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Sem Orient zurückzureisen, wohin er durch die Arbeiten der Bruffa- Beirut- Bahn gerufen wurde.
Glücklich über das rasche Gedeihen des Hauses, und von dessen unerschütterlicher Festigkeit durchaus überzeugt, reiste Hamelin ab; eigentlich flößte ihm sogar dieser allzu große Erfolg eine geheime Besorgnis ein. Bei der Unterredung, die er am Vorabend seiner Abreise mit seiner Schwester hatte, gab er ihr darum nur die eine dringende Ermahnung, dem allgemeinen Wahnsinnsrausch zu widerstehen, und sobald der Kurs von zweitausendzweihundert Frank überschritten wäre, ihre Papiere zu verkaufen; denn er wollte persönlich gegen diese fortwährende Hausse Einspruch erheben, die er für thöricht und gefährlich hielt.
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Künstler". Nicht so sehr in irgend einem einzelnen, das ihm ges lungen, als in der Fülle drängender Versuche, in der Vielgestaltigkeit der Leistungen tritt der Reichtum dieser Natur anschaulich hervor. Die Periode zwischen Jugend und Mannesalter, die zwanziger Lebensjahre, war die glückliche und große Zeit des Dichters, ein in verschwenderischem Blütenreichtum stroßender Frühling. Gegen das stürmische Entwicklungstempo der ersten Schaffensperiode ers scheinen Sommer und Herbst des langen Poetenlebens vergleichs= weise arm.
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Ludwig Tied ist 1773 geboren, ein Berliner Handwerkerssohn. Der Vater war ein wohlhabender Seilermeister, ein Mann, der mit der Zeit ging, resoluter Anhänger der Aufklärung und auch ein Freund des Theaters, doch nach alter Sitte streng und verschlossen zu Hause. Der junge Ludwig, ein Wunderkind, dabei zu allen fecken Schülerstreichen aufgelegt, schlich so oft er immer konnte zum Sobald sie von neuem allein war, fühlte sich Frau Schauspiel. Er verschlang die Ritterromane; er lebte in den Karoline durch ihre überhitte Umgebung noch mehr berwirrt. Räubern", im Göß", im" Don Quichotte ", in Holbergs Komödien, Gegen die erste Novemberwoche erreichte man den Kurs von Shakespeares Dramen, den Dichtungen, die ihm vor allen zweitausendzweihundert. Daher ringsum grenzenloses Ent- andren dann bis zum Lebensende wert und teuer geblieben sind. züden, laute Rufe des Dankes und der schrankenlosen Hoff- Gern wäre er alle, die ihn später haben recitieren hören, sind Hoff- Gern mung: Dejoie zerschmolz in Dankbarkeit, die Damen Beau- einstimmig der Meinung, daß er auf der Bühne das Höchste hätte Schauspieler geworden. Aber der Widerstand villiers behandelten Frau Karoline wie ihresgleichen, als erreichen können des Vaters war unüberivindlich. So zog er denn im Jahre 1792 Freundin der Gottheit, die ihr uraltes Haus wieder emporals Studiofus, und zwar merkwürdigerweise der Theologie, auf die heben sollte. Ein Konzert von Segenswünschen scholl aus Universität Halle. In seinem Innern sah es damals ganz und gar der beglückten Menge der Großen und Kleinen; die Töchter nicht theologisch aus. Noch im selben Jahre begann er seine„ Gehatten endlich eine Mitgift, arme Leute waren plötzlich reich schichte des Herrn William Lovel", einen der seltsamsten Jünglingsgeworden und für ihre Zukunft gesichert, die Reichen brannten romane, die je geschrieben sind. Die Erzählung der Abenteuer und von der unerfättlichen Gier, noch reicher zu werden. Es Verbrechen ist weitschweifig und verworren, die Charakteristik sehr herrschte aber auch im Anschluß an die Weltausstellung in ungleichmäßig, aber als Bericht einer Seelenkrankheit, die bisher dem von Lust und Herrlichkeit berauschten Paris eine einzig faum jemals dargestellt worden, überrascht das Buch durch Kühnheit toie durch Originalität. Es sind Selbstbekenntnisse, nicht in dem artige Stimmung; einen Augenblick glaubte alles an ungemischtes Glück, war alles von der Gewißheit eines nie Sinne, als schildere der Dichter in dem Treiben Lowels feinen eignen Lebenslauf, wohl aber in dem Sinne, daß Tieck im Tiefften endenden Spielglücks erfüllt. Alle Werte waren in die Höhe seines Selbst erlebte Stimmungen und Reflexionen in den Helden gegangen, die zweifelhaftesten fanden gläubige Abnehmer, als treibende Straft hineinprojiziert und darzustellen sucht, wie sie, eine Ueberfülle fauler Gründungen überbürdete den Markt gesteigert und von allen Hemmungen befreit, sich in Handlung umund verursachte in allen Adern einen schlagflußdrohenden sehen würden. Das Phantastische war mit wachsam- steptischem Blutandrang; im Innern aber klang es hohl von der thatsäch- Verstande, die Heiterfeit mit einem quälerischem Hang der Selbstlichen Erschöpfung einer Regierung, die in Saus und Braus beobachtung bei Tieck gepaart. Je länger aber ein grüblerischer gelebt, Milliarden für große Arbeiten ausgegeben und un- Sinn fich ins eigne Jch hinein versenkt, um so rätselboller, unheimlich- fremder schaut es ihn an; Willensfreiheit, Seele, Charakter geheure Bankhäuser gemästet hatte, deren übervolle Kassen und wie sonst die Kategorien heißen, mit denen das gewöhnliche allenthalben aus den Fugen gingen. Beim ersten Krachen Bewußtsein sich dies Innere nach praktischen Bedürfnissen klar zu in dem allgemeinen Schwindel war der völlige Zusammen- machen gewohnt ist, verschwimmen, verwandeln sich in ein UnfazSturz unausbleiblich. bares. Tenten, Wollen und Handeln scheinen wie Spiegelungen, aufsteigend aus einem wig dunklen Abgrund, unbestimmbar in ihrem inneren Zusammenhang. Das Jchbewußtsein selbst zerbrödelt. Oft wird mir angit," erzählt Tied von sich, wenn ich meine schnelle Fühlbarkeit sehe, mich in alle fremden Gedanken und Zustände hinein zu denken, so daß mir auf Augenblicke und Stunden mein Selbst verdämmert; aber erinnere ich mich, durch welche Flut wechselnder Gedanken und leberzeugungen ich gegangen bin, so er schrecke ich und mir fällt Humes Behauptung ein, daß die Seele nur ein Etwas sei, an dem sich im Fluß der Zeit verschiedenartige Erfcheinungen fichtbar machen." Der Zweifel, der sich gegen das eigne Selbst kehrt, ist der tiefste; er ist auch, wenn er, beim Eindruck des Chaotischen beharrend, ohne zu befreiendem methodisch- philosophischen Nachdenken fortzuschreiten, die Herrschaft über das Gemit gewinnt, der zerstörendste. Er setzt dann nicht wie die rüstige Stepsis, mit der die Aufklärung der kirchlichen und politischen Ueberlieferung zu Leibe ging, neue Wahrheiten und Normen an Stelle der alten, sondern mündet nur zu leicht in völliger Apathie gegenüber jedem fortschrittlichen Streben, jeder nach ernsten Zielen ringenden Arbeit aus. Wenn das, was als festeste, selbstverständliche Grundlage alles Uebrigen galt, das Selbst, sich in gespenstische Phantome aufTöft, wo ist dann noch ein Halt, um Gut und Böse, Wahrheit und Irrtum von einander zu scheiden? Alles scheint Zufall und Belieben, das Leben ein von jenem Sinn entleertes Puppenspiel, in dem der Einzelne, der zur Erkenntnis dieser Inhaltlosigkeit gelangt ist, allein darauf zu sinnen hat, die Langeweile durch die flüchtige Lust der Stunde zu fürzen. Das ist die Lehre, zu der Lovel von andren erzogen wird. Wie mein äußerer Sinn die physische, so beherrscht mein innerer die moralische Welt. Alles unterwirft sich meiner Willkür; jede Erscheinung, jede Handlung kann ich nennen, wie es mir gefällt; die lebendige und leblose Welt hängen an den Ketten, die mein Geist regiert; mein ganzes Leben ist nur ein Traum, dessen mancherlei Gestalten sich nach meinem Willen formen. Ich selbst bin das einzige Gesetz in der ganzen Natur, diesem Gesetz gehorcht alles." Die steptische Zerstörung und Auflösung des Ich geht mit dem Größenwahnsinn eben dieses Jch in eins zufammen. Die Philosophie, die in der äußeren Welt kein selb= Er teilt in dieser seiner bloß litterarhistorischen Fortexistenz ständiges Fürsichfein, sondern nur ein dem Geist Erscheinendes sieht, das Schicksal der meisten andren Romantiker. Er war wohl der muß bunte Flitter für die Maskerade hergeben. Das ganze Leben vielseitigste, poetisch fruchtbarste im Streise der älteren romantischen ist ein taumelnder Tanz; schwenkt wild den Reigen herum! Laßt Schule", angeregt von den mannigfachsten ästhetischen Tendenzen das bunte Gewühl nicht ermüden, damit uns nicht die Nüchternheit des Zeitalters, und selbst einer der stärksten Anreger; ein Geist, entgegenkommt, die hinter dem Frieden lauert." Lovel sieht seinem der in der Leichtigkeit, mit der er produzierte, genialisch erscheint, eignen Handeln wie einem Drama, das ein Fremder aufführt, zu. aber unfähig jener Konzentration der Kräfte, die allein dauernd Wie in einem Schauspiele," so erzählt er die Verführung eines Lebendiges hervorzubringen vermag; um ein Wort Friedrich Schlegels jungen Mädchens, spielte ich meine Rolle auf eine wunderbare au gebrauchen, mehr ein Kunstwerk der Natur, als selbst ein Art begeistert; es gelang mir alles, was ich sagte, ich sprach mit
Unzweifelhaft hatte Frau Karoline diese ängstliche Vorahnung, wenn ihr Herz bei jedem neuen Sprung der Kurse der Universelle fich zusammenzog. Noch lief tein böses Gerücht um, höchstens ging ein leiser Schauder durch die Reihen der erstaunten und überwältigten Baissiers. Und doch hatte sie das Bewußtsein irgend eines Mißstandes, welcher den ftolzen Bau bereits unterhöhlte; was es war, vermochte sie nicht bestimmt zu sagen, fie mußte vielmehr angesichts des glanzvoll wachsenden Triumphes fich abwartend verhalten, trotz der leisen Erschütterungen, welche den kommenden Sturz ankündeten,
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( Fortsetzung folgt.)
Ludwig Tied, der Romantiker, war, als er am 28. April 1853 ( heute vor 50 Jahren), ein Hofrat und Pensionär Friedrich Wilhelms IV., des Romantikers auf dem Throne", in Berlin starb, schon ein halb vergessener Mann. Und gegenwärtig gehört der Name vollends ausschließlich der gelehrten Litteraturgeschichte an. Kein Werk, das sich als Zeuge seines Wesens im Volts: gedächtnis lebendig erhalten hätte! Der Name flingt wie fremder Schall an unser Ohr, ohne bestimmtere Gefühle und Vorstellungen auszulösen; es sei denn die Erinnerung an einige einschmeichelnd melodiöse, sehnsüchtig träumerische Weisen: Mondbeglänzte Zauber nacht, die den Sinn gefangen hält, wundervolle Märchenwelt, steig auf in der alten Bracht!" und:„ Liebe denkt in süßen Tönen, dem Gedanken stehn zu fern; nur in Tönen mag sie gern alles was fie will berschönen..."; Verse, die als Stichwort und epigrammatischer Ausdruck romantischer Seelenstimmungen sich durch die Jahrzehnte fortgepflanzt haben.
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