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Es ist mir oft, als befäme er so ein abscheuliches, ab-| doch eene Ehre drinne seh'n, feinen Hauswirt zu balbieren. Aber fcheuliches Doppelgesicht. Ach,-er thut mir so unsagbar er hat gar tee' Schenie, er is' e' gang bumm'liger Määrsad. leid," stöhnte Frau Bratt. Derweg'n kommt'r ooch uff teenen grienen Zweig." " Nu," machte Herr Kreher,"' s wird sinn,' s fein ihe viele löcher oder mit'n Schiff die Elbe nuff. Da möcht'r uff den Dienst Fremde im Ort. Se woll'n uff die Bastei , un' in de Schweden­spannen."

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Er liebt und haßt Johnston gleichzeitig. Es ist etwas Wahnsinniges darin. Und dann fürchte ich," flüsterte sie geheimnisvoll, daß etwas zwischen ihn und Johnston getreten ist, etwas unbegreifliches, woran der Vater die Schuld trägt.-

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Ich fühle, wir sind in etwas Böses hineingeraten, Gjertrud, in etwas, was die Welt nicht sieht. Ja, der Vater ist frank, frank, unzurechnungsfähig, besessen," sie schluchate, ,, bon einem verzehrenden Neid besessen.

Sie vergrub ihr Gesicht in dem Schoß der Tochter. " Das ist ja genau so wie mit mir und Abraham," plakte Gjertrud plötzlich heraus. Sie saß ganz versunken da und starrte mit den dunklen Augen in eine ganze Welt hinein. Sie kannte es nur zu gut. Es war, als griffe plötzlich eine eiserne Faust in ihre Brust, so daß man wie mit einem Schlage ein ganz andrer Mensch wurde, verschlossen, steif, fremd. Mit einem prophetischen Auge schaute sie aus der Tiefe ihres Herzens in das des Vaters hinüber, wie durch eine Fensterscheibe.- Eifersucht- Neid nur zwei verschiedene Bratroste dieselben wahnsinnigen Qualen! Hatte sie nicht schon ihre eigne Liebe getötet? schrie es in ihr. Sie streichelte leise den Kopf der Mutter, als habe sie einen kleinen Vogel vor sich.

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Ach, wie entsetzlich traurig das doch war! Die Mutter war aufgestanden und wanderte in der Laube hin und her.

" Ich habe daran gedacht, Gjertrud, ob man nicht an Abraham schreiben müßte? Johnston ist in der letzten Zeit so schwach geworden und sieht so bedrückt aus. Wenn ich ihm schriebe, oder" sie sah die Tochter still forschend an, was meinst Du, Gjertrud, glaubst Du, daß es anginge, wenn Du ihm schriebest? Was hältst Du für das beste? Er sollte gewiß nach Hause kommen. Ich finde wirklich, daß es ganz notwendig ist, ihm einen kleinen Wink zu geben, wie sehr sein Vater seiner Gegenwart bedarf. Wenn Du schreiben wolltest, Gjertrud, so

" Ich, Mutter? Ich sollte schreiben

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jett?"

Es lag vor ihrem Blid wie ein langer eingeschrumpfter, zerrissener Faden zwei, drei Jahre für ihn in einem wogenden, buntbewegten Leben, voller Spannung und Ehr­geiz zwischen heute und jenem Tage auf der Landstraße. Sie, daheim in der kleinen Stadt, war seinem Gedankenkreis ent­wachsen, ein längst abgestreiftes Ideal.

( Fortsetzung folgt.)]

( Nachdruck verboten.)

Sonntagmorgen.

Von Emil Rosenow .

Herr Kreher, der Rentier und Hausbesizer, saß in der Wohn­ftube, ihm gegenüber in der Sofaede stricte seine Frau an einem Strumpf. Herr Kreher war in Hemdsärmeln, ohne Kragen. Er hatte schon seine Sonntagshose an, und am Hafen hing bereits der sauber gebürstete Sonntagsrock. Denn Herr Kreher war fromm und wollte in die Kirche gehen.

Die Haare brauchte er nicht mehr zu bürsten, dieweil er feine mehr hatte, und sein Kopf so tahl war wie ein Porzellanteller. Aber um Kinn. Backen und um den Mund, mit den dünnen geizigen Lippen, hatten sich die Stoppeln der Woche angesammelt. In regelmäßigen Abständen fuhr Herr Kreher mit der Hand über Kinn und Backen, zog eine Grimasse und warf dann einen mißvergnügten Blick auf den Tisch, wo Kragen und Krawatte sauber neben einander Lagen.

Tja, tja," machte Kreher und tätschelte ungeduldig seine Knie. Dann redte er den Hals und blickte durch das niedrige Fenster auf die Straße, über die bereits die ersten Kirchgänger zum Marktplak und zur Kirche hinunter gingen.

,, Er kommt noch immer nich'," sagte er.

Frau Kreher legte den Strumpf in den Schoß, schob die Brille auf die Stirne zurück und meinte:

Weefte. wenn de nu emal so gingst

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Aber ihr Mann warf ihr einen strafenden Blick zu. Am Sonntag und in der Kirche unrasiert erscheinen die Gevatterschaft würde ja eine ganze Woche Stoff zum Klatschen haben!

Dann fagte Herr Kereher: Jch thät ja ieberhaupt nich geh'n, aber m'r hat doch emal seinen Platz in der Kerche bezahlt, da mecht m'r' n ooch ausnußen."

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Seine Frau fchlug ärgerlich auf den Tisch. Js' das ieber­Haupt e' Balbier*** he? Er wohnt bei uns zur Miete, da sollt'r

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" Wie das ihe bei uns is'," sagte die Frau, da thät sich e richt'ges Balbiergeschäft verlehnen."

" Hm... hm. Wenn's Sommer is', da sprech' ich: ja. Aber im Winter, da thät so e' Gesc iftsmann nich' de Miete verdienen. Reite, Herr Streher redte sich hierbei, nich' e' bill' großstädt'sch Die hiesigen, die lassen wachsen, was wächst. Wenn wir besseren dächten un' uff den äußer'n Menschen hielten, da wär'sch gleich gar nischt. Da muß m'r denn zefrieden sein, wenn d'r Zigorr'lmacher fich mit'n Balbieren uff'n Sonntag eene fleene Nebenbeschäft'gung macht."

Frau Kreher stricte wieder. Nach einer Weile entschied fie: Was d'r Körner is' mit seine fünf Kinner brauchen fann' rs." " Na freilich, brauchen kann' rs. Un' fier das bill' Stube un' Da foll'n m'r Küche bezahlt er mir doch eene scheene Miete. ihm nur seinen Verdienst lassen. Een and'rer Mieter giebt m'r nich die Hälfte, was m'r d'r Körner an Miete giebt." Die Frau wollte etwas erwidern, da sie aber gleichzeitig einen Blick auf die Straße warf, stockte sie und rief:" Ihe tommt'r!" Gott sei Dant," seufzte Herr Kreher, setzte seinen Stuhl mitten in die Stube und hockte sich drauf. Derweilen polterte jemand die Trppe herauf, es flopfte, und ein schmächtiger Mensch trat ein. Er war der Cigarrenmacher Körner, der zugleich das Barbiergeschäft im Ort versorgte, indem er Sonntags von Stube zu Stube lief und seine Kundschaft suchte. Sein Gerät trug er war voller Seifen- und Delflecke. in einem Wachstuchpäcklein in der Hand. Sein dürftiger Rock

scheiden, und dann ging er auf den Tisch zu, um sein Gerät hin­ Tag ooch, Herr Kreher, Tag, Frau Kreher," sagte er bes zulegen.

Frau Kreher schob an einer Ecke die Plüschdecke zur Seite, damit sie ja keinen Fleck bekomme, und meinte verdrießlich: M'r woll'n in die Kerche un' dad'rbei kann m'r uff Ihnen lauern.

Der Barbier holte eine Serviette aus der Tasche und packte sein Messer aus." Ja, Se mechten entschuld'gen, Frau Kreher un' Herr Kreher, aber wie das ihe is'... m'r ha'm de Fremden­saison. Im Gasthof sein' ne Masse Durchgangsgäste un' da mecht' m'r sich ooch nischt machen, säh'n Se... Spricht der Oberkellner: m'r doch' s Geschäft mitnemm'n. Na, un' aus'm Warten darf der Herr is noch uff seinen Zimmer, er wird glei' kommen... na, da muß m'r ä'm warten, bis' s' n wird passen."

Er band Herrn Streher die Serviette um." Denn, säh'n Se, mei' lieber Herr Kreher, bei so' nem feinen Herre da ſetzt' s leicht ' nen Neigroschen Drinkgeld."

Er sagte das mit besonderer Betonung. Aber Herr Kreher machte dazu ein Schafsgesicht, während seine Frau ärgerlich sagte: " M'r zahl'n, wat's tost' Fertig, Feuerbach!"

Nu freilich, nu was denn, Frau Kreher," lenkte der Barbier ein, ich sag' ooch nur eso." Und er begann seinen Hauswirt energisch einzuseifen.

Als er damit fertig war, begann er sein Rasiermesser am Leder abzuschleifen. Dabei schweiften seine trockenen Augen traum­verloren in die Ferne, über seinem bekümmerten Gesicht lag ein sehnsüchtiger Bug. Er hielt plöglich inne und sagte:

Wissen Se, Herr Kreher un' Frau Kreher, wenn m'r se die reichen Leite sitt, die de so zu ihr'n Vergniegen reisen, da merkt m'r doch erscht, was m'r fier e' armer Mensch is'. Gene Dame war im Gasthof, mit ener Bluse ganz aus Seide un' französ'sche Spiken... un' eenen Gürtel mit eenen schweren goldenen Schloß, un' dazu eenen weißen Rock, eso eenen feinen Stoff ho'' ch ieberhaupt noch nich' gefah'n. Un' dadr'zu weiße Schucke... se spricht: wenn se se dreimal angezog'n hätt, nachh'r schmeißt se se weg nee! Un' die andern Damen.! Hüte mit echte Straußen federn, un' Diamantohrringe. Un' wenn se die Rechnung bezahlen, eegal Goldstücke un' eegal Goldstücke."

.. Nee,

meinte mit giftigem Neide:" Wer wees, wo se's herha'm Herr Kreher machte ein paar lüsterne Augen, die Frau aber .. die Großstadt ihre Klunker verdienen, das is' manchmal nich' fein." Menscher! Da thun se sich dabei dicke. Aber wie die sich in d'r

finger an der Nase und zog so seinen Kopf zurecht. Dann be=

Der Barbier faßte Herrn Kreher mit Daumen und Zeige­gann er seine linte Wange mit dem Rasiermesser zu fragen. Plötz lich hielt er wieder inne und ohne Herrn Krehers Nase loszulassen, sprach er wieder zu der Frau:

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Wiffen Sie, Frau Kreher, m'r staunt richtig ieber die Leite. Der Reichtum, nee der Reichtum! Die Leute ha'm's ja eso, gut uff d'r Welt. E' Armer kann's im Himmel nich' besser ha'm wie die' s uff d'r Welt ha'm. Das is' ja e' Vergniegen un' e' Ver­gniegen, das is' e' Amuſemang un' e' Amuſemang. Da giebt's gar kee' Gefiße bei die Leite."

" Ja, ja," sagte Frau Kreher und prüfte mit schlecht vers hehltem Aerger die Strickmaschen ihrer Strümpfe. Der Barbier aber redete weiter: