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„ Wir zahlen also 16 Mark pro Woche und werden im geeigneten Augenblick nicht versäumen, Zulage zu bewilligen."
Wiederum als Antwort nur einige zusammenhanglose Worte, welche wohl vollste Zufriedenheit ausdrücken sollten.
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" Ja, und," begann jener wieder, auf Ihren Anzug, den wir mit 30 Mark Borschuß bezahlt haben, zahlen Sie je nach dem, wie viel Ihnen möglich ist wöchentlich zwei bis drei Mark ab; ich habe diese Woche drei Mark in Abzug gebracht, 35 Pfg. Krankenkasse und 15 Invalidenkasse, macht zusammen 3,50 Mart, bleibt also 12 Mark und 50 Pfennige. Dann flirrten einige Silbermünzen auf dem Zahlbrett, die mit einer gewissen Bietät heruntergenommen und eingesteckt wurden.
Eine Wonne überlief den ehemaligen Sträfling, als er jeht, nach langer Zeit, wieder einmal Geld in Empfang genommen, das er sich ehrlich erarbeitet. Er hielt es in der Hosentasche noch in der Hand.
Ob es viel Geld war oder wenig, daran schien er im Augenblick gar nicht zu denken; aber es war Geld, richtige harte Thaler, die ihm niemand fortnehmen konnte; er hatte sie redlich verdient.
Was heute noch zu arbeiten war, wurde mit fliegender Haft erledigt und eine gewisse stimmungsvolle Vorahnung bemächtigte sich der Gemüter. Dort wurde in einer flüchtigen Bause schnell noch eine Partie zu morgen verabredet und dort besprach man sich über die Einzelheiten einer längst verabredeten.
Auch der neue Kollege wurde von seinem Nebenmanne, mit dem er im Laufe der Woche schon einige Worte gewechselt haben mochte, zur Beteiligung an einem Ausflug aufgefordert; doch wurde dies freundliche Anerbieten unter Hinweis auf die gegenwärtig noch allzu geringe Bekanntschaft mit bestem Dank abgelehnt.
Die Motivierung dieser Ablehnung erschien dem einladenden Kollegen sehr wenig maßgebend, doch er mußte sie eben gelten lassen; der andre aber ließ die linke Hand in die Hosentasche gleiten, um eine fleine Prüfung vorzunehmen, ob noch alles in der Tasche war die schönen harten Thaler.
Es war ihm, als verdoppelte sich die Freude, wenn man sie zweimal gemustert.
Und wieder hielt er die Hand in der Hosentasche.
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In seinem kleinen möblierten Zimmer war Schwindt eben angekommen. Er griff in seine linke Hosentasche und legte mit einem Griff sämtliche Silberstücke auf den Tisch. Es waren 3 Thaler, 1 Zweimartstid, 1 Markstück und 1 Fünfzigpfennigftück.
Die Thaler legte er extra.
Die gehäkelte Dede auf dem Tisch wurde ein wenig beiseite geschoben, weil es den schönen, feinen Klang des Silbers zu sehr beeinträchtigte. Dann wurde jeder Thaler auf seinen Kelang probiert; fie flangen alle drei rein und flar wie Mädchenstimmen. Und während der glückliche Besizer des Geldes die Jahreszahlen der einzelnen Münzen nachfah, durchzogen die verschiedensten Gedanken sein Gehirn, was man wohl alles für einen einzigen Thaler kaufen könnte. Vor allen Dingen könnte man sich einmal eine Pfeife und Tabak leisten. Das müßte ein wirklicher Genuß werden.
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Während Frau Müller durch die Brille hindurch die Geldstücke musterte und eines nach dem andern flappernd verschwinden ließ. schien sie die Erfüllung vieler Wünsche mit den harten Thalern einzuftreichen. Sie wünschte für den heutigen Sonnabendabend noch ein bißchen Amüsement und als sie sich nach freundlichem Abschied entfernt hatte, war fast der ganze flingende Lohn für diese Arbeitswoche verschwunden; auf dem Tisch blieb nur noch das Zweimarkstück liegen.
"
Ach ja, die Wäsche," murmelte Schwindt. Ich werde wohl etwas kaufen müssen, erst wenigstens noch ein Hemd; mit diesem einen geht es doch nicht an. Was wird so ein Hemd kosten? 1,50 Mart, mehr darf es nicht kosten; sonst bleibt ja gar zu wenig übrig. Na, und heute ist es ja doch schon zu spät zum Einkaufen. Wenn auch die Geschäfte noch stundenlang geöffnet waren, so suchte er doch nach einem Grund für sein Versäumnis und redete sich selbst das Nächstliegende ein:" Heute ist's wohl schon zu spät." Er ging in seinem Zimmer auf und ab und suchte nach einer Beschäftigung, die ihn von seinen Gedanken abbrachte.„ Wenn ich eine lange Pfeife hätte, würde ich jetzt Pfeife rauchen." Er setzte fich auf einen Stuhl am Fenster und während er hinausblickte, zählte er die Monate aus, seit denen er keinen Tabak geraucht hatte. Es kommen wohl an die 6 Monate zusammen. Drei Monate dort..., dann sechs Wochen die herrliche Walze, mitten im Winter, und vorher wieder vier Wochen das ruhige, unheimliche Haus mit den hohen Mauern.
,, Aber jetzt wird alles anders. Jeht haben wir wieder Arbeit, jezt kann ich Tabak rauchen in meiner freien Zeit."
Doch er hatte den Gedanken noch nicht zu Ende geführt, als ihm die Wäsche wieder einfiel. Er griff wehmütig auf den Tisch nach dem übriggebliebenen Silberstück, betrachtete es mit fragender Miene und steckte es in die Hosentasche.
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( Fortsetzung folgt.)
Kleines feuilleton.
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Holteje,
Sprachliche Eigentümlichkeiten in Nassau . Der Frankfurter Zeitung " wird geschrieben: Die hervortretendsten Eigentümlichkeiten des nassauischen Dialekts bestehen einmal in der starken Angleichung der Konsonanten, zum andern in der Brechung und Trübung der Grundvokale. Infolge der starken Angleichung der Konsonanten werden einzelne Wörter so verstümmelt, daß ihre Herkunft kaum zu erkennen ist. Aus Hennethal wird Hehnel, aus Holzhausen aus Adolfseck Rolsed, aus Hohenstein sogar Huchstaa. Elisabeth heißt kurz Lisbeth oder Lis. Margarete Grete oder Grit, Anna Margarete heißt Annegrit. Bemerkenswerter noch ist die Trübung der Bokale, wie sie schon das Wort Hohenstein Huchftaa zeigte. Eu lautet au( heute haut, Scheune Schauer) oder auch ei ( Heu Hei), o= u( hoch= huch), ei= aa( Weizen Baas), ei a oder ä( Fleisch Flasch oder Fläsch ), i= ei ( ich eich), ü oi( Kühe Koi), ebenso au oi( Säu Soi), u= 0( Hund Hond), eh ih( Reh Rih), a= o( Wachs Herrgott! Wie lange schon hatte er nicht geraucht. Die Pfeife Wochs) c. Wie sehr der Vokal ein und desselben Wortes oft innerwird vielleicht 1,50 M. bis 2 M. fosten und für 1 M. Tabak ach, halb fleiner Bezirke wechselt, sehen wir an den beiden Wörtern. das reicht ja auf Monate, braucht ja kein ganz guter zu sein. Das Lahn " und" regnen". Hier heißt der nassauische Hauptfluß Lahn , ist also eine einmalige Ausgabe und dann ist man für lange Zeit da Leh, dort Loh oder Luh. Hier regnet es, dort aber rihrt's, versorgt. rahnt's oder rehnt's. In manchen Gegenden Nassaus wird ei nur Für den zweiten Thaler was könnte man da kaufen? ei gesprochen, was besonders beim Gesang geradezu widerlich klingt. Doch die Beantwortung dieser Frage war noch weit im Felde, als Ebenso ist's mit dem" g", das in manchen Bezirken auch in der sich nach kurzem Anklopfen die Thür aufthat und Frau Müller, die Vorfilbe" ge" als sch gesungen wird, 3. B. geliebt= scheliebt. z. Zimmervermieterin, erschien. Silber flingt nämlich sehr laut: wenn Charakteristisch ist die Steigerung des Eigenschaftswortes" weiß" man harte, flangvolle Thaler auf das Holz des Tisches auffallen läßt, und die des unbestimmten Zahlwortes nichts". Weiß" so klingt das durch die Stubenthür hindurch, ja sogar durch die nächste hat nicht drei, sondern vier Steigerungsstufen und steigert: Thür, bis ins Zimmer der Frau Müller, die, einen schwarzen Strickweiß, schnee- oder auch schneiweiß, schneehogelweiß, schneehigehogelstrumpf bearbeitend, am Fenster saß und beim Klimpern des Geldes weiß. Nichts wird im nassauischen Dialatt mittaa Keit" aus mit der Erfahrung einer älteren Zimmervermieterin kalkulierte: gedrückt und steigert taa keit, taa tottie Keit, taa tittse, fottse Keit. " Haben ist besser, als friegen. Sonnabends reicht's gewöhnlich noch Noch finden wir überall das mittelalterliche heint( Nacht) und als zur Miete, Sonntags sind die Herren nicht zu sprechen und Mon- Anredewort nicht das aus dem Englischen genommene„ Sie", tags ach ja, Montags... Dann woll'n wir's lieber Sonnabends sondern die altdeutsche Form Ihr". Mit Ihr" redet nicht nur helen." der Einheimische den Fremden, sondern auch das Kind seine Eltern, Baten 2c. an. Die dritte Person männlichen Geschlechts des persön lichen Fürwortes„ ich" heißt nicht er", sondern" he", die des weib Schwindt hatte aber wohl erkannt, was das bedeutet. Ohne lichen und sächlichen nicht sie" und" es", sondern ihs". Vater und Phrase ging er sofort zur Sache:" Ach ja, Frau Müller, wir hatten Mutter heißen Vodder und Modder, Großvater und Großmutter aber ja ausgemacht, daß ich wöchentlich bezahle; also, was bekommen Abbe und Ahle. Gehen wir aber etwas weiter nach Norden in den Sie, fommen Sie nur her!" Das Wetter war nun plötzlich voll- Kreis Biedenkopf, so wird hier der Vater Knan, Knenne oder kurz kommene Nebensache geworden und mit dem wehmütigsten Gesicht, mit dem sie unmöglich hätte über Regen oder Sonnenschein weiter plaudern können, erklärte sie, daß sie wirklich nicht billiger könne. Die andren Frauen verlangen alle 11 Mart; aber sie wird mit 10,50 Mark zufrieden sein.
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So stand sie nun da, halb dreist und halb verlegen. Es ist schönes Wetter heute draußen.
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Enne, der Großvater der Grußenne, die Mutter aber Moirer oder Moiter, die Großmutter Ahlmoirer oder Altmoiter genannt. Jedes Dorf hat neben seiner amtlichen Benennung auch noch eine volksmundliche, ebenso jedes einzelne Haus; ja jedes einzelne Familienglied hat neben seinem Vor- und Zunamen einen oft sehr treffenden, " Ja, ich glaube, so war's auch veranschlagt; volle Bension meist aber wenig schönen Unnamen. Bloofeuß Blaufüße( nach 10 Mart und 50 Pfennige." den dort getragenen blauen Strümpfen benannt), Nißkrämer, Speck" Jawohl, Herr Schwindt, ohne Wäsche; denn das Waschen-mäuler, Hindelsbächer, Schmiertäsmäuler 2c. find Ortsbenennungen, wirklich, Herr Schwindt, wenn man alt wird, es wird einem alles zu die in charakteristischen Eigentümlichkeiten der Dorfbewohner oder viel; die Wäsche kann ich nicht mitbesorgen." in mehr oder weniger humorvollen Borgängen ihren Ursprung haben. Wer in einem Kreisstädtchen an dem Oberlauf der Lahn nach dem basen mit dem langen Schwanz, in dem Taunusdörfchen Hennethal nach dem Bar( Bär) oder in der Wisper nach dem Schlüssel fragen würde, um die hier mit Brettern zugenagelte Welt aufzuschließen, der würde sicher keine freund
" Nun ja, ich glaub's schon." Dann nahm er die drei schönen harten Thaler, das Markstück und das 50 Pfennigftück, legte es bedachtsam beiseite und meinte:" So, Frau Müller, 10 Mark und 50 Pfennige." Der Ton der Stimme hatte etwas an sich, was sich nicht recht definieren ließ. Es flang wie ein tiefinneres Seufzen.