Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 86.

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Das Geld.

Sonntag, den 3. Mai.

( Nachdrud verboten.)

Roman von Emile Zola  .

,, D," unterbrach Huret Saccard ,,, er besitzt immer noch das Vertrauen der Tuilerien der Kaiser hat ihm den Ordensstern mit Diamanten verliehen."

Aber mit energischer Handbewegung deutete Saccard an, daß er sich dadurch nicht täuschen lasse.

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Die Universelle ist nunmehr allzu mächtig geworden, nicht wahr?... Eine katholische Bank, welche die ganze Welt durch das Geld zu erobern droht, wie man sie ehemals durch den Glauben eroberte, kann so etwas geduldet werden? Alle Freidenker, alle Freimaurer mit Aussichten auf einen Ministersiz überläuft da kalter Graus... Vielleicht hat man auch mit Gundermann irgend ein Anlehen zu verhandeln. Was sollte aus einer Regierung werden, die sich nicht durch das schmutzige Judenvolk auffressen ließe?... Und darum will mich mein schwachköpfiger Bruder, um ein halbes Jahr länger am Ruder zu bleiben, der Judenschaft, den Liberalen und dem ganzen Geschmeiß zum Fraß hinwerfen, in der Hoff­mung, man werde ihm ein bißchen Ruhe lassen, während man mich auffrißt... Nun gehen Sie wieder hin und richten Sie ihm aus, daß ich auf ihn pfeife!

"

Er richtete seine fleine Gestalt hoch empor, hinter. seiner Ironie platte endlich seine Wut in friegerischen Trompeten stößen los.

,, Verstehen Sie mich auch? Ich pfeife auf ihn, das ist meine Antwort, er soll es nur wissen!"

Huret hatte die Achseln gezuckt. Sobald man bei Ge­schäften in Zorn geriet, that er nicht mehr mit. Uebrigens war er in der ganzen Geschichte ja nur ein ehrlicher Makler. Schon recht, schon recht! ich will's ihm ausrichten... Sie werden noch Hals und Beine brechen. Aber das ist Ihre Sache."

Eine Pause entstand. Jantrou, der sich bislang völlig stumm verhalten hatte, als sei er ganz und gar in der Durch ficht einiger Korrekturfahnen vertieft, blickte jetzt bewundernd zu Saccard auf. Wie schön war er, dieser Bandit, in seiner Entrüstung! Mitunter schreiten solche geniale Schurken in diesem Grade blinder Unzurechnungsfähigkeit dem Siege zu, wenn der Rausch des Erfolges sie fortträgt. In diesem Augen­blick stand Jantrou auf seiner Seite, so fest war er von seinem Siege überzeugt.

Ja so, ich vergaß noch etwas," versetzte Suret. ,, Delcambre, der Generalstaatsanwalt, haßt Sie, scheint's Und Sie wissen noch nicht, daß der Kaiser ihn heute morgen zum Justizminister ernannt hat."

Saccard war mit einem Ruck stehen geblieben; mit um­düstertem Gesicht erwiderte er endlich:

Das ist auch ein fauberer Kunde! So, so! Aus dem Menschen hat man einen Minister gemacht? Was kann mir daran liegen?"

" Se nun," antwortete Huret und nahm eine übermäßig einfältige Miene an, wenn Ihnen ein Unglück zustieße, wie es im Geschäftsleben jedermann passieren kann, so meint Ihr Bruder, Sie dürfen nicht auf ihn zählen, um Sie gegen Delcambre in Schuß zu nehmen."

,, Aber Himmeldonnerwetter!" brüllte Saccard, ich sage Ihnen ja, daß ich auf die ganze Bande pfeife, auf Rougon, auf Delcambre, und auf Sie noch obendrein!"

Verkauft? O nein! Noch nicht!"

1903

Sein lautes Lachen klang sehr aufrichtig, so gering war seine Zuverlässigkeit doch nicht.

Man darf aber in unsrer Lage nie verkaufen!" rief Saccard.

,, Nie, niemals! Das meinte ich eben. Wir alle sind solidarisch, Sie wissen, daß Sie auf mich zählen können."

Hinter seinen rasch auf und nieder geschlagenen Lidern hervor warf er einen lauernden Blick auf ihn, während er für die andren Aufsichtsräte einstand, für Sabatani, Kolb, den Marquis de Bohain  , wie für sich selbst. Die Geschichte lief ja so schön, es war wirklich ein Vergnügen, daß alles einig war, bei diesem außerordentlichsten Erfolg, den seit fünfzig Jahren die Börse erlebt hatte. Für jeden der Anwesenden fand er ein liebenswürdiges Wort und verabschiedete sich, in­dem er wiederholte, er zähle für seine Abendgesellschaft auf alle drei. Mounier, der Tenorist an der Oper, sollte mit seiner Frau ein Duett fingen; o, ein ganz bedeutender Effekt! Das ist also alles, was Sie mir zu antworten haben?" sagte Huret, der jetzt ebenfalls aufbrach. Allerdings," erklärte Saccard mit seiner barschen

Stimme.

Absichtlich begleitete.er ihn nicht wie sonst hinunter. Als er hierauf mit dem Leiter der Zeitung wieder allein war, be­gann er:

,, Krieg, mein Wackerer! Keine Schonung mehr, hauen Sie mir auf dies ganze Zumpenpad!... So, endlich kann ich also die Schlacht führen, wie ich's meine!"

" Das ist wirklich stark!" schloß Jantrou, bei dem die Ratlosigkeit sich wieder einstellte.

Draußen auf dem Gange wartete Marcelle immer noch auf der Polsterbank. Es war kaum vier Uhr, und schon hatte Dejoie die Lampen angezündet, so schnell brach die Nacht unter dem hartnäckigen und trüben Geriesel des Regens herein. So oft er an der jungen Frau vorbeiging, fand er ein kurzes Wort, um sie zu erheitern. Uebrigens wurde das Hinundherlaufen der Redakteure immer rafcher, laute Befehle erklangen aus dem Saale   nebenan, die fieberhafte Thätigkeit stieg, je näher die Stunde der Ausgabe des Blattes fam.

Plötzlich blickte Marcelle auf und sah ihren Mann vor sich stehen, durchnäßt, vernichtet, mit dem Zucken der Mund­winkel und dem wirren Blick der Leute, die lange Zeit einer Hoffnung vergeblich nachgerannt sind. Es wurde ihr alles klar. Nichts! Nicht wahr?" fragte sie erbleichend. " Nichts, mein Schat, gar nichts... Nirgends eine Mög­

lichkeit

blutenden Herzen Luft zu schaffen: Marcelle fand nur ein leises Stöhnen, um ihrem

,,, mein Gott!"

"

Im gleichen Augenblick kam Saccard aus Jantrous Bimmer und wunderte sich, daß er sie noch hier fand. dieser Serumschwärmer? Sagte ich Ihnen nicht, Sie würden Wie, Frau Jordan, Ihr Mann kommt soeben erst zurück, ihn beſſer in meinem Zimmer erwarten!"

Sie heftete ihren starren Blick auf ihn, in ihren großen, verzweifelten Augen war plötzlich ein Gedanke erwacht. Ohne den Augenblicken der Leidenschaft die Frauen vorwärts treibt. sich zu besinnen, gehorchte sie dem ungestümen Mut, der in Herr Saccard, ich hätte Sie um etwas zu bitten Wenn es Ihnen recht wäre, möchten wir jetzt zu Ihnen hin­,, Natürlich, verehrte Frau!"

über kommen."

Zum Glück trat in diesem Augenblick Daigremont ein. Sonst fam er nie aufs Zeitungsbureau, so daß das allgemeine Jordan fürchtete, das Richtige zu erraten, und wollte Erstaunen dem heftigen Gespräch plötzlich ein Ende machte. fie zurückhalten. In der krankhaften Angst, die solche Geld­Tadellos, wie immer, schüttelte er mit seiner ein- fragen ihm stets einflößten, stammelte er ihr zu wiederholten schmeichelnden weltmännischen Höflichkeit allen Anwesenden Malen Nein, nein!" ins Ohr. Sie riß sich von ihm los, und lächelnd die Hand. Seine Frau beabsichtigte eine Gesellschaft er mußte folgen. zu geben, bei welcher sie singen wollte; er war nur gekommen. Jantrou persönlich einzuladen, um einen guten Zeitungsbericht zu bekommen. Aber Saccards Anwesenheit schien ihn zu ent­zücken.

Wie geht's, großer Mann?"

" Sagen Sie' mal, haben Sie denn noch nicht verkauft?" frogte dieser, ohne zu antworten.

Herr Saccard," fuhr sie fort, sobald die Thüre wieder geschlossen war, seit zwei Stunden läuft mein Mann ver­geblich herum, um fünfhundert Frank aufzutreiben; er wagt nicht, Sie um das Geld zu bitten, deshalb bitte ich Sie darum.

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In ihrer drolligen Art begann das heitere und ent­schlossene Frauchen mit gewohnter Lebhaftigkeit die Geschichte