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Die Sache, ja so!... Ich habe Ihnen geschrieben, Herr Saccard. Jetzt haben wir eine alte Rechnung miteinander abzumachen
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Er hatte die Hand ausgestreckt, um die Akten Sicardot zu nehmen, die er offen auf den Tisch legte.
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welche von der natürlichen Kraft getrieben und von billigen Lohnflaven bedient die Kinderarbeit ist in vielen Tivolefer Fabriken nichts Seltenes dem modernen Tibur einen Millionenabsah vers mitteln, dessen Früchte sich ein steigender Großkapitalismus erfreut, mit der immer habgierigeren Ausbeutung der weltberühmten Tiveleser Wasserfälle, hat sich naturgemäß eine steigende Mehrung des Selassenbewußtseins des Proletariats ergeben. Der Socialismus hat in dem Unternehmerstädtchen starke Wurzeln geschlagen, sein Stamm wird immer stärker, seine Krone immer mächtiger.
" Im Jahre 1852 sind Sie in einem Hotel garni der Rue de la Harpe abgestiegen und haben dort zwölf Wechsel zu fünfzig Frank für ein Fräulein Octavia Chavaille unterschrieben, die Sie als sechzehnjähriges Mädchen eines Abends Der erste Mai sollte nun ein schönes Bild von der Organisation auf der Treppe vergewaltigt haben... Diese Wechsel, hier der Tivoleser Arbeiterschaft geben. Trok des trüben Tages, troh liegen fie. Sie haben keinen einzigen bezahlt und sind ohne des erschlaffenden Sciroccos, der nicht nur den Fremden, sondern Hinterlassung einer Adresse verschwunden, ehe der erste fällig auch den Einheimischen die Glieder ermüdet, die Energie raubt, trob des drohenden Regens, der hierzulande meist wolkenbruchartig niederwar. Das schlimmste ist, daß Sie mit dem falschen Namen geht, herrschte auf der Straße, die von Porta Santa Croce durch Sicardot unterzeichnet haben, dem Namen Ihrer ersten selten schöne Olivenhaine leitet, reges Leben. An der Villenkolonie Frau der Stadt vorbei, vorbei an dem herrlichen, palmenbestandenen Sehr blaß hörte Saccard zu und blickte vor sich hin. Garten der Villa Braschi, vorbei an dem weit das Land beherrschenden Inmitten einer unsäglichen Bestürzung erhob sich die Kloster der irischen Mönche, zogen Gruppen von Männern und Jüng= ganze Vergangenheit vor seinen Augen; er hatte das Gefühl lingen in feiertäglichem Gewande, um draußen zwischen den knordes Zusammensturzes und Zusammenbruchs einer riesen- rigen, phantastischen Olivenbäumen unter freiem Himmel den Worten großen, wirren Masse, die ihn unter ihren Trümmern begrub. eines ihrer Genossen zu lauschen, um in ernster Weise den Feiertag In der Angst des ersten Augenblicks verlor er den Kopf und stammelte:
„ Schreckliche Dinge!" bestätigte mit ihrem dünnen Stimmchen die Méchain, die jetzt ihr Schweigen aufgab. Verstört schaute sich Sarcard nach ihr um; er hatte dieses Weib vergessen, das einem halb geleerten Schlauch gleich auf dem Stuhle zusammengekauert faß. Sie hatte ohnehin durch ihren verdächtigen Raubhandel mit entwerteten Papieren ihm stets Unruhe eingeflößt, und jezt fand er sie wiederum bei dieser unangenehmen Geschichte beteiligt.
des arbeitenden Volkes einzuleiten.
Vielleicht einige zwanzig Minuten außerhalb der Stadtmauer, mitten in freier Natur breitet sich der Weg, der den Hang entlang Woher wissen Sie das?... Wie kommen Sie dazu?" führt und zu welchem durch leise rauschende Oliven die Campagna, Dann beeilte er sich, mit bebenden Händen von neuem die menschlicher Fleiß immer mehr und mehr zu fruchtbarem Lande die Brieftasche hervorzuziehen, vom einzigen Gedanken be- verwandelt, in weichem Grün heraufschimmert. An der Bergseite seelt, zu zahlen und diese ärgerlichen Akten wieder zu eröffnet sich eine Höhle mit Brombeergestrüpp und wilden, verlangen. trüppelten Feigenbäumen umwachsen. Der Ueberrest einer längst Es sind keine Kosten aufgelaufen, nicht wahr?... Es zerfallenen antiken Villa. An manchen Stellen der Wölbung verkünden noch Fragmente des nehartigen Mauertverks, daß römische macht sechshundert Frank... Es wäre zwar vielerlei zu flaven und nicht die Natur das höhlenartige Gewölbe schufen. In sagen, aber ich will lieber ohne Erörterungen zahlen." dem Halbdunkel, in dem sonst grünschillernde Perleneidechsen ihre Und er reichte ihm die sechs Banknoten hin. Zuflucht suchen, wenn der sichere Schritt eines unmäßig beladenen " Sogleich!" rief Busch, der das Geld zurückwies. Ich Maultieres fie von der sonnigen Straße scheucht, herrscht heute bin noch nicht fertig Die Frau, die Sie hier sehen, ist fremdes Leben. Ungefähr sechs Karabinieri haben es sich hier be= Octavias Baje. Diese Papiere gehören ihr, in ihrem Namen quem gemacht. Die roten Streifen ihrer napoleonischen Uniform, betreibe ich die Sache... Die arme Octavia ist infolge Ihrer das weiße Lederzeug ihrer Ausrüstung und die blinkenden Läufe Gewaltthat ein Krüppel geblieben. Sie hat vielfach Unglück hierzulande keine socialistische Versammlung ohne die Diener der ihrer kurzen Gewehre stechen scharf aus dem Schatten. Also auch gehabt und ist in schrecklichem Elend bei Frau Méchain ge- Staatsgewalt. An der Höhle vorbei gelangen wir nach einigen storben, welche das Mädchen zu sich genommen hatte... Wenn Schritten zum Versammlungsort. Ein halbzerfallenes Halbrondel Frau Méchain wollte, könnte sie Ihnen Dinge erzählen in Barockstil, gekrönt von einem der vatikanischen Wappen und einer Marmortafel, auf welcher die Zeit die eingegrabene lateinische Inschrift zur Unleserlichkeit verwischte, öffnet sich vor uns. Der so gebildete Blaz mag einst zu einer Kehre für herrschaftliche Wagen ge= dient haben. Vielleicht war es auch eine Ausweicheſtelle für die ziemlich schmale Straße. Buntes Leben herrscht heute an dem Orte, der sonst durch seine Stille und seine Romantit dem Wanderer seine Schritte hemmt. Das Mauerwert, das, in den Berghang eingelassen, die Ausbuchtung der Straße bewirkt, ist dicht mit Menschen besetzt, wie die Sizreihe einer Arena. Auf dem Plaze selbst steht Mann an Mann. Ein paar Frauen in farbigen Blusen, sowie hier und dort verteilte Karabinieri bringen bunte Farben in die Menge. Fabrikarbeiter in städtischer Kleidung wechseln mit Campagna- Feldarbeitern, deren magere, sehnige Körper in verschossenen, grünschimmernden Jägeranzügen stecken. Auch das Kostüm der Hirten mit den Schutzhosen aus Lamm - oder Ziegenfellen fehlt nicht. zwischen einige junge Leute mit großen, brennroten Tellermützen. Im allgemeinen ist nur wenig rote Farbe zu sehen. Auch keine rote Fahne schmückt die graue verwitterte Stuffatur des Rondels, über die sich ein grauer Himmel breitet und die ein graugrüner Olivenhain umschließt. Und trotz dieser Sinfonie einer traurig stimmenden Farbe Festesfreude auf allen Gesichtern, Begeisterung in allen Augen. Man lacht und scherzt, man plaudert und begrüßt sich, bis der Redner, Tribüne dient ihm eine halbverwitterte Steinbank unter dem päpst= lichen Wappen an der Wand. Je länger er spricht, desto mehr drängt sich die Menge unwillkürlich an ihn heran. Neben ihm steht als Vertreter des Staates nur der Delegato der Stadt der in seiner bürgerlichen Gewandung jedoch nicht den Eindruck einer Polizeiperson macht. Der Lieutenant der Karabinieri steht mitten in der Menge. Auch seine Leute. Mit dem Beginn der Versammlung verliert die formlose, unaufdringliche Beteiligung der Polizei den formellen, bei uns so manchmal recht aufdringlichen Beigeschmack.
" Freilich, es thut mir recht leid," murmelte er, wenn sie tot ist, die Unglückliche, so sehe ich in Wahrheit ein... Immerhin, hier sind die sechshundert Frank!"
aber
nicht
Zum zweitenmal wies Busch die Summe zurück. Verzeihung! Sie wissen noch nicht alles Sie hat nämlich ein Kind bekommen, ja ein Kind, das jetzt im vierzehnten Jahre steht und Ihnen dermaßen ähnlich ist, daß Sie es nicht verleugnen können."
( Fortsetzung folgt.)
Da
des Sabbinerberglandes.
Einen grauen Tag hat uns der erste Mai gebracht. Nur felten stiehlt sich ein blanker Strahl der Frühlingssonne durch das schwere Gewölf, das über der römischen Campagna lastet, die sich zu unsren Füßen wie ein ruhiges, riesiges, graugrünes Meer ausdehnt. Rom , dessen Häuser im hellen Weiß mit blißenden Fenstern zu den tibur tinischen Höhen mit ihren Olivenwäldern heraufzuleuchten pflegen, ist, verschwommen in grauem Dunst, kaum erkennbar. Nur die Peterskuppel, dieses Wahrzeichen päpstlicher Größe und päbstlicher Bähigkeit, zeichnet sich von der Sehgrenze scharf ab, wie ein Felsenriff, das die letzte Kunde einer versunkenen Insel bedeutet. Ein lauer Wind, der stoßweise wie eine warme Welle durch die Olivettis streicht, trägt den unerträglichen Geruch der Schwefelseen Bagnis, dieses luxuriösen Badeortes der römischen Campagna, herauf zu den Vorhöhen des Sabinergebirges, über welche der Anio, überragt von dem malerischen Städtchen Tivoli, schäumend, in gewaltigen Fällen herabstürzt, um einer Reihe von industriellen Betrieben seine Straft zu schenken, mit seinem Wasser gewaltigen Turbinen Leben zu geben und Tivoli immer mehr und mehr in eine Stadt des Unternehmertums, in eine Feste des Kapitalismus zu verwandeln. Aber mit der Mehrung der Fabriken, mit dem Wachsen der Papierindustrie, der elektrischen Anlagen, der Teigwaren fabrikationen, der Kunstmühlen, mit der Mehrung aller Maschinen,
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Susi spricht in flarer, überaus logischer Weise. Er spricht mit innerer Begeisterung, ohne über sich die Gewalt zu verlieren. Seine Stimme bis zu den letzten Reihen deutlich, ohne schreiendes Pathos aufzuwenden. Häufiges Händeklatschen, laute Rufe:„ Bene!" Bene!" unterbrechen seine Ausführungen über die Bedeutung des ersten Mai, über den Achtstundentag, über den Militarismus, über den Kosmopolitismus der socialistischen Parteien aller Länder, über ihre Einigkeit im Kampfe gegen die Reaktion. Er endigt, nachdem er hervorgehoben, daß der heutige Tag von der deutschen, franzöfifchen, englischen, ja in den letzten Jahren auch von der japanischen ebenso wie von der italienischen Arbeiterschaft gefeiert wird, mit einem Eviva auf das Proletariat. Seine Rede wird mit lautem Beifall gelohnt.
Die Feier, wenngleich anspruchslos und einfach, hat großen Eindruck gemacht. In langem Zuge streben etwa sechs bis siebenhundert Personen der Stadt zu. Man sieht viele ernste Gesichter.