Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 82.
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Das Geld.
Dienstag, den 28. April.
( Nachdruck verboten.)
Saccard hatte sein Königtum des Goldes nicht wie Gundermann durch die Ersparnisse eines Geschlechts von Bankiers erlangt, er rühmte sich mit Stolz, es selbst erbeutet zu haben, wie ein abenteuernder Krieger, der mit einem Handstreich ein Reich erobert. Mehrmals war er zur Zeit seiner Geschäfte in den Baupläßen des Quartier de l'Europe sehr hoch gestiegen; noch nie hatte er aber das besiegte Paris so demütig zu seinen Füßen gefühlt. Und er gedachte jenes Tages, da er bei Champeaur speiste und an seinem Stern verzweifelte, da er schon wieder zu Boden lag und heißhungrige Blicke nach der Börse warf, in seinem rasenden Rachedurst, in seinem fieberhaften Verlangen, alles von vorn anzufangen, um alles wieder zu erobern. Daher auch ein wahrer Heißhunger nach Genüssen im Glanze seiner neuen Herrlichkeit.
Sobald er sich allmächtig glaubte, entließ er zunächst Suret; dann beauftragte er Jantrou, gegen Rougon einen Artikel loszulassen, worin der Minister namens der Katholiken unumwunden beschuldigt wurde, bei der römischen Frage doppeltes Spiel zu spielen. Das war die endgültige Kriegserklärung zwischen beiden Brüdern.
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1903
tadellose junonische Schönheit; ihr großer Ruf kam daher, daß der Kaiser ihr für eine Nacht hunderttausend Frank und nebstdem einen Orden für ihren Mann gezahlt hatte, einen feinen Herrn, dessen einzige Stellung diejenige als Mann seiner Frau war. Das Ehepaar führte ein üppiges Leben, wurde überall eingeladen, bei den Ministern und bei Hof, durch ganz vereinzelte und auserwählte Abmachungen in Nahrung gesetzt, von denen drei oder vier für ein ganzes Jahr genügten. Man wußte, daß die Sache schrecklich teuer fam, aber es war das allerfeinste. Saccard, den insbesondere die Lust reizte, an einem solchen Kaiserbissen zu naschen, verstieg sich bis zu zweimalhunderttausend Frank, da der Ehemann Jeumont zuerst über diesen früher zweideutigen Finanzmann geringschäßig die Nase gerümpft hatte, indem er ihm gar zu gering und von kompromittierendem Rufe vorkam. Um eben diese Zeit schlug die kleine Frau Conin rundweg Saccard eine Vergnügungspartie ab. Er verkehrte viel im Papierladen der Rue Feydeau , da er immer Notizbücher brauchte; ihn reizte diese holdselige, rosige, rundliche Blondine mit dem hellen, flockigen Seidenhaar, ein kleines Lockenlämmchen, immer liebenswürdig, einschmeichelnd und froh gestimmt.
,, Nein, ich mag nicht. Niemals!"
Hatte sie aber niemals" gesagt, so war die Sache abgethan, und nichts konnte sie von ihrer Weigerung abbringen.
Und dabei blieb es. Durch diesen unerwarteten Widerstand aufs höchste gereizt, hielt Saccard fast einen Monat stand. Sie brachte ihn von Sinnen mit ihrem lachenden Gesichtchen und dem mitleidsvollen Blick ihrer großen, zärtlichen Augen. Das verursachte ihm mitten in ihrem Triumphe grausame Bein, als sei es ein Zweifel an seiner Macht, eine geheime Enttäuschung über die Macht des Goldes, die er bis jegt für unumschränkt und allumfassend hielt.
Seit der Konvention vom fünfzehnten September 1864 und besonders seit Sadowa legten die Klerikalen lebhafte Besorgnisse über die Lage des Papstes an den Tag; die ,, Espérance" nahm nunmehr ihre alte ultramontane Politik wieder auf und griff das liberale Kaiserreich heftig an, wie es aus den Dekreten vom neunzehnten Januar hervorging. In der Kammer ging ein Ausspruch Saccards um: troß seiner ticfen Zuneigung zum Kaiser hatte er gesagt, wollte An einem Abend indes wurde ihm der höchste Genuß er lieber sich zu Heinrich V. bequemen, als daß er mitansehe, der Eitelkeit zu teil. Dies war der Kulminationspunkt in wie der Geist der Revolution Frankreich neuen Katastrophen seinem Lebenslauf. Es war Ball im Ministerium des entgegenführte. Hierauf wuchs seine Kühnheit mit seinen Aeußern. Dieses anläßlich der Ausstellung gegebene Fest Siegen, und er verhehlte nicht mehr seinen Plan, die jüdische hatte Saccard dazu ausersehen, von dem ihm gewordenen hohe Finanz in der Person Gundermanns anzugreifen, in Glück mit Frau von Jeumont öffentlich Akt zu nehmen; bei dessen Milliarde er Bresche schießen wollte, bis es zur Er- jedem Handel mit dieser schönen Frau war nämlich für den stürmung und schließlichen Eroberung kam. Die Universelle, glücklichen Inhaber das Recht einbegriffen, sich einmal öffentdie so wunderbar groß geworden war, warum sollte sie nicht lich mit ihr zu zeigen und so der Geschichte jede gewünschte als ein von der gesamten Christenheit gestüßtes Haus in Publizität zu geben. einigen Jahren unumschränkte Gebieterin der Börse sein? Gegen Mitternacht hielt demnach Saccard in den Salons Er trat jetzt als Nebenbuhler auf, als Grenznachbar von des Ministers, wo zwischen den schwarzen Fräcken nackte gleicher Machtfülle und voll friegsluftiger Prahlerei. Gunder- Frauenschultern sich drängten, unter dem flimmernden Glanze mann dagegen blieb ganz phlegmatisch und erlaubte sich nicht der Kronleuchter am Arme der Frau von Jeumont seinen einmal ein höhnisches Lächeln; er fuhr aber fort, zu lauern Einzug. Hintendrein ging der Ehemann. Bei ihrem Erund zu warten, und schien die fortwährende Aufwärts- scheinen öffneten sich die Gruppen; ein breiter Durchgang bewegung der Aftien bloß mit regem Intereffe zu verfolgen, wurde dieser zur Schau getragenen Zweimalhunderttausendals Manu, der auf Geduld und Logik seine ganze Kraft ge- franklaune gelassen, diesem Skandal zügelloser Begierde und jetzt hat. toller Verschwendung. Man lächelte, man flüsterte, ohne Zorn und mit beluftigter Miene, inmitten des berauschenden Duftes der ausgeschnittenen Mieder und der gedämpften, einlullenden Klänge des fernen Orchesters.
Die Leidenschaft hob Saccard zu solcher Höhe empor, die Leidenschaft sollte ihn auch stürzen. Bei der Sättigung seiner Gelüste hätte er am liebsten einen sechsten Sinn an sich entdeckt, um denselben noch zu befriedigen.
Frau Karoline, die immerwährend stillduldend lächelte, wenn ihr auch das Herz blutete, blieb für ihn eine Freundin, deren Ratschläge er mit einer Art Ehrerbietung anhörte, wie die einer Gattin.
Die Baronin Sandorff, deren umränderte Augen und rote Lippen wirklich trügerisch waren, fing jegt an, ihm keinen Spaß mehr zu machen.
Als er daher, auf dem Haufen seiner neuen Millionen thronend, auf den Gedanken an Frauenliebe verfiel, stand von vornherein seine Absicht fest, sich nur ein außerordentlich teures Weib zu kaufen, um es vor ganz Paris zu besitzen, wie wenn er sich einen sehr großen Brillanten geleistet hätte, um ihn aus bloßer Eitelkeit auf die Kravatte zu stecken. War das nicht auch eine vorzügliche Reklame? Hat ein Mann, der im stande ist, für ein Frauenzimmer viel Geld anzulegen, nicht schon dadurch ein Vermögen von so und so viel?
Alsbald fiel feine Wahl auf Frau von Jeumont , bei welcher er mit Marime ein paarmal gespeist hatte. Sie war noch sehr schön mit sechsunddreißig Jahren, eine ernste und
IX.
Frau Karoline war wieder allein. Bis zu den ersten Tagen des November war Hamelin wegen der durch die endgültige Konstituierung der Gesellschaft mit einem Kapital von einhundertundfünfzig Millionen erforderlichen Förmlichkeiten in Paris geblieben. Er war es wieder, der auf Saccards Wunsch beim Notar Lelorrain in der Rue Sainte- Anne die geseglichen Erklärungen und die unrichtige Versicherung abgab, alle Aftien seien gezeichnet und das Kapital einbezahlt. Hierauf reiste er nach Rom , wo er zwei Monate zuzubringen gedachte. Dort hatte er wegen hochwichtiger Gefchäfte, über die er sich nicht aussprach, Borstudien zu machen; ohne Zweifel handelte es sich um seinen famosen Traum vom Bapste in Jerusalem , sowie um ein andres, praktischeres und bedeutenderes Projekt, nämlich den Ausbau der Universelle zu einer auf die Interessen der gesamten Christenheit sich stützenden katholischen Bank, einer mächtigen Maschine, die dazu bestimmt wäre, die jüdische Bank zu zerschmettern und vom Erdball hinwegzufegen. Von da gedachte er wieder nach