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früherer Bäckermeister

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zog das Abendblatt des Lokal- Anzeigers"| dieser Art von vornherein absieht, es bleibt noch zu viel, was zwar bor   und las. Aber die Beleuchtung war mangelhaft. Er steckte das von einer gewissen Tüchtigkeit und ehrlichem Streben spricht, aber Blatt wieder in die Manteltasche. Er schien ein wenig angeregt und ebenso temperamentlos und langweilig wirkt, so daß ein wärmeres redeluftig. So schüttete er mir seine tieferen Empfindungen aus; Intereffe namentlich bei solcher Massenhaftigkeit dem Einzelnen er kam ja, wie ich im Laufe des Gesprächs erfuhr, von einem ver- gegenüber gar nicht aufkommen kann. Unter dem Zeichen dieser späteten Stammtisch. Arbeiten steht im Grunde auch die diesjährige Ausstellung, soweit wenigstens die deutsche Malerei in Frage kommt. Will man nicht den Katalog abschreiben und nur hervorheben, was wirklich über dieses Niveau hinausgeht, so bleibt nur wenig von den mehr als tausend Bildern zu erwähnen übrig.

" Das find jetzt aufgeregte Zeiten, begann er, man fommt gar nicht aus der Unruhe heraus. Wie mag das nur enden?" " Ja", meinte ich.

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Glauben Sie, daß eine Revolution daraus entsteht?" Es herrscht doch durchweg Ruhe!" wende ich ein.

" Ruhe nennen Sie das? Der Lokal- Anzeiger" brachte erft heute wieder drei Spalten Telegramme. Ich sage Ihnen, es giebt einen Weltkrieg. Dder was denken Sie über Macedonien?"

Gar nichts!"

" Sic intereffteren sich nicht für Politik?" " ja, fehr!"

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Ach, das ist hübsch. Ein gebildeter Mensch fuhr mein Rentier fort muß sich für Politik intereffiereit. Das sage ich immer. Darum halte ich auch den Lokal- Anzeiger". Da erfahre ich alles aus erster Hand, frischgebackene Semmeln gewissermaßen, noch warm und knusprig. Was meinen Sie, ist der König von England oder der deutsche   Kaiser begeisterter in Italien   empfangen worden. Diese englischen Hunde lügen wieder. Man habe ihren Eduard auf Händen getragen, und unser Kaiser habe verstimmend gewirkt. Schwindel, nichts als Schwindel! Glauben Sie nicht auch?" Hm".

" Und was alles vorkommt in der Welt! Denken Sie, das Kleine Kind der Louise soll dem Kronprinzen wie aus dem Gesicht geschnitten sein. Was sagt bloß Giron dazu?"

" Da muß der Lokal- Anzeiger" ihn fragen!"

,, Das wird Scherl gewiß auch thin. Die Sache muß festgestellt werden. Man muß doch wissen, woran man ist! Wenn die Woche" nur erst das Bild des Mädchens der Louise bringen würde. Dann könnte man doch selber prüfen."

Gewiß!"

,, Und denken Sie das mit dem Schimmel in Rom  , dem vom Potsdamer Hofstallmeister der Schweif verlängert wurde! Das ist doch großartig!" dres

Sehr."

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Ein höheres Niveau zeigt sich nur in den beiden Sälen der ehes maligen Secessionisten. die auch umdem fie in den Glaspalast zurück­gekehrt sind, eüftty vorwärts streben. Die künstlerischen Absichten sind ernster, und eine solide technische Tüchtigkeit bildet die Grundlage ihres Schaffens. Namentlich Otto Heinrich Engel   tritt sehr erfreulich hervor. In seinem Festtagsmorgen" giebt er wieder eine Scene mit Friesenmädchen: Eine Mutter legt der einen Tochter ein Kopftuch um, die andre schaut zu; alle drei stehen im Schatten eines großen Baumes, während hinten der Blick in die durchsonnte freie Landschaft geht. Das einfache Motiv ist schlicht und ansprechend ge= staltet, und das Ganze ist frisch und in einer reizvollen Farbigkeit hingestrichen. Auch seine Landschaften haben einen solchen stillen Reiz; besonders eine Abendstimmung an einem Fluß hat einen schönen vollen Farbenton, während ein Sommerabend" am Strande eher etwas zu weich wirkt. May Schlichting macht mit großen und startfarbigen Bildern größere Ansprüche, denen er aber nicht recht genügen kann. Ein originelles Motiv hat sein großes Bild Luft­schlösser". Ein Brautpaar im Biedermeier- Kostüm fitzt, dem Be­schauer mit dem Rücken zugewandt, am Strande und schaut hinauf zu den seltsamen Wolkenbildungen, die am Himmel vorüberziehen. Die Weite und Höhe des Raumes ist sehr gut herausgebracht, aber die Farben sind wenig ausgeglichen und unruhig, und die beiden Figuren haben in ihrer Größe etwas Grotestes und unfreiwillig Komisches. Ebenso wenig überzeugend wirkt ein Damenporträt im größten Format, das gegen einen breiten grellgrünen Hintergrund gestellt ist. Ein lustiges Bildchen hat Hans Looschen   beigesteuert, einen Blick auf die Zuschauer am Variété- Theater, die gerade in ein Gelächter ausbrechen. Das Bild ist in Gouache fast in einem Ton gemalt und wirkt so wie eine Zeichnung, hat auch etwas von dem Charakter einer solchen; aber es steckt in der Weise, wie die verschiedenen Arten zu lachen charakterisiert sind, von dem verschämten Schmunzeln

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" Wie denken Sie denn, wie sich das Parlament in Kapstadt   bis zum Wiehern" mit weitoffenem Munde ein gutes Stück machen wird?"

" Ich denke mehr an die Wahlen!"

Wahlen?  " Der Rentier wurde verlegen. ,, Ach richtig, in Rumänien   waren ja Wahlen. Natürlich sehr interessant. Der Lokal- Anzeiger" brachte ausführliche Specialtelegramme."

" Offen gestanden, die Wahlen in Deutschland   intereffieren mich mehr 1"

" In Deutschland  ? Bei uns giebt's Wahlen? Na, hören Sie, das müßte ich doch zu allererst wissen ich, Abonnent des" Lokal­Anzeigers".

Dann fuhr er fort, als ich schwieg:" Sie wollen mich uzen, Sie fleiner Schäfer. Wann wären denn Ihre Wahlen?" Er lachte dröhnend.

,, Nun, ich denke am 16. Juni!"

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Da wieherte mein Mann, daß die Bank bebte: Ausgezeichnet, das mit Ihren Wahlen. Sie können mehr wie der Lokal- Anzeiger". Sie sagen einfach: am 16. Juni find Wahlen, bums sind sie da. Ich, Friedrich Wilhelm Lehmann, aber weiß keine Silbe davon, obwohl ich täglich zweimal zwei Stunden den Lokal­Anzeiger" studiere. Sie Spaßvogel Sie!"

Joc.

Grosse Berliner   Kunftausstellung.

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treffender Psychologie. Dasselbe kann man von einem brillant in Bastell gezeichneten Tigerkopf sagen, bei dem das Boshafte und Lauernde, aber ebenso das Gedrückte des gefangenen Tieres sehr gut zum Ausdruck kommt. Auch eine Landschaft von Looschen ist zu er­wähnen. Von Carl Langhammer macht nur eine Abend­landschaft einen ganz befriedigenden Eindruck, auf der der Abend­frieden in sehr weichen Farben dargestellt ist; die Bilder, in denen er größere Wirkungen anstrebt, ein weiter Ausblick von einer Höhe auf unten im Vordegrunde liegende Häuser und über eine weite Ebene, über der die Sonne untergeht, und ein ähnliches Motiv in fleinerem Format, bei dem die Sonne im Dunst" steht und einen bleichen, stechenden Glanz über die Dächer ergießt, werden der Größe der Aufgabe nicht gerecht. Von Ostar Frenzel sieht man neben den gewohnten Bildern mit Rindern diesmal ein Pferde­bild, das merkwürdig schwach wirkt. Paul Hoeniger   hat wenigstens in einem einfachen Interieur", das sehr stimmungsvoll ist, seine frühere etwas füßliche Art überwunden.

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Von den Düsseldorfern ist in diesem Jahre noch weniger Gutes zu berichten als gewöhnlich. Ein Landschafter fällt immer mehr auf, Frit v. Wille, der allerdings aus der Karlsruher  Schule kommt. Seine Bilder aus den deutschen   Mittelgebirgen mit ihren gleichmäßigen Höhenzügen sind von großer Kraft und Frische. Diesmal hat er auch ein Bild mit einem fleineren Motiv gesandt, ein Einsames Haus" an einem mit Schnee bedeckten Abhange, das in der Farbe außerordentlich fein ist und auch in, dem fleineren Aus­schnitt seine Kunst, die Formationen des Bodens nachzubilden, zeigt. Führt man außerdem noch die Tierbilder von Eulenburg und Lins, das Porträt eines jungen Mädchens in rotem Kleide von Reusing und die Bilder aus dem Leben der Armen von Max Stern   an, so ist aber auch alles erwähnt, was etwas Besonderes zu sagen hat.

Kunftausftellung. in der Farbe außerordentlich

II.

Beim Abschreiten der langen Saalwände, an denen in diesem Jahre die Bilder der deutschen   Maler untergebracht sind, ver­schlechtert sich der Gesamteindruck immer mehr. Die sonst übliche Einteilung nach Städten hat man fallen lassen; nur die Düsseldorfer  find in den beiden Sälen, die sie schon lange befizen, vereint, und die Gruppe der früheren Mitglieder der Secession hat zwei gesonderte Kleine Säle erhalten. Im übrigen sind die besseren Arbeiten in den borderen Mittelfälen zusammengebracht, wenigstens im allgemeinen. Aber auch hier drückt das Schlechte oder Gleichgültige auf die wenigen Arbeiten, die wirklich ein ernstes Interesse hervorrufen. Mag sein, daß manches dieser Werke, wenn man es für sich betrachten würde, zunächst mit seinen besseren Eigenschaften wirken könnte; in diesem bielstimmigen Chor schreit jedes anders auf den Beschauer ein, indem die Aufmerksamkeit auf das fällt, was es von seinem Nachbar ab­hebt. Und die lautesten Schreier sind immer die schlechten Werke, die mit ihren knalligen Farben, mit ihrer glatten und charakterlofen Beichnung den Blick abziehen von den stilleren, vornehmer getönten Bildern und das Auge abstumpfen und unempfänglich machen für feinere koloristische Reize. Bis zu welchem Grade der Geschmacklosig­feit Maler gehen dürfen, ohne bei der Jury dieser Ausstellung in Un­gnade zu geraten, dafür sei ein Beispiel angeführt, das sogar die Mittelfäle ziert und das darstellt, wie ein alter Mann einer Schönen -die Hühneraugen operiert. Aber auch wenn man von Leistungen

In der großen Masse der übrigen Bilder sind es einige wenige von Künstlern, deren Art man schon kennt, die besonders heraus­zuheben sind. Allen voran steht in diesem Jahre Arthur Stampf, der Künstler, dessen energischer Initiative in der Leitung der Ausstellungs- Kommission wohl alles zu danken ist, was in diesem Jahre an neuen Anregungen und Einrichtungen geboten wurde. Sein Bild Die beiden Schwestern" ist eine ganz überraschende Leistung. Zwei kleine Mädchen, in Flitterkostüme gekleidet, stehen auf der Estrade einer Jahrmarktsbude und plärren ihre einstudierten Liedchen herunter, während ein Mann, der davor steht, sie auf der Guitarre begleitet. Diese Komposition ist vielleicht ein wenig zu willfürlich, die drei Figuren sind ohne rechte Beziehung neben einander gesetzt; aber in jeder andern Hinsicht ist das Werk von einer außerordentlichen Feinheit. Die Farben gehen ausgezeichnet zusammen; die bunten Farben der Kostüme sind prachtvoll zu dem dunkelgrünen Vorhang gestimmt, und auch der dunklere braune Ton in der Figur des Mannes fügt sich dem Ganzen gut ein. Die technische Behandlung ist virtuos; das Bild scheint in einem großen Zuge heruntergemalt, aber bei dieser Breite ist es von einer Feinheit in der Durchführung des Einzelnen,