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Die haben wir allerdings nicht," meinte die Pflegerin. Sie hatte das Frühstücksgeschirr zusammengeräumt. Nun trat fie an die Treppe, die zum Garten hinabführte und rief mit heller Stimme: Lieschen!"
Ja, das sind Sie," sagte die Pflegerin. Der Professor vers| wöhnt sich sein Organismus allmählich an das Gift, so daß schließlich spricht es für ganz gewiß. Auch ein Wunder nach der Operation." zwar noch eine Quaddel auftritt, aber die Schwellung ausbleibt: Und dann drei Wochen in Wannsee zur Erholung und Der Mensch ist gegen das Bienengift immunisiert. Wenn nun ein an wenn die Rosen blühen, nach Saßnih. Da sind Gärten," Tachte Gelenkrheumatismus Erkrankter von einer Viene gestochen wird, so bas Fräulein. tritt angeblich feine Schwellung auf, sondern diese stellt sich erst nach mehreren Stichen ein; dabei verschwindet aber der quälende Schmerz im ertrantten, mehrfach gestochenen Gelent. Auf diese Erfahrung baut der Vortragende eine jedenfalls sehr originelle Heilungsmethode des Rheumatismus auf. Er läßt den Kranken von Bienen, anfangs von wenigen, dann langsam steigend von vielen, an den Armen und Beinen in der Nähe der erkrankten Gelenke stechen, wobei er bis zu siebzig Bienenstichen in einer„ Sigung “ gelangt. So wurden einer kranken Frau im Verlaufe der Bienenfur 6592 Stiche beigebracht.( Bewegung im Auditorium.) Die Kur foll mehreremale wiederholt werden, bis der Organismus dauernd gegen Bienengift immunisiert ist; derselbe Drganismus soll nach Angaben des Vortragenden dann auch gegen Gelenkrheumatismus immunisiert sein. Dr. Pere empfiehlt die Bienentur auch gegen Mustelrheumatismus und gegen Nervenschmerz. An diesen Vortrag schloß sich keine Debatte an; die Zuhörer beobachteten auch, wie fich der Arzt von Bienen stechen ließ und thatsächlich an den Stichstellen keine Anschwellung bekam.- Geschichtliches.
Im äußersten Winkel, direkt am Bahndamm, stand eine spärliche Laube; drei Frauen saßen darin, Patienten zweiter Klasse, in Hellen, blaßblauen Anstaltstitteln; die jüngste sprang auf, als der Ruf erklang, und eilte leichtfüßig auf die Veranda zu. Sie war etwa zwanzig Jahr und trug den linken Arm in der Binde. " Da sagte die Pflegerin und reichte ihr die Bratenbrötchen.„ Die können Sie sich mit Margarete und der Richter teilen."
" Braten! Au, fein!" Lieschen nahm das Gebotene wie einen Schatz; sorgfältig balancierend trug sie den Teller nach der Laube zurück: Das schickt Schwester Jenny, für jeden eins."
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In dem abgemagerten Gesicht des andren jungen Mädchens Leuchtete es auf. Sie griff begierig nach der einen Schnitte. Die ältere Frau sagte höhnisch:" De Inädje hat wohl wieder was übrig jelassen? Sonst jiebt's doch sowas Jutes nich für uns."
Es ist Braten," ſagte Lieschen und hieb mit dem Appetit der Jugend in ihr Brötchen ein.
llebrig jelassen," wiederholte die Frau und ihre Stimme zitterte:„ Wenn die erster Jüte was übrig lassen, kriejen wir was, sonst is de Zwiebelwurscht für uns jrade jut jenug."
ad. Berliner Spigeltum zur Zeit des alten Frig. Die ehrenwerte Gilde der Spizel zählt unter ihren Berufsangehörigen Gestalten, die dichterischer Verewigung wohl würdig wären. Das Berliner Spitzeltum der Gegenwart hat Éremplare aufzuweisen, die vermöge ihrer urkomischen Hereinfälle zu Klassischen Lustspielfiguren geeignet wären. Diese„ dumen Teuffel", um einen
" Daran muß man nicht denken," sagte Margarete mit einem Lieblingsausdruck des alten Frizz zu gebrauchen, könnten sicher zu erzwungenen Lachen. Wenn man hier überhaupt an alles denken wollte," meinte
Lieschen.
" Ja, wenn man das wollte!" höhnte die Frau, nich wahr? Wir dürfen unsre Verwandten nur zweimal sehen in der Woche; bei die aus de erste Klasse können se alle Tage kommen. Die nennen se jnädiges Fräulein, wir sind de Richtern und Lieschen und Frete. Die essen von'n Teller mit Messer und Jabel, wir kriejen' n Löffel und' n Napp; die können ihre Kleider tragen, wir kriejen de blauen Kittel, als säß man in Numero Sicher." " Ja, für die is alles Jute," nickte Margarete.
Und für uns was se übrig lassen," spottete die Frau." Nee, ich will nich, effen Sie man."
Sie schob das dritte Brötchen, das für sie bestimmt war, den beiden andren hin. Es griff aber niemand zu. Ein Schatten lag auf den Mädchengesichtern. Er hielt aber nicht lange vor. Als könnte sie damit alles Bedrückende bannen, rief Lieschen mit einem hellen Lachen:
„ Aber den Garten haben wir wie die." " Ja, den Garten haben wir."
" Det is noch's einzigste," nickte die Frau und ihre müden Augen glitten mit einem Aufleuchten über das maienfrische Grün. „ Der Jarten, der könnt' mir's fast lieb machen, det ich ins KrankenHaus jekommen bin. Kinder, fufzig Jahre bin id alt jeworden, aber so'n paar Wochen in'n Jarten fißen, det hab' id noch nie jetonnt." " Ich hab' zu meine Mutter auch schon gesagt:' s is hier de reine Somme: ivohnung," nickte Margarete mit einem Lachen.
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„ Und nächstens werden die Rosen blühen," jubelte Lieschen und wies auf ein paar kümmerliche Rosenstöcke. Sie haben Knospen, sehen Sie mal."
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wie
mindestens ebenso wirksamen Bühnenhelden werden, wie jener Lessingsche Wirt des fridericianischen Berlin , der im Vergleich zu dem ein oder andren spionierenden Nubilesel von heute als ein Ausbund von Verschmißheit erscheint: als ein „ Kerl von Kop", wie der alte Friz sagen würde. Daß der Wirt in„ Minna von Barnhelm" ein Spizel ist, tommt freilich den meisten, die Leffings Stüd heute lesen oder sehen, gar nicht zum Bewußtsein. Wer nicht einigermaßen mit den Jdealzeiten des großen Königs vertraut ist, denkt, der Wirt spioniert aus purer Neugierde, suche bloß zu seinem Privatvergnügen die Kammerjungfer auszuforschen. So harmlos ist die Sache aber nicht. Der Wirt will„ die Geheimnisse eines Frauenzimmers" für die heilige Hermandad erfunden; denn die Polizei will alles, alles wissen; und besonders Geheimnisse". Als Werkzeuge dazu aber dienten in erster Linie die Wirte, Traiteurs und Gasthofpächter in Berlin und den übrigen größeren Städten Preußens. Der König zahlte ihnen den ganzen oder halben Mietzins. Die Gegenleistung bestand in Bespizzelung ihrer Gäste. Sie sollten täglich über alle Gespräche und Zusammentünfte in ihren Räumen an die Polizei berichten. Von verdächtigen Bersönlichkeiten hatten fie möglichst auch einen verläßlichen Prothokoll- Auszug" der„ beh fich habenden Brieffchaften" der Polizei einzureichen. Durch den Hinblid auf dies liebliche Hilfsmittel der fridericianischen Regierungskunst wird die Gestalt des Wirtes im Leffingschen Luftspiel erst recht pikant, und man fieht, recht die byzantinischen Litterarhistoriker haben, das Stüd als eine Berherrlichung des Heldenkönigs zu behandeln. Die Wirte waren übrigens nicht die einzigen Spizel Friedrichs, die sich mit der Briefschnüffelei beschäftigten. Diese ehrenwerte Specialität des Spizel handwerks wurde vor allem auf der Post betrieben, die seit 1766 längere Zeit ganz mit Franzosen besetzt war. Ueber einen Hauptzweig von deren Thätigkeit sagt ein in Bostalischem hervorragend fachverständiger Autor, kein andrer als Stephan, in seiner Geschichte der preußischen Post":" Die Postregie organisierte ein förmliches Spionier und Denunziantencorps". Das war bekanntlich bloß ein fleines Vorspiel zu dem Großbetrieb im Brieferbrechen, den ein halbes Jahrhundert später der bekannte Eisenbahnhasser Nagler ins Leben rief. In diesen Zeiten der heiligen Alliance betrieben die preußischen Staatsweisen auch noch mit Eifer jene andre Spigelmethode der Zeit des alten Friz: die Benutzung der Gast häuser zu geheimen Polizeizwecken. Nur waren es nicht mehr die Inhaber, sondern die Hausknechte, die im Dienst und Sold der Behörden standen. Ein englischer Gewährsmann, der Berlin im Jahre 1818 besuchte, Thomas Hodgskin , erzählt erzählt ein erbauliches Histörchen davon, fich schließlich genötigt sah, den spionierenden Hausknecht zur Thür hinaus und flagt die Verderblichkeit einer zuschmeißen, Politik an, die alle persönlichen Beziehungen, das ganze Privatleben vergifte, die Sittlichkeit eines Boltes ruiniere, um den Herrschenden ein -Eine kuriose Heilmethode. In der letzten Signng der Gesell- bloß eingebildetes Gefühl der Sicherheit zu verleihen. Die dritte schaft der Aerzte in Wien sprach Dr. Perc aus Marburg über die und verhaßteste Art der Spigelei dagegen, wie der alte Fritz sie Beziehungen des Bienenstiches zum Rheumatismus". Die Neue hatte betreiben lassen, war mit dem Einsiedler von Sanssouci zu Freie Presse" berichtet über den Vortrag: Der Bienenstich soll ein Grabe getragen worden. Es ist die sogenannte Kaffeeschnüffelei. Boltsmittel gegen den Rheumatismus sein; seine Verwendung ist Der Rattenkönig von drückenden indirekten Steuern, die auf der wie der Vortragende bedauernd hervorhob in der wissenschaft- hauptstädtischen Bevölkerung lasteten und von den französischen lichen Medizin nicht üblich. Dr. Bere will den Bienenstich als Regiebeamten aufs unbarmherzigste eingetrieben wurden, hatte Heilmittel in etwa 500 Fällen mit gutem Erfolge erprobt haben Schmuggel und Steuerhinterziehung in größtem Stile großund betrachtet ihn als specifisches Gegenmittel gegen den gezogen. Dem sollte nun wieder von seiten der Behörden ausechten Rheumatismus. Wenn die Biene einen gefunden gedehnte Spionage entgegenwirken. Dieser Sorte Spigelei hat ihre Menschen sticht, so entsteht eine Quaddel und eine schmerzhafte unpopulärste Spielart den Namen gegeben. Der Kaffee war StaatsDie Kaffeeriecher oder Anschwellung; es können auch Kopfschmerz und Ohnmacht hinzu- monopol und daher unerschwinglich teuer. treten. Wird der Mensch wiederholt von Bienen gestochen, so ge- Kaffeeschnüffler mun liefen überall umher, um zu fonstatieren, ob
Dann bin ich nicht mehr hier," sagte Margarete beinah traurig. Mir hat die Schwester heut schon gesagt: ich wäre gefund genug, ich müßte raus. Ein kurzer Huften schnitt ihr die
Rede ab.
Mich wollen se auch nich mehr behalten," fiel Lieschen ein. Sie streifte die Rosen mit einem traurigen Blick:„ Wenn die blühen, sitz' ich schon wieder in meine Schlafstelle und kann sehen, wo ich was verdiene mit meine kranke Hand."
" Und ich steh' ans Waschfaß," sagte die Richter hart. Allein Margarete rief haftig:" Ach nein, Frau Richter, das fönnen Se doch nich; wo Se erst operiert worden sind, können Se doch diesen Sommer nich mehr waschen."
" Rann ist nich?" fragte die Frau mit dem alten Hohn in der Stimme. Werd' ich wohl müssen! Wir sind ja bloß zweeter Klasse, Frete, wir sind ja teene Jnädigen; bei die sagt der Doktor, se müssen fich pflegen, bei uns heeßt's: arbeete, wenn de wieder aufrecht fißen fannst, biste gesund genug.".
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wie er
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