Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 57.
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Das Geld.
Sonntag, den 22. März.
( Nachdruck verboten.)
Eines Morgens ging also Saccard zur Fürstin hinauf und setzte ihr in seiner Doppelstellung als Freund und Geschäftsmann die Daseinsberechtigung und das Triebwerk der von ihm geträumten Bank auseinander. Er sagte alles, pacte Hamelins Mappe aus und verschwieg keine der orientalischen Unternehmungen. Ja, er ließ sich sogar von seiner Gabe fort reißen, sich an der eignen Begeisterung zu berauschen; vermöge seiner glühenden Sehnsucht nach Erfolg redete er sich in förmlichen Glauben hinein, und es entfuhr ihm sogar der unsinnige Traum von einem Papsttum in Jerusalem , vom endgültigen Siege des Katholizismus, von einem Papste, der an den heiligen Orten thronend die Welt beherrschte, und welchem durch die Gründung des Schayes vom heiligen Grabe" ein königliches Budget gesichert würde.
1903
ein verzweifeltes Zugeständnis und sie fühlte sich von gelindem Schauder erfaßt beim Gedanken an dieses Höllenwerk einer Kreditanstalt, einer Börsen und Agio- Anstalt, deren Tod und Ruin bringendes Räderwerk sie nunmehr unter ihren Füßen duldete.
Eine Woche nach diesem verunglückten Anlauf erlebte Saccard endlich die Freude, die in Hindernissen so vielfach verstrickte Angelegenheit unerwartet rasch binnen wenigen Tagen abgemacht zu sehen. Daigremont brachte eines Morgens die Nachricht, er habe alle Zustimmungen beisammen und die Statutenentwurf zum letztenmal durchgesehen und der GesellSoche könne munmehr vorwärts gehen. Jetzt wurde der schaftsvertrag abgefaßt. Es war auch hohe Zeit für Hamelins; bei ihnen begann das Leben wieder recht hart zu werden. Seit Jahren hegte er nur den Traum, bei einer großen Kreditanstalt beratender Ingenieur zu werden; er wollte gerne die Aufgabe übernehmen, dem Mühlrad das nötige Wasser zuzuihn erfaßt, darum brannte er von gleichem Eifer, von gleicher führen. Darum hatte nach und nach Saccards Fieber auch In ihrer inbrünstigen Frömmigkeit beachtete die Fürstin Ungeduld. Frau Karoline hingegen, die zuerst beim Gedanken fast nur dieses letzte und höchste Projekt, diese Krönung des an all das Schöne und Nützliche, das man zu vollbringen Gebäudes, deren chimärische Großartigkeit ihrer zügellosen plante, sich begeistert hatte, sab kühler und nachdenklicher darein, seitdem man das Dickicht und die Schluchten der AusPhantasie zusagte, von welcher sie dazu angetrieben wurde, führung betrat; ihr klarer, gesunder Verstand und ihr gerader ihre Millionen in guten Werken voll riesenhaften und minn witterten allerlei düstere und verdächtige Furchen. Vor losen Prunkes zu verschleudern. Gerade damals waren die französischen Katholiken durch den vom Kaiser mit Italien schwärmerisch liebte und mitunter trotz seines Wissens lachend allem ängstigte sie sich um ihres Bruders willen, den sie abgeschlossenen Vertrag, wonach er sich verpflichtete, gegen ein großes Kind nannte; zwar hegte sie nicht den geringſten gewisse Bürgschaften des französischen Besatzungscorps aus Rom zurückzuziehen, niedergeschmettert und erbittert worden. Verdacht gegen die vollkommene Ehrlichkeit ihres Freundes, Offenbar war damit Rom an Italien überliefert. Schon sah den sie für das Wohl beider selbstlos thätig sah; aber sie hatte man den Papst verjagt und auf Almosen angewiesen mit dem eine eigentümliche Empfindung von wankendem Boden, eine Bettelstab durch die Städte irren. Und nun welche wunder- unbestimmte Angst vor Sturz und Untergang beim ersten bare Wendung, wenn der Papst in Jerusalem wiederum dehltritt. oberster Priester und König war, dort eingesetzt und durch eine An jenem Morgen begab sich Saccard, sobald Daigremont Bank gestützt, deren Aktionäre zu sein die Christen der ganzen ihn verlassen hatte, strahlend in den Zeichensaal hinauf. Welt als eine Ehre ansehen würden! Dies war so herrlich, daß die Fürstin den Gedanken für den größten des Jahrhunderts erklärte und für würdig, jeden zu begeistern, der Religion in sich hätte. Ihr schien der Erfolg gesichert, überwältigend. Damit stieg auch ihre Verehrung für den Ingenieur Hamelin, dem sie bereits mit Hochachtung begegnete, seitdem ihr bekannt geworden, daß er ein eifriger Katholik war. Aber sie weigerte sich ohne weiteres, am Geschäfte sich zu beteiligen: sie beabsichtigte, ihrem Schwur treu zu bleiben und den Armen ihre Millionen wieder zu erstatten, sichere Sie!" ohne aus denselben jemals mehr einen Pfennig Zinsen zu Nachdem er hierauf ihrem Bruder über das endgültig ziehen; es war ihre Willensmeinung, daß dieses im Spiel er- zusammengetretene Konsortium Genaueres mitgeteilt hatte, worbene Geld wieder verloren gehe und von den Elenden auf- warf sie mit ihrer ruhigen Miene ein: gesogen werde, wie ein zum Verschwinden bestimmtes giftiges ,, Es ist also gestattet, nicht wahr, daß sich mehrere so zuWasser. Der Einwand, daß ja die Armen aus der Spekulation sammenthun, um die Aktien einer Bank noch vor der Emission Nußen ziehen würden, rührte sie nicht und erbitterte sie sogar. unter sich zu verteilen?" Nein, nein! Die verfluchte Quelle müßte versiegen, dies sei ihre einzige Sendung hienieden!
Außer Fassung gebracht, vermochte Saccard die günstige Stimmung der Fürstin nur dazu auszumuten, eine bisher vergeblich erbetene Erlaubnis von ihr zu erwirken. Er hatte den Gedanken gehabt, die Banque Universelle sofort bei der Gründung im Hause der Fürstin selbst einzurichten, oder es hatte ihm vielmehr Frau Karoline diesen Gedanken eingeblasen. Er sah nämlich alles großartiger und hätte am liebsten sofort einen Palast gewollt. Man würde sich zunächst begnügen, ein Glasdach über den Hof zu bauen, der dann als Centralhalle zu dienen hätte; das ganze Erdgeschoß nebst fämtlichen Stallungen und Remisen würde zu Geschäfts räumen umgewandelt. Im ersten Stock wollte er seinen Salon zu einem Sigungssaale hergeben, seinen Speiseiaal und sechs andre Zimmer zu weiteren Geschäftsräumen; dann würde er nur ein Schlafzimmer mit Badekabinett behalten und oben bei Hamelins leben, bei ihnen speisen und die Abende zubringen! Dergestalt könnte man mit geringen Kosten die Bank etwas eng, aber sehr gediegen einrichten.
Zuerst hatte die Fürstin als Hauseigentümerin ihre Genehmigung aus Haß gegen jegliches Geldgeschäft versagt. Nie follte ihr Dach eine derartige Scheußlichkeit beherbergen! An jenem Tage aber war die Religion mit im Spiel; von dem großen Zweck ergriffen, gab sie ihre Einwilligung. Dies war
Endlich fertig!" rief er aus.
Ergriffen und mit feuchten Augen erhob sich Hamelin und drückte ihm beide Hände so fest, daß er sie fast zermalmte. Da Frau Karoline wortlos ihr etwas bleiches Gesicht ihm zugewandt hatte, fügte er hinzu:
,, Nun, was denn? Ist das alles, was Sie mir sagen? Macht dies Ihnen feine größere Freude?" Da hatte sie ein liebenswürdiges Lächeln: " Doch, ja, ich bin sehr erfreut, sehr erfreut, ich ver
Heftig nickte er ein Ja.
" Freilich ist das gestattet. Halten Sie uns für tölpelhaft genug, um uns einem Mißerfolg auszusetzen? Abgesehen davon haben wir auch geldkräftige Leute nötig, welche den Markt beherrschen, wenn die Anfänge eventuell schwierig sind... Jetzt sind also doch vier Fünftel unsrer Aftien in sicheren Händen. Demnächst wird man den Gesellschaftsvertrag vor dem Notar unterzeichnen können."
Sie wagte immer noch, ihm zu widersprechen:„ Ich glaubte aber, das Gesetz verlange die volle Einzahlung des Aktienkapitals?"
Da schaute er ihr verblüfft ins Gesicht:" Sie lesen also. im Gesetzbuch nach?"
Sie errötete leicht, er hatte richtig geraten. Am Abend zuvor hatte sie, von ihrer Angst getrieben, von jener ganz unbestimmten und unklaren Furcht, die Gesetzesbestimmungen über Aktiengesellschaften durchgelesen. Einen Augenblick war fie auf dem Punkte, zu lügen, dann gestand sie scherzend:
,, Allerdings habe ich gestern das Gesetz durchgelesen. Als ich das Buch weglegte und meine Ehrlichkeit und die meiner Mitmenschen untersuchte, fand ich, daß es mir wie den Leuten gehe, die nach dem Durchlesen ärztlicher Bücher mit allen möglichen Krankheiten behaftet sind."
Saccard wurde unmutig. Der Umstand, daß sie sich hatte unterrichten wollen, zeigte ihr Mißtrauen und ihre Ent