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„ Herr Paster, was mein Geselle is', der spricht, er tönnte den hatte auch wohl einen über den Durst getrunken und so fragte ex Gockelhahn nur festmachen, wenn der Turmknopp abgenommen| malitiös: würde. Das verteuert die Reparatur, aber' s hält ooch besser."
Das gab nun erst noch eine lange Sizung mit dem Kirchenborstand. Endlich war's genehmigt. Wieder sah man den Gesellen am Dache Klettern und nach einiger Zeit hatte er auch richtig den Turmfnopf abgenommen und schleppte ihn vorsichtig durch die Dachluke.
Aus dem Fenster der Kirchschulstube hatte der Kantor der Sache zugeschaut. Plötzlich hatte er einen Einfall. Mit langen Schritten tam er zum Pfarrhof hinüber.
" Herr Pastor," sagte er, ein weihevoller Augenblick." Wieso, Kanter?"
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" Der Turmknopp is' abgenommen worden." " Nun?"
" Noch immer ist es Sitte und Brauch gelesen, daß vergangene Geschlechter der Nachwelt Kunde thaten von sich und ihrem Wirken, indem sie dem Kirchturmknopp Dokumente ihrer Zeit anvertrauten." Der Pastor stußte.
„ Herr Paster," rief der Kantor pathetisch, laßt uns den Kirchturminopp öffnen."
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Nu, Meester, Sie wer'n entschuld'gen** warum ha'm Sie Gockelhahn denn nich selber uffgesetzt?" ., Weil ich keene Zeit hatte," sagte der Meister trocken. Da ticherte der Geselle und meinte:
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,, Nee, weil Se feene Kurasche hatten." Zur Antwort wollte Meister Weigelt dem Gesellen eine runters hauen. Der aber sprang auf, bückte sich und die zum Schlage ausholende Hand des Meisters machte ein Loch in die Luft.. Bald hätte Weigelt das Gleichgewicht verloren. Der Geselle aber stand sprungbereit an der offenen Thüre und schrie:
Was Euer Kirchturmknopp is', da wird sich die Nachwelt überhaupt wundern! Das Kreisblatt un' das Dofement un' die Fotegrafie'n, die wer'n se nich' finden. Oben uf'm Glockenstuhl, neben dem Schwingebalken in der Ecke, hab' ich den Dreck hina geschmissen!" Der Kantor freischte hell auf. Alle hatten sich erhoben.
Un' in den Turmknopp," schrie der Geselle weiter,„ da hab' ich das social'sche Blatt' neingesteckt, da hab' ich' nen Artikel' neinfehen lassen, was das hier für een Bauernfaff is', was mein Wie der Kantor vorschlug, so geschah's. In feierlichem Zuge Dingerich von' nem Meester für eenen traurigen Lohn bezahlt. gingen der Pastor, der Kantor und die Kirchenvorstandsmitglieder un' meine Fotegrafie hab' ich' neingesteckt, wie ich se in der Tasche in die Sakristei hinüber. Meister Weigelt und der Geselle mußten hatte, un' hab' druffgeschrieben: Dies is' der Mann, der den Gockelden Turmknopf herbeischaffen. Mit der Lötlampe wurde die Ber- hahn uff den Kirchturm gesetzt hat, weil die andern keene Sturasche Tötung durchschmolzen und der Knopf geöffnet. hatten!"
Mit Spannung folgten alle der Entwicklung der Arbeit. Im Stillen dachte jeder: wenn wir uns bloß nicht blamieren, am Ende ist gar nichts drin.
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Da... der Knopf gab nach und fiel auseinander und da. ein allgemeines Ah! eine Rolle fiel auf den Tisch. Feierlich trat der Pastor vor, faltete die Hände und sprach ein Gebet. Dann nahm er die Rolle, entfaltete sie und las.
Sie war bald hundert Jahre alt, enthielt die Namen der damaligen Kirchenangestellten und Vorstände, Mitteilungen über den Personenstand des Ortes, den Viehstand, die sonstigen Besitztümer sowie über einen im Jahre geschehenen großen Hagelschaden. Das Dokument flang in den Wunsch aus, der Kirche möchten zukünftig nur sonnige Tage scheinen.
Pause.
Meine Herren," sagte dann der Pastor mit der ihm eignen schönen Feierlichkeit,„ Sie sind wohl alle der Ueberzeugung: von diesem historischen Funde muß die ganze Welt Kunde erhalten. Das Dokument muß im Kreisblatt veröffentlicht werden."
Sie stimmten ihm alle zu.
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„ Schließen Sie die Kapsel," befahl der Pastor. Halt," sprach da der Kantor. Herr Paster, soll denn das erhab'ne Beispiel unsrer Vorfahren teine Nacheif'rung finden? Soll'n wir nich' auch der Nachwelt Kunde thun?"
Sie waren alle einverstanden. Nur über das Wie gingen die Ansichten auseinander. Endlich kamen sie überein, in den Turmtropf zu legen: eine Nummer des Kreisblattes, eine vom Kantor zu entwerfende Urkunde über Personenstand und Kirchenvermögen sowie die Photographien des Pastors, des Kantors und des Kirchenältesten.
Der Kantor machte sich sofort über das Schriftstück her. Dann wurde alles sorgsam in die Stapfel gelegt, der Pastor sprach seinen Segen, und der Gefelle fletterte mit dem Ganzen wieder die Glockenstiege empor bis hoch auf den Turm.
Nach längerer Zeit war endlich die Reparatur gemacht. Der Knopf saß wieder oben. Der blitte in den frostigen Strahlen der Aprilsonne, und knarrend drehte sich auf ihm der Gockelhahn,
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Am Abend saßen die Ortsleute in der Bleibe" und besprachen das ungewöhnliche Ereignis. Am oberen Ende der Tischreihe saß der Kantor und hielt einen historischen Vortrag über die früheren Ortszustände, die natürlich viel besser gewesen waren, als die modernen. Er redete über das eingefügte Dokument und mit weicher, melancholischer Stimme sprach er von der Zukunft. Dermaleinst würden sie zufällig das Dokument finden, das Kreisblatt, seine Photographie.
schrie:
..
Begeistert schlug er mit der flachen Hand auf den Tisch und " Ja, ich habe nicht umsonst gelebt, ich habe etivas für die Nach welt gethan. Die Nachwelt wird meiner gedenken!"
Am unteren Ende der Tischreihe aber saß Meister Weigelts Geselle und lobte sich selber. Ha, wie schwindlig war ihm oben gewesen. Aber er hatte sich nicht gefürchtet. Sein Wert war's!
Alle sahen ihn bewundernd an und tranken ihm zu:" Prost, Gesell... prost, Gesell."
Das ärgerte nun wieder den Meister Weigelt, seinen Gesellen so hofiert zu sehen, und er begann zu sticheln. Das Ganze war doch weiter fein Kunststück. Das machte doch jeder Lehrling. Jawoll! Und Zeit genug hatte der Geselle doch gebraucht. Ewig hatte es gedauert, bis endlich der Knopf zugelötet und samt dem Hahn befeftigt war. Da brauchte sich der Gesell' nicht groß zu thun.
Und die Ortsleute, welche fürchteten, den Arbeiter schon zu sehr gelobt zu haben, stimmten dem Meister zu. Auch der Kantor meinte, die Hauptarbeit sei nicht die rohe törperliche des Gesellen, sondern die geistige, die, die das Dokument verfaßt habe.
Dem Gesellen stieg langfam die Bornröte in die Backen. Er
Sie stürzten alle über ihn her; aber er war flinker und wie der Wind in Nacht und Nebel davon.
Sie fanden wirklich die ganze Knopfeinlage auf dem Glockenstuhl, und der Kirchenvorstand beschloß, Meister Weigelt folle den entheiligten Knopf wieder herabnehmen. Aber der Meister erklärte, entschloß man sich, das Urteil über seinen Inhalt der Nachwelt zu er litte an Wadenkrampf. So blieb denn der Knopf oben und seufzend überlassen.
Kleines feuilleton.
bt. Justus v. Liebig . Am 12. Mai 1803 wurde in Darmstadi Justus Liebig geboren, ein Mann, dessen Wirksamkeit auf wissenschaftlichem Gebiet, dessen unmittelbarer Einfluß auf die Lebenshaltung und gesamte Kulturentwicklung ein ganz gewaltiger gewesen ist.
Jm Alter von 15 Jahren trat er als Lehrling in eine Apotheke in dem kleinen hessischen Städtchen Heppenheim ein, wo er sich ein Jahr lang mit den Anfangsgründen der Chemie beschäftigte, deren Studium er in den nächsten drei Jahren auf den Universitäten Bonn und Erlangen weiter führte. Zur weiteren Ausbildung wandte er sich im Jahre 1822 nach Paris , wo er durch eine chemische Arbeit die Aufmerksamkeit Alexander v. Humboldts und des hervorragenden französischen Physiters Gay- Lussac auf sich lenkte, der ihn bei seinen weiteren Studien unterstützte. Schon im Jahre 1824, also im Alter von 21 Jahren, erhielt er einen Lehrstuhl für Chemie als außerordentlicher Profeffor an der Universität Gießen, und zwei Jahre darauf wurde er zum ordentlichen Brofessor ernannt. Hier wirkte er bis zum Jahre 1852 und machte Gießen zu einem Mittelpunkt der chemischen Wissenschaft, wohin die Lernbegierigen nicht nur aus ganz Deutschland , sondern aus allen Ländern der Erde zusammenströmten. Im Jahre 1852 folgte er einem Rufe nach München , wo er am 18. April 1873 starb.
Seine Bedeutung für die Chemie ist eine ganz umfassende ge wesen; sowohl nach der Zahl wie nach dem Werte seiner Entdeckungen muß er als der fruchtbarste Chemiker seiner Zeit bezeichnet wir nur das Chloroform und das Chloral an, die er bei den Unterwerden. Von bekannteren Stoffen, die er zuerst darstellte, führen fuchungen über die Einwirkung des Chlors auf Alkohol fand. Geradezu epochemachend waren seine mit Wöhler zusammen angestellten Forschungen über die Benzoyl- Verbindungen, von denen eigentlich erst die rationelle Behandlung der organischen Chemie
datiert.
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Am bekanntesten ist Liebig aber durch seine Arbeiten über die Ernährung des Pflanzen und Tierförpers geworden, denen er sich seit dem Jahre 1839 zuwandte. Das Liebigsche Fleisch> ertraft, ein Resultat seiner Untersuchungen über das Fleisch und die Zusammensetzung der Muskelfaser, spielt auch heute im Haushalt eine wichtige Rolle. Im Jahre 1840 erschien sein Werk: Die Chemie in ihrer Anwendung auf Agrikultur und Physiologie", dessen Anschauungen nach heftigen Kämpfen zu allgemeiner Geltung gelangten und geradezu einen Umschwung in der wissenschaftlichen Lehre vom Ackerbau herbeiführten. Es galt damals die sogenannte Humus- Theorie, wonach die Pflanze ihre Nährstoffe jener dunklen Masse entnimmt, die sich beim Verwesen organischer Substanz bildet und allgemein als Humus bezeichnet wird. Ergänzend trat ihr zwar, nachdem der Stickstoff als der Hauptbestandteil der eigentlich nährenden Pflanzenteile, der Proteïnkörper, erkannt war, die Stickstofftheorie zur Seite, und Sprengel wies schon 1828 nach, daß der Humus nur eine Vermittlerrolle spielt, daß er gleichsam das Reservoir für den Ammoniakgehalt des Bodens bildet, welchen die Pflanze braucht. Der eigentliche Umschwung voll zog sich aber erst infolge der Arbeiten Liebigs, der auf die Wichtig keit der Mineralstoffe für die Pflanze hinwies, ohne die übrigen