-

374

-

So? Sie find's!" sagte Gundermann ohne jede Höf­lichkeitsformel zur Baronin. Heute habe ich keine Zeit mit Weibern zu verlieren."

( Fortsetzung folgt.)

( Nachdruck verboten.)

Rund um London .

9

Namen mit voller Gewißheit sehen kann. Ohne Zweifel faufte ringen Teil unter dem Einfluß des fremden Elements lebhafter au Saccard, ohne Zweifel spielte er. Aber geschah das für wirk- erwachen. liche Kunden, oder für die Gesellschaft selbst? Er war jetzt find die Kew Gardens, wohl der größte botanische Garten der Ein beliebter Ausflugsort in der unmittelbaren Nähe Londons inmitten des von allen Seiten zugetragenen Klatsches völlig welt, umfaßt doch das detaillierte Verzeichnis der dort kultivierten ratlos. Die Thüren seines gewaltig großen Arbeitszimmers Pflanzen nicht weniger als vier dide Bände. Zu den häufigen wurden heftig zugeschlagen, das ganze Personal bebte vor und regelmäßigen Besuchern dieses Gartens gehörte zur Zeit auch seinem Zorn, die Kommissionäre wurden mit solcher Grobheit der berühmte Naturforscher Charles Darwin , der hier eine große aufgenommen, daß ihr gewohnter Vorbeimarsch in regellose Reihe von Beobachtungen angestellt und wertvolles Material für seine Flucht ausartete. " Entstehung der Arten " gewonnen hat. Die Kew Gardens sind das typische Bild eines englischen Parks, der sich von dem, was man im Deutschen gemeinhin mit dem Begriff eines solchen verbindet, wesentlich unterscheidet: kein zusammenhängender Baumwuchs mit dichtem Buschwert und Unterholz, sondern weite, saftiggrüne Rasen flächen mit fpärlich verstreutem, aber künstlerisch geordnetem und in der Farbenwirkung des Blätterwerks genau berechnetem Baum­bestand. Ein besonders eingehegter, aber dem Publikum frei zugänglicher Teil des Gartens ist der künstlichen Zucht aller möglichen Grass, Blumen-, Algen und sonstiger Gewächsarten gewidmet. Bemerkenswert find daneben nicht nur die Bestände vielfach sehr seltener Bäume, die sich in England und teil­weise auch in Central Europa sonst nicht finden, sondern auch die für tropische Pflanzen. gewaltigen, in der Mitte des Gartens angelegten Gewächshäuser Hier find hauptsächlich die verschiedensten Balmenarten und Schlingpflanzen vertreten, und man hat nicht nur die Möglichkeit, zu ebener Erde, sondern auf besonderen Galerien auch unmittelbar unter den gewaltigen Kronen der Balmriesen ein­und zwar wie alle Etablissements ähnlichen Schlages temperenz­herzuwandeln. In dem ausgedehnten Garten giebt es nur einen, lerischen Erfrischungsraum, wo der Besucher seinen Fünfuhr- Thee mit Streffe zu nehmen pflegt. Denn ganz entgegen der deutschen Gewohnheit ist das nationale Getränk neben dem specifisch englischen Ale, Porter und Whisky nicht der Kaffee, sondern Thee und Coco". Bemerkt mag sein, wie das englische Publikum eine Beschränkung der Bewegungsfreiheit in den öffentlichen Instituten in keiner Weise So hält man es jenseits des Kanals geradezu für ein un­verbrüchliches Menschenrecht, in den Parks frischweg über den Rasen zu wandeln, und die geschmackvollen preußischen Warnungstafeln mit ihren polizeilichen Strafandrohungen würden drüben als eine Monstrosität aufgefaßt werden, die das ganze Volksempfinden auf Dabei aber hält sich das englische das tiefste empören würde. Publikum streng an die Weisungen, wie sie die Verwaltungen sonst auf­zustellen für nötig erachten, ein Beweis, wie bei der Species Mensch gerade die Freiheit am erziehlichsten wirkt.

duldet.

Die räumliche Ausdehnung der kontinentalen Millionenstädte mit ihrem Kranz von Vororten steht beträchtlich zurück hinter der ge­waltigen Fläche, die die Handelsstadt an der Themse bedeckt. Schon die Einwohnerzahl von 6 Millionen läßt auf den gewaltigen Häuserkomplex Londons schließen. Dazu kommt, daß es Gebäude mit mehreren Stockwerken eigentlich nur in der City und ihrer näheren Umgebung, also in den Stadtvierteln giebt, die durchweg Geschäftszwecken dienen und jeden­falls nur wenige Privatwohnungen aufzuweisen haben. Im all­gemeinen ist wie in ganz England so auch in London das Ein­familienhaus vorherrschend, ein fleines, meist fomfortables Gebäude, das im Barterre gewöhnlich zwei größere Wohn-, auf der einzigen oberen Etage 3-4 kleinere Schlafräume enthält. Die großen Miets­fasernen, deren typische Repräsentanten die bis zu 25 Stockwerken hohen Wolkenkratzer New Yorks sind und die fich auch hier zu Lande, wenn auch nicht gerade im amerikanischen Stile, eingebürgert haben, kennt man in London nicht, womit freilich nicht gefagt sein soll, daß die dortigen Wohnungsverhältnisse, insbesondere sofern die ärmeren Klassen im Oftende der Stadt in Betracht kommen, rosige zu nennen seien. Es liegt jedoch auf der Hand, wie das vorherrschende System des Ein­familienhauses die räumliche Ausdehnung einer Stadt von der Be­völkerungsziffer Londons geradezu ins Ungemessene steigern muß, und man versteht, wie für manche Stellen der Radius Londons bis auf 30 englische Meilen bemessen wird. Berücksichtigt man daneben Sie ungeheuren Mengen Die Kew Gardens stoßen mit ihrer hinteren Längsseite an die Staubes, die der gewaltige Verkehr der Riesenstadt notwendig ent- Themse und hier beginnt denn eine der herrlichsten Promenaden, wickeln muß, die enormen Quantitäten pulverifierter Kohlenteilchen, welche die Nachbarschaft Londons aufzuweisen hat. An schönen die das schwere englische Heizmaterial aus den Millionen von Sommertagen belebt eine große Anzahl der verschiedenartigsten Schornsteinen in die Lüfte sendet, die dicken Ausdünstungen aus der Segel- und Ruderboote den Fluß, ist doch der Wassersport in fumpfigen Flußmulde, auf deren Grund London erbaut, Umstände. England nicht nur überhaupt zu Hause- gerade an dieser Stelle die zusammenwirkend jene tiefe und schwere Dunstwolfe über der ist das Vermieten solcher Fahrzeuge zu solcher Fahrzeuge zu einem besonderen Riesenstadt erzeugen, die nur die frische Seebrise der Nacht auf eine tapitalistisch betriebenen Gewerbe geworden; denn die einzelnen furze Stunde zu lichten im stande ist, so sollte man meinen, der Eigentümer besitzen bis zu 50 und mehr solcher meist sehr eleganter Drang des Londoners, die vielfach reizvolle Umgebung der Millionen- und wertvoller Boote, die in besonderen, in die Flußböschung stadt an den freien Sonntagen aufzusuchen, würde sich zum mindesten hineingemauerten Lagerräumen aufgestapelt sind. Zur Rechten das ebenso lebhaft äußern, als dies bei dem lebenslustigen Pariser und bunte Bild auf dem Fluffe, folgt man zur Linken einer Reihe hoch­unfrem gemütlichen Berliner der Fall ist. herrschaftlicher Landhäuser, ein jedes mit einem weiten und wohl­Dem ist jedoch nicht so. Zunächst trägt daran der englische gepflegten Garten umgeben, in denen ganz im Stile der englischen Puritanismus in der sog. Sonntagsheiligung die Schuld. Heute Parks gleichfalls der Rasen den Hauptschmuck darstellt. Infolge des noch sind z. B. sogar in London die Wirtshäuser an Sonntagen nur wasserreichen Bodens und häufigen Ueberfäens der Grasflächen er­während der Stunden von 1-3 und 6-11 geöffnet, während im reicht nämlich der englische Rasen eine leppigkeit und Tiefe der Lande die Beschränkung selbst in den großen Städten wie Farbe, die wir in Deutschland nicht kennen und die sich bei den Manchester und Liverpool eine noch bedeutendere ist. Dabei ist hiesigen Bodenverhältnissen auch niemals erzielen ließe. freilich zu berücksichtigen, daß das englische Wirtshaus vorwiegend als gleiche Erscheinung läßt sich bei dem gleichfalls in größter Dichtig Trinkstube gilt, also bei weitem nicht die ökonomische Rolle des feit und leppigkeit auftretenden Epheu beobachten, und es gehört nicht deutschen Speisehauses, des Restaurants", spielt. Dann wurzelt gerade zu den Seltenheiten, von Ephen bis auf den legten Stein auch die Gewohnheit, den Sonntag zur bloßen Ruhe oder zu reli- überwucherte Kirchen und Ruinen anzutreffen. Am Ende der Pro­giösen Zwecken zu verwenden, sehr tief im englischen Volke, das in menade liegt Richmond , eine richtige englische Landstadt mit schlecht feiner überwiegenden Mehrzahl auf dem deistischen Boden der Bibel gepflasterten Straßen, in denen an den Wochentagen, zumal im steht und für den skeptischen Nationalismus, wie er die Signatur Hinblick auf die Nähe Londons , sich ein reges Markt- und Kaufleben des religiösen Lebens in Deutschland ist, wenig Verständnis besißt. abspielt. Allerdings hat der Ort, da er zu den westlichen Vororten Hindernd auf den Sonntagsverkehr wirkt ferner die Art und Weise, zählt, die samt und sonders im Zuge der wohlhabenderen Be­wie das Eisenbahnwesen an diesem Tage gehandhabt wird. Der völkerungsschichten liegen, nicht den gleichen Aufschwung zu ber­Verkehr der Londoner Vorort- und Stadtbahnen ruht nämlich am zeichnen, wie etwa das in derselben Entfernung von 10% englischen Sonntage während der Kirchenzeit durchweg völlig und auch während Meilen auf der Ostseite Londons liegende Ilford, das inner­der übrigen Stunden bleibt derselbe wesentlich beschränkt, so daß halb eines Decenniums bon etwa 5000 auf mehr denn ganz im Gegensatz zu den deutschen Gepflogenheiten an Sonntagen 50 000 Einwohner angewachsen ist. Der Grund für das weniger Züge gehen als an den Wochentagen. Dabei sind, da die schnelle Anwachsen der Städte in der weiteren Nachbar­

Die

Eisenbahnen in England sich durchaus in den Händen privat- schaft Londons liegt neben dem Steigen der Bevölkerungsziffer vor tapitalistischer Gesellschaften befinden, die Fahrpreise ziemlich hohe, allem in der Thatsache, daß im Innern der Stadt der Geschäfts­jedenfalls beträchtlich höhere als hier zu Lande. So wirken denn kreis immer größer wird. Zunächst hat dies zu einem völligen Zu­eine Reihe von Umständen zusammen, um den Bewohner Londons sammenwachsen mit den Suburbs, den eigentlichen Vororten geführt. im Weichbilde der Stadt und ihren zahlreichen Barks zurückzuhalten, So spricht Dickens noch von Islington als einem von London ge­welch letztere insbesondere am Nachmittage das Ziel vieler Tausende trennten Ort, während beide heute miteinander verwachsen sind. bilden, denen der Ausflug nach außerhalb zu kostspielig, zu läftig Jetzt drängt die Entwicklung selbst über diesen erweiterten Radius oder zu profan ist. hinaus, wie wir ja auch in Berlin den gleichen Entwicklungsprozeß, wenn auch noch in seinem ersten Stadium zu beobachten Gelegenheit haben.

Man trifft daher in der Nachbarschaft Londons nicht jene Ueber fülle von Ausflüglern, wie dies in der Nähe Berlins zu sein pflegt. Immerhin beginnt in der letzten Zeit der englische Sonntag zumal in London von seinem puritanischen Charakter langsam zu verlieren und der Trieb nach dem Genuß der freieren Natur zum nicht ge­

Ein Beliebter Ausflugsort des Londoners ist ferner Wembley Park, der durch seine Nachahmung des Eiffelturmes bekannt ist, wenn diese auch bei weitem nicht die Höhe des Pariser Vor­