Mnterhaltungsblatt des JorwärtsNr. 127.Donnerstag, den 2. Juli.1903(Nachdruck verboten.)121Löse Mckte.Roman von Jonas L i e.„Ach nein, mein Jnnge, ich l,abe mir nur ganz einfachdie Sache überlegt, ich sprach nämlich mit Frau Bratt," sagteJohnston.„Und dann bringst Du nun dies Opfer für mein Glück,natürlich— drückte sie sich nicht so aus? Sie ist ja so fein-fühlend in der Beziehung. Aber wenn Tu nun darüber zuGrunde gehen solltest, oder dergleichen— hat das Frauenzimmer sich das auch wohl überlegt?" brüllte Abraham los.„Wenn das eine Ende des Wagebalkens herabwippt, schnelltdas andre in die Höhe.. Und ich kann eigentlich nicht ein-sehen, das; für einen von uns ein Glück daraus erblühensollte."—„Ich habe mir die Sache gründlich überlegt, Abraham,und ich will Dir nur sagen, ich bin wirklich zu der Ueber-zeugung gelangt, das; es so am besten ist."„Hör' einmal, Vater!"— er hielt inne und sah ihnforschend an.„Meinst Du das wirklich, so das; Du nicht imGrunde deswegen betrübt, tief betrübt bist?"„Weißt Du was," sagte Johnston; er stützte sich auf denEllbogen, und über seine Züge huschte ein eigenartiger Aus-druck,,„ich fange beinahe an, es zu meinen, glaube ich."„Denn ich glaube nämlich wirklich selbst, daß ich Malerwerden könnte! Und Du sollst sehen, wenn ich erst dasZeichnen besser gelernt habe, werde ich Dir schon dies oderjenes senden, woran Du den Unterschied merken kannst. Warteeinen Augenblick! Lösche das Licht noch nicht aus! Ich willnur hinauf und etwas holen."Wie der Wind war er wieder da, diesmanl in Bein-kleidern, eine ganze Menge Skizzen in der Hand.„Jetzt sollst Du einmal sehe».— Stelle das Lichthinter Dich.—Diese alte Kracke mit dem hängenden Maul da, kannstDu sehen, wie abgearbeitet das arme Vieh ist, und wie trübeund traurig ihm die ganze Welt erscheint?-- Das habeich vorgestern gemalt,— es stand da und kaute und grübelteund sah zu dem grauen Himmel empor,— ach ja!--Und das da, Vater, das ist Rechtsanwalt Aisings Pferd,das ungeduldig ist, weil er immer nicht von Madame Michelsenherauskommt, es streckt den Slops und schüttelt sich so, daßalles klappert, und wiehert.— Kannst Du sehen, wie un-gehalten das Tier ist, in den Mundwinkeln, und bis in dieOhren hinein?— Auf den Ausdruck kommt es mir Haupt-sächlich an.— Das da, na. das ist das Pferd des Apothekers,das gehört zu den verhätschelten Haferfressern, die vom Kutscherbedient werden und Launen haben und eingebildet sind. Siehhier einmal, wenn es gestriegelt wird, wie es das genießt,es streckt den ganzen langen Rücken, schließt die Augen halbund hebt den Kopf ganz hoch in die Höhe.--Wir müssen mehr Licht haben, Vater,— ich zünde dieLampe dort an, ich—Diese Kuh,— so ein verständiger, gutmütiger Haus-frauenausdruck,—— die Katze da,— die putzt sich undspinnt und macht sich über den Ruf ihres lieben Nächsten her.— Hu! nun kommen wir zu den Karikaturen der Stadt,—zu den Ticrmenschen."--Er redete, breitete Skizzen aus und arrangierte eineAusstellung auf dem Bett, den Stühlen und dem Tische.„Nach Paris muß ich. Du sollst sehen, nur ein Jahr,Vater, draußen in der Welt— das wird einen unendlichenUnterschied machen."„Ein Jahr, Junge, das sollte genügen? Die Sache mußgründlich angefaßt werden, wenn etwas daraus werden soll.— Ich bin auch Deiner Ansicht, daß Du hauptsächlich Talentfür die Tierinalerei hast.— Da sind ein paar sehr berühmteTiermaler, Du,-- van de Velde und Rosa Bonheur."—„Ach diese alten!-- nein, nein, nein, jetzt giebt eseinige moderne Maler, die sich so daraus verstehen, daß—"„Ja, man muß sich an das Beste halten,— an das Allerbeste.— Brauche Deine Augen, Du,— mach' es nicht wiedie andren.-- Es ist vielleicht dumm, das zu sagen,—aber wenn Du das, was in Dir sitzt, so recht gründlich ausbildenkönntest,— ohne dabei gleich so dumm hochmütig zu werden,Abraham,— so könntest Du es vielleicht zu etwas Tüchtigembringen. Tu.-- Es ist gewiß am klügsten, sich auf einGebiet zu beschränken,— glaube ich,— diese Tiere."---„Weiß Tante Sophie es?" rief Abraham plötzlich.„Nein, aber ich finde. Du mußt gleich reisen, Abraham,—es ist schon spät genug im Jahre!— Hat sie Einwendungenzu machen wegen Deiner Ausrüstung und Deiner Wäsche,—so kehren wir uns nicht daran; sie muß sich in der Beziehungbegnügen!Tu kannst ein Dutzend Hemden und Strümpfe von mirbekommen, und Dein Zeug kannst Du Dir in Paris machenlassen. Ich bin nun nicht eher ruhig, als bis ich Dich losbin. Junge, und weiß, daß Du Dich auf dem rechten Wegebefindest."Abraham machte einen ausgelassenen Luftsprung.„Sammle nun die ganze Geschichte zusammen. Die Uhrist, weiß Gott, über drei!-- Ach nein, laß es bis morgenfrüh liegen.--Du, Abraham," lächelte Johnston nickend,„es wird mireine unendliche Erleichterung sein. Dich morgen nicht auf demComptoir zu sehen!"„Mir auch!" sang Abraham durch die Stille des Hausesund sprang die Treppe hinan.Er versank in eine» tiefen Schlaf, gleichsam von einemweichen, köstlichen Daunenkissen in das andre sinkend, bisins Unendliche.VIII.Gjertrud saß draußen auf der Gartentreppe und reinigteeine Schüssel mit Erdbeeren, die sie unten gepflückt hatte.und die Mutter hatte ihren Korbstuhl ins Freie gerückt undsich in Thiers' Geschichte der Revolution vertieft.„Begreifst Du, wie sie den Landrat bei Johnstons be-hausen können, Mutter?" fragte Gjertrud,„jetzt, wo sie diealte Frau Malcolm und den Verwalter vom Eisenwerk zuBesuch haben?"„Ach, sie nehmen es ganz natürlich. Der Landrat istja ein Verwandter der verstorbenen Frau. Und für eineNacht— bei diesem herrlichen Sommerwetter! Sie habenja zum Beispiel die neue Gartenstube."„Aber die ist ja noch nicht einmal fertig!— und nurein Bett in dem leeren Raum, das können sie ihm doch wohlnicht gut bieten."„Ich bin gar nicht so ganz sicher, daß Johnstons es sogenau damit nehmen. Sie sind so glücklich natürlich undsicher, so wie die Menschen einander gegenüber sein sollen,finde ich;— wir sind ja schließlich doch nur alle Menschen."„Ach ja. Menschen, Mutter!-- Aber es ist etwasWahres in dem, was der Vater sagt,— Johnston könntesich ebenso gut gleich ein ordentlich großes Haus unten inder Straße bauen,— Geld genug hat er jetzt doch,— stattbald hier, bald da ein Zimmer anzuklecksen und zu flichm."„Sie sind so grundverschiedene Naturen, der Vater under,— dies Ansiedeln ist nun einmal nichts für Johnston.Er verändert gewiß seine Gewohnheiten nicht, und sollte ernoch so reich werden.-- Und ich kann es mir so gut denken,daß weder er noch die altmodischen Sachen vom Eisenwerksich etwas daraus machen, in einem stattlich neutapezierten,frischgemalten Haus unten in der Stadt zu paradieren. Diealten Eschen hinter dem Hause,— und der Garten, den erso hübsch in Ordnung gebracht hat,— nein, ich glaube wirk-lich, es würde ihm nicht leichter, jetzt das alles zu verlassen,—was die schweren Zeiten hier mit durchgemacht hat,— alsdamals von dem Eisenwerk fortzuziehen--"„Ich denke mir," unterbrach Gjertrud die Betrachtungender Mutter,„ich denke mir, ob sie ihn nicht doch oben aufAbrahams Dachstübchen einquartieren werden. Es ist freilichniedrig da, und die Wände sind mit allerhand sonderbarenTapeten bedeckt," lachte sie;„aber diese Aussicht über dieStadt und den Fjord."—„Möchte wohl wissen, ob Abraham noch zuweilen an dieAussicht denkt," sagte Frau Vratt sinnend.„Er hat manchekummervolle Stunde an dem Fenster verbracht. Er war jawie ein Gefangener, vor dem die Welt verschlossen da lag."