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Er lächelte leise vor sich hin, er erinnerte sich noch so Seutlich, wie er seinen Vater auf dessen Spaziergängen hatte begleiten müssen,-hübsch artig mit herabhängenden Ohren wie ein begossener Pudel. " Nun, Du gingſt mit Thora Löberg?" begann er freund lich. Die Witwe Löberg hat ja wohl einen kleinen Laden angefangen?"

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Ja, mit Garn und Strickereien, Nähutensilien und der gleichen."

,, Und geht es denn?"

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Ach, sie sind so, daß sie sich selbst betrügen. Sie kaufen die Wolle von den Frauen auf dem Lande und lassen in der Stadt spinnen und stricken, und da habe ich ihnen ausgerechnet, daß sie bei jedem Paar Strümpfe genau zehn Dere verlieren. Ich habe ihnen versprochen, das andre auch einmal für fie nachzurechnen. Zum Beispiel diese sogenannten gehäkelten Leibchen, und dann die Art und Weise, wie sie messen!" Hm, nun ja, nimm Du Dich ihrer nur ein wenig an," unterbrach er sie, seine Schritte beschleunigend. Er erkannte sich selbst in der Tochter wieder, in dem Blick und der Veranlagung, die sie zu Berechnungen hatte; aber darum war es nicht gesagt, daß dies ein junges Mädchen be­sonders anziehend machte, es war nicht gerade das, was er als weibliche Poesie bezeichnen würde, nein! Er schielte zu seiner jüngsten Tochter, seinem Verzug, hinüber, unparteiisch, als überschaue er einen Banktisch, alles andre als Zephyr. Aber dabei war sie ein so fern­gesundes, schönes Mädchen, wie es der Nordwind nur um­sausen konnte. Gefühle und dergleichen entwickelten sich ja erst später, und der Verstand kam noch später, Gott  bewahre, wenn sie erst tüchtig an der Nase herumgeführt

waren.

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( Fortsetzung folgt.)

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( Nachdruck verboten.)

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feinen mitnehmen. Aber was thut man nicht alles! Gaßen wir allein im Wagen, so hat sie mich geküßt, daß ich keinen Atem be­fam. Und sprach ich:" Was bist Du eine Wilde!", so lachte sie und nannte mich Väterchen". Mich, ihren Bräutigam! Hopla, Pferd­wenn wir an die Kornfelder tamen, dann sprang sie im Fahren chen," schrie sie lustig, lauf Galopp,, willst Du wohl!" Und ab, daß ich einen Totenschreck bekam. Ob die Kornblumen schon blüh'n," sprach sie. Und fand sie eine, so bekam ich sie an den Hut. Sie jedoch zog sich eine Aehre vorn durch's Knopfloch.

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Vor der Stadt mußte sie absteigen. Einmal sagte sie dabei: Ach wie ist das dumm! Man tommt immer an dieselbe Stelle zurück."" Willst Du wo andershin?" frag' ich. Sie sieht so weit, als wollt sie bis ans Ende der Welt sehen. Aber sie sagt: Fahr 3u, Wojcziek... der Posthalter schimpft sonst!" Und ich fuhr auch wirklich.

immer nach der Pappel, wo sie sonst wartet. Richtig, da steht sie. Zwei, drei Tage später tomm' ich wieder zurück und seh' schon Aber neben ihr noch jemand. Ich kann nicht genau erkennen und fahr' schneller. Da erblicken fie mich auch, und der andere geht übers Brachland nach drüben, wo sie am Bahndamm arbeiten. He, fag' ich, meine Liebe, was ist denn das?" Sie zuckt die Achseln. Er beaufsichtigt die Arbeiter. Und weil er mich immer hier stehen und warten sieht, fam er' rüber. Da schwaben wir. Bist Du eifera füchtig, Bäterchen?"

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und seh zu, wie das Pferdchen ihr den Zucker aus der Hand nimmt. Mir gab's einen Stich durchs Herz, aber ich antwort Nein" " Die Bahn," spricht sie dann, ist doch was anderes als die Post. Man kann nach Posen, Berlin  , immer weiter, bis die Welt aufhört." Dabei feufzt sie. Ich würg' den Aerger runter und sag':" Du wirst die Frau eines Postillons, Maruscha, da darfst Du nichts gegen die Post reden. Und Du fährst ja gern damit."" Ja," erwidert sie gleichgültig. Aber sonst nichts. Wir kommen an die Kornfelder, und ich fahr schon langsam. Denkt Jhr, sie springt runter? Thut sie nicht! Bleibt ruhig fiben und sieht vor sich hin. Wie Du willst! dent ich. Doch ich war nicht so glücklich an dem Tage tie sonst. Morgen komme ich nicht," sagt sie zum Abschied." Ich trag' die Wäsche aus."

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Aber hast Du nicht gesehen: wie ich am nächsten Tag so langsam meinen Weg fahr', steht sie doch an der Pappel. Und der gott­verfluchte Schuft wieder neben ihr. Herr, erlaßt es mir... Ihr

Wojcziek Rosbyta, der Poftillon. habt die Maruscha nicht gekannt und begreift es nicht. Ich aber

Bon Carl Busse  . ( Schluß.)

Geh' an die Luft," sagt Maruscha. Und ich geh' ans Fenster. Der­weil steckt sie Licht an. Mein Haar ist verwirrt," spricht sie und stellt sich vor den Spiegel. Ich seh's noch, sie hebt sich dabei auf den Fuß spißen und öffnet die Lippen ganz wenig. Ich will die Ewigkeit im Fegfeuer brennen, wenn ich das vergess'.

Wir hatten den Tag vorher Mariä Lichtmeß   gehabt. Auf Michaelis," sag ich, können wir heiraten. Was meinst Du, Maruscha?"

Meine Stimme war noch nicht ganz fest, so sehr ich mich am Fenster erholte.

" Ich soll Deine Frau werden?" fragte sie, und ist ganz ver­wundert.

Ich seh' sie an. Ich denk' jetzt oft bei mir, ich muß ganz rot ge­wesen sein.

" Nun ja," red' ich, was... denkst Du sonst?" " Nichts," anwortet sie und beugt den Kopf zurück. Die Mutter muß gleich hier sein."

Da tüss' ich sie wieder und lass' fie überhaupt nicht los. So ein Narr war ich. Brr, wirst Du wohl! Seht an, Herr, wie die Bremsen dem Pferdchen zusehen! Man darf die Peitsche bei Gott nicht weglegen.

So weit war ich also. Pani Mozlin, die Waschfrau, hörte mich an. Das Gespann ist ungleich, Wojcziek Rosbyta," sagte sie, aber vielleicht ist es gut so. Ihr seid ein Mann in ruhigen Jahren und wißt, was Ihr thut. Euer Brot habt Ihr auch. Und jung heiraten ist besser als alt. Junge Bäumchen ziehen sich. Was red' ich lange? Wir wurden einig, und Maruscha war meine Braut. Ich lauf' zum Goldschmied Kozlo und sag':" Meister, die besten Ringe, die Ihr habt." Und einen steck' ich der Maruscha auf.

Sie war ganz toll vor Freude, denn sie liebte alles, was Gold tvar und glänzte. Ein feiner Geschmack, doch nicht billig, Herr! Wie die Kinder wollt' sie alles haben, was sie sah. Nun, ich kauf' dies, das... es macht mir selber Bergnügen. Ihr habt eine lose Hand, Wojcziet," sagt die Mitter. Aber ich lach' nur.

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Nun muß ich Euch mein größtes Glück erzählen. Nämlich als das Wetter schöner ward, im Frühling, will Maruscha nicht im Haus bleiben. Ein junges Ding ach Gott jal Und die Mutter wäscht und plättet für drei. Was thut sie also, die Maruscha? Sie kommt mir eine Stunde entgegen, hier auf der Straße, und bei einer be­stimmten Bappel erwartet sie mich. In der Hand hat sie einen Zweig und in der Tasche ein Stück Zucker. Sie winkt und jauchzt... und ich bin selig und halt' an. Der Braune kriegt den Zucker, den Zweig steckt sie ins Geschirr nun, die Post sieht aus, als wär' es jeden Tag Pfingsten. Hab' ich einen Fahrgast, so sag' ich: Um Bergebung, rückt ein bißchen weiter." Und Maruscha lettert auf, wie eine Katze und sitzt bei mir hier auf dem Play, den Ihr frei machtet. Es fonnt mir den Dienst fosten, denn ohne Billet darf ich

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denke jede Fahrt daran, ohne Trost zu finden. In einem frommen Blatt, das jemand an uns verteilte, las ich, wir werden für jedes Leid auf Erden im Himmel doppelte Freude haben. O Pan, Pan, so viel Freude giebt es selbst im Himmel nicht, wie mir die Heiligen dann erbitten müssen. Die Tage kamen einer immer schöner als der andere das war so zu Ende Mai und an jedem bemerkte ich, daß Maruscha mehr und mehr von mir abließ. Ich hab' in der Stirche gebetet, ich hab' mit der Pani Mozlin gesprochen, ich hab' die Maruscha angefleht, ich bin zum Goldschmied gelaufen. Heut' sagt' ich: Meister, ein Armband," morgen: Wie wär' es mit einem Kettlein?" und alles bracht ich ihr. Sie nahm es auch und freute sich und sprach:" Väterchen, was Du gut bist!", aber gerade, wenn fie so zu mir sein wollte, wie früher, hat's hier am meisten gewürgt. War doch alles, alles ganz anders.

Schlimmer tann's nicht werden, denk' ich also eines Tages bei mir, und der Braune schnauft, als hätte er dieselben Gedanken. Denn das Pferdchen ist auf Zucker versessen wie der Teufel auf eine sündige Seele. Und lange genug hat es keinen gekriegt. Selbst das vergaß Maruscha.

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" Ich werde ein Ende machen," sag' ich mir alse und sprech' mir selbst Mut zu. ,, Wenn sie erst Deine Frau ist, giebt sich alles." Und ich überleg mir, es wäre gut, gleich zum Dekan zu gehen, denn unser hoch= ehrwürdiger Probst ist Dekan seit zwei Jahren. Wie ich das noch denke, sah ich auf die beiden Ihr wißt schon, Maruscha und den vom Bahnbau. Aber nicht an der Pappel, weiß Gott  , sondern mehr im Feld. Und der Schuft begreift Ihr das schlägt auf sie ein, daß sie laut schreiend nach dem Weg läuft. Euer Hochwohlgeboren, Ihr wißt, ich bin fein Tierquäler, aber ich riß mein Pferdchen hoch vor Schreck und Wut und raste nur so hin. " Maruscha," schrei' ich und erschreck' selber, wie heiser meine Stimme flingt.

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Aber sie weint und hört mich kaum, und der Schuft reißt sie beim Arm. Herr, ich darf meinen Wagen nicht verlassen. Doch wär's um die Seligkeit gegangen es war mir gleich. Mit der Peitsche flog ich übers Brachland. Ich glaub', ich hab' geschrien dabei. Und die Schnur saufte dem Schuft um die Larve.

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Mit einem Fluch springt er auf mich zu; ich hab' Riesenkräfte und iverf' ihn bei Seite. Doch er ist zwanzig Jahre jünger und geht von neuem auf mich los. Dabei pfeift er, daß die Arbeiter die Bahnarbeiter ihm zu Hilfe kommen.

Vielleicht hätten sie mich totgeschlagen. Wär' mir schon recht. Aber plötzlich steht Maruscha zwischen uns, ruft ihm ein paar Worte zu, da läßt er ab von mir und winkt auch den herbeilaufenden Arbeitern, daß sie dableiben.

Mein Gesicht muß blau und rot gewesen sein. So stehen wir uns gegenüber. Warum schlägst Du... meine Braut?" keuch' ich und will wieder auf ihn los. Wojczek!" schrie Maruscha flehend.