zusammenhang künstlerisch fertig zu bekommen, ist es, was der Programmmujik den meisten Widerstand bereitet, und was Richard Wagners Gedankengängen von dene erlösenden Wort" und dergl. zu Grunde liegt.
Hänseln ist ein allgemein gebräuchlicher Ausdruck, von dem viele, die ihn gebrauchen, nicht wissen, daß er von Hanja abgeleitet ist. Die im Jahre 1743 erschienene Bollständige Geographie" Johann Hübners berichtet über den Ursprung des Hänselns: Als der Hanseatische Bund im Flor sich befand, war Bergen nicht Jede Dienstbarkeit aber, mag fie von vornherein vornehmer oder nur ein vornehmes Mitglied diefer Handelscompagnie, sondern kam weniger vornehm sein, wird um so würdiger, je mehr die dienende als viertes großes Comptoir in solche Hochachtung, daß fast straft bei dem Dienen und durch das Dienen ihr Eigentümliches. niemand ein rechtschaffener Staufmann sein konnte, der nicht dort ihr Unerseßbares entfaltet. Derb gesprochen: die Musif muß eben seine Lehrjahre ausgestanden hatte. Als aber der Zulauf aus gut gemacht sein. Wir sagten einmal früher, daß Richard Wagners allen Ländern gar zu groß ward, so führten die dort ein Gesamtkunstverk erst durch seine gute Mufit ganz gerechtfertigt ist. gesessenen Kaufleute ein Noviziat ein, welches ganze acht Jahre Und so steht es nun auch mit der Programmmufit. Und alles, was währte und so grausame Bräuche hatte, daß man dergleichen in wir über den Werdegang von Liszts vor nicht ganz einem Halbteinem heidnischen Stribenten findet. Dieselben bestanden in einem jahrhundert vollendeter Dante- Sinfonie erfahren; alles, was wir dreifachen Spiele. Den Anfang machte das sogenannte Wasser mit unsrem Verstand merken von den rührend hingebenden Gefühlen, ipiel; der Novize mußte fich ausziehen und ward dreimal unter I mit denen Liszt hier dem großen florentinischen Dichter und seiner