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Das sollte ich auch meinen," entrüstete sich Mama. Spielen Sie sich doch nicht auf, nehmen Sie die Falle und fort mit dem Jur." " Nee, ich kann aber nich; dann kann's ja der Willy machen," jammerte die Müller. Ich kann det nich anfassen, jnädige Frau mir schuddert so."

" Ich werde das Kind die Maus fortbringen lassen." Mama wurde ernstlich empört; in ihr Gesicht stieg eine zornige Röte: Ich will Ihnen mal was sagen, Müllern, entweder Sie thun die Arbeit, die man Ihnen aufträgt, oder Sie lassen das Arbeiten bei mir überhaupt sein. Ich frtege alle Tage Arbeitsfrauen, das lassen Sie sich gesagt sein." Sie erhob ihre Stimme.

" Na eben," stimmte Adele bei, so viel Geschrei um eine Maus, das ist ja lachhaft. Dann nimmt man sich' ne andre Aufwärterin. Die Portierfrau hat mich schon gefragt, ob sie nicht die Stelle be­tommen fann."

" Ich faß' ihr nich an," beharrte die Müller, denn kommt| Musikbande das Nahen der roten Brautsänfte. Sobald diese am einen der Schwanz an die Finger.. Nee!" Sie schüttelte sich vor Hause anlangte, erfolgte das übliche Abbrennen von Raketen. Die Entsetzen. Sänfte wurde in das Empfangszimmer getragen und hier aufgestellt, ,, Gott, das ist ja aber einfach albern," rief Adele. Sie stand worauf man rote Teppiche von der Thür der Sänfte bis zum Zimmer noch immer auf dem Schemel: Thun Sie doch nicht so etepetete, der Braut legte. Eine ältere vornehm aussehende chinesische Dame das haben Sie doch wirklich nicht nötig." trat nun an die Sänfte und sprach einige beglückwünschende Worte. Hierauf wurde die Sänfte von Frauen geöffnet und die Braut herausgeführt. Ihr Kopf war in einen dichten roten Schleier gehüllt. Die Dienerinnen führten sie nach dem Brautgemach, wo sie sich neben den Bräutigam auf eine Kante der Bettstelle sezte. Einige Minuten später begab sich der Bräutigam wieder in das Empfangszimmer und stellte sich vor einen Tisch; auf diesem brannten zwei ungeheuer große rote Kerzen, ferner lagen dort zwei kleine Hähne aus weißem Zucker, ein Paket Gabeln, ein Spiegel, eine Schere, ein Fußmaß, eine Kapsel mit einer Geldwage und zwei durch eine rote Schnur miteinander verbundene Becher. Nun wurde die Braut hereingeführt; sie nahm zur Rechten des Bräutigams Platz. Beide fielen jetzt viermal gegen den freien Himmel hin auf die Knie, wechselten die Plätze und knieten abermals viermal nieder. Dann wurden sie einander gegenüber gestellt und wiederholten von neuem das viermalige Niederknien. Eine der Zofen nahm nun die mit der roten Schnur verbundenen Becher, goß eine Mischung von Wein und Honig mehrere Male von einem Becher in den andren und brachte dieselben abwechselnd an den Mund des Bräutigams und der Braut, ohne daß diese jedoch wirklich daraus tranten. Auch die Zuckerhähne wurden beiden hin­gehalten und dabei Glückwünsche ausgesprochen. In gleicher Weise wurde mit Gabeln, Spiegel, Wage usw. verfahren. Hierauf führte man das Brautpaar unter Vorantragen der roten Kerzen nach dem Brautgemach, worauf der Bräutigam nach dem Empfangs­zimmer zurückkehrte. Jetzt wurden die Gäste eingeladen, die Braut in Augenschein zu nehmeit. Schwere goldene Armbänder umschlossen ihre Handgelenke, ihre Fingernägel waren mit langen goldenen Blättchen bedeckt, ihr Kopf war mit Gold und Perlen geputzt, ihre Kleider waren elegant und kostbar. Den Gästen zu Ehren hoben die Zofen ihr sogar die Füße empor, die von reich gestickten Schuhen umschlossen waren. Die Sohlen waren genau zwei Zoll lang. Die Damen behaupteten, die Braut sehe recht gut aus. Der Bräutigam und sein Vater machten inzwischen den Freunden des Hauses die üblichen Bücklinge. Am Abend wurden die Gäste zu einem Feste eingeladen, an welchem über zweihundert Freunde der Familie teilnahmen.-

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" Nu ja, ich mach's ja schon." Die Müller knickte ordentlich zusammen. Dann wer' ich das Vieh ersäufen." Sie trocknete sich die Hände an der Schürze ab, faßte die Mausefalle mit dem Feuer hafen und warf sie in den Aufwischeimer. So, nu is se dot, aber Sie fassen ja so was auch nich an, jnädige Frau, Sie nich und' s Fräulein auch nich." Sie sagte das Leyte nicht laut, sie brummelte es nur vor sich hin, die Mama hatte es aber doch gehört, sie drehte sich in der Thür noch einmal um:" Wollen Sie was? Was wollen Sie? Hören Sie mal, Müllern, werden Sie nicht frech! Wollen Sie sich etwa mit meiner Tochter und mir vergleichen? Wir sind Damen, aber solcher Arbeiterfrau, wie Ihnen, kommt es wirklich absolut nicht zu, so furchtbar albern zu sein."

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Kunst.

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Die Allein Seligmachende. In einem Feuilleton Artikel Münchener Eindrücke" schreibt Richard Muther in dem Wiener Tageblatt Die 3eit": Max Lieber­ mann spielt bekanntlich in der freien" Berliner Kunst ein wenig die Rolle wie in der offiziellen der Kaiser. Er dirigiert den Ge­schmack. Er hat es, geistvoll und anregend, dahin gebracht, daß die Leiter der Kunstsammlungen seinen Worten ebenso viel Gewicht wie die Kritiker und die Besitzer der Kunstsalons beilegen. Nun, ich ver­ehre Mar Liebermann. Ich erkenne Cassirer an. Ich halte auch Manet und Monet , Cezanne und Degas für sehr große klassische Meister. Aber muß deshalb die alte Wahrheit vergessen werden, daß viele Wege nach Rom führen? Ist das Reich der Kunst nicht so weit, daß auch mancher, der nicht Impressionist ist, darin Plazz findet?

Die Entwickelung der neuesten Kunst vollzog sich, wie ich glaube, fehr logisch. Wir danken den Impressionisten, daß sie einer akademisch erstarkten Kunst eine neue, auf selbständige Natur­anschauung begründete entgegensetten. Wir danken es ihnen, daß ste durch ihr Studium der Tonwerte unser Auge für ganz neue Har­monien, für ganz neue Klänge empfänglich machten. Doch da es im Wesen jeder Kunstrichtung liegt, daß sie, das Eine betonend, anderes außer acht läßt, war das Programm des Impressionismus zu modi­fizieren und zu erweitern. Man sollte Freiluftszenen im Freien malen. Schön. Doch die Bilder famen in Innenräume, und da wirkt Freilicht oft brutal. Man sollte dem Lichtleben bis in seine feinsten Nuancen folgen. Schön. Doch was half es, wenn die Bilder nur wie ein undeutliches Chaos wirkten? Man sollte nicht abgehen von der Natur in dem Gutdünken, daß man solches aus sich selbst heraus besser machen könnte". Schön. Doch was wurde daraus, seit das ewige Kopieren einer langweiligen Natur die Künstler ebenso sehr wie das Publikum anödete? Ein Bild soll kein Störenfried, fein Loch in der Wand" sein. Nein, es soll angenehm wirken, es soll schmücken, erfreuen, nicht nur durch das, was es dar­stellt, auch durch den Rhythmus seiner Linien, durch den Wohlflang der Farbe. In dieser Richtung hat sich, auf den Errungenschaften des Impressionismus weiter bauend, die Malerei ganz Europas bevegt. Die Pariser, die Schotten und Dänen, die Münchener und Wiener sind einig. Da kommt es im Grunde doch post festum, wenn man in Berlin jezt Manet entdeckt, die Specialität eines Kunsthändlers zur allein seligmachenden Kunst stempelt.

Völkerkunde.

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Humoristisches.

-Wahres Geschichtchen. Im Vorortzug nach Basing springt lustig und neugierig ein zehnjähriger Junge von Fenster zu Fenster; die Mutter ermahnt ihn sehr oft und eindringlich in fran­zösischer Sprache, bis der Sprößling zur Antwort giebt! Red' beutsch, i versteh' Di' net."-

- Aus Gendarmerie Anzeigen. Er stand in einer Ecke des Saales, umgeben von niemand.- Der Beschuldigte gab auf Vorhalt der unwahrheit die Ehre. -

-Seine Deutung. Rentier Samotschiner hört, wie sich seine beiden Söhne, die von Posen zu Ferien daheim sind, über Fragen der Metrit streiten.

Hast De gesehen", sagt er zu seiner Frau, machen die Jungs e Geschrei, ob die Trochän sennen lang oder korz, wie a Wichtigkeit! wie wir sennen gewesen klain, hat me viel auf solche Narischkeiten gegeben!" Aber Bater", sagt Morib, man muß doch ganz genau wissen, was Trochäen find". Wie a Schwierigkeit", erwidert der Vater, und indem er sich erhebt, sagt er, jedes Wort mit einem Schlag auf den Tisch bekräftigend:" Troch än is, wie me im Schwein findet."

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Notizen.

( Jugend.")

- Volksfestspiele sollen im nächsten Sommer am Fuße der Weibertreu bei Weinsberg stattfinden. Das Spiel, das die bekannte Sage von den treuen Weinsberger Weibern be­handelt, wird auf einer in die Landschaft eingebauten Bühne mit der Burgruine im Hintergrund stattfinden. Verfasser des Stücks iſt tedakteur H. Streich in Heilbronn .

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Die Mörides", ein dreiaktiges Drama von Paul Apel , erlebt Mitte Juli im Breslauer Lobe Theater die Erstaufführung. Die Bayreuther Festspiele 1904 bringen: Tann­ häuſer "," Parsifal " und den Ring des Nibelungen".-

gc. Eine chinesische Hochzeit. Stürzlich wurde in der vornehmen Gesellschaft Shanghais eine Hochzeit gefeiert, von der Die Wiener Hofoper plant für die kommende Saison ein als Gast anwesender französischer Arzt eine anschauliche Neueinstudierungen der Opern Templer und Jüdin" und Schilderung entwirft. Der Sohn eines Mandarinen heiratete die" Der Vampyr ". Tochter eines reichen Großkaufmanns. Umfassende Vorkehrungen

Eine ungewöhnlich große Feuerfugel wurde waren für dieses außerordentliche Ereignis getroffen worden. Der am Sonntagabend, furz vor Mitternacht, auf der Königstuhl- Stern­Vater des Bräutigams fandte der Braut Geschenke im Werte von warte( Heidelberg ) beobachtet. Sie hinterließ einen etwa 20" 2-3000 Dollar. Die Aussteuer der Braut bestand aus kostbaren langen Lichtstreif von Vollmondbreite, der langsam nach Süden zog. goldenen Armbändern, goldenem Kopfpub mit den blauen Erst nach etwa fünf Minuten war der letzte Lichtschein ver­Federn des Königfischers, bielen Koffern mit fostbaren Seiden- und schwunden. Satingewändern, mit schönen Stickereien, und einer Sklavin zur Bedienung der Braut. Am festgesetzten Tage gegen 10 Uhr begann die Ankunft der geladenen Gäste. Bald verkündete eine chinesische Verantwortlicher Redakteur: Carl Leid in Berlin . Drud und Verlag:

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Die nächste Nummer des Unterhaltungsblattes erscheint am Sonntag, den 5. Juli.

Vorwärts Buchdruckerei und Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW