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Da is' e' Herre aus Berlin   dagelväsen. Der hat eenen ganz weißen Schafettanzug an ganz weiß. Un' graue Schucke hat er dazu. Un' wo mir die Weste ha'm, da hat er eene breite rot­seidene Binde ieber'n Bauch un' oben druff een goldgesticktes Mono­gramm. Uff eemal springt' r uff un' macht Spettafel... er hat feine Kravattennadel verloren. eene Nadel fier dreihundert Mark. Un' da sprechen se doch ieber ihn, er soll's bei der Poll' zei melden. Aber er spricht: Ach was! Futsch is' futsch!" Denken Se fich emal, Herr Kreher, eene Nadel fier dreihundert Mark, un' er spricht: Futsch is' futsch."

Herr Kreher begann plötzlich zu pusten und stotterte durch die Nase: Sag' emal, mei' lieber Kerner, Du meenst wohl, ich wär' e' Uchse, weil de mich eegal am Nasenring hältst? ,,

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Der Barbier ließ des Nentiers Nase los. Entschuld'gen Se gietigst, Herr Kreher, entschuld'gen Se. Das is e' so e' Sunstgriff von mir. Je fein m'r fert'g. Er frakte ihm das Kinn frei. Dann holte er Wasser herzu und begann ihm sein Gesicht abzu­spülen. Plötzlich stockte er wieder.

Die Leite, nee die Leite! Unsereens hat gar teenen richt'gen Begriff, wie viel Geld' s in der Welt giebt. Da sikt m'r nu mit feiner Frau un' finf Kinner. Finf Kinner, Herr Kreher. Sie ha'm feens, Sie wissen nich', was es fier' ne Miche kost' aber se uffzeziehen, das is' erscht' ne Miehe! Ei du lieber Gott  !..." Herr Kreher löste die Serviette und rieb sich Wangen und Kinn. Ja, ja, mei' lieber Sterner, dafor ha'm mic nu widder and're Sorgen."

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,, Mir, Herr Kreher. jatoll, mir... Aber die Leite, Herr die Leite!" Er strich den abgetragten Seifenschaum vom Finger in eine Blechbüchse und klappte sie zu. Dann legte er seufzend seine Serviette zusammen. Da is' eener," erzählte er, der war zwee Monate in Karlsbad  . Jhe macht er zur Nachkur durch die sächsische Schweiz  . Uff'm Prebischthor un' dem Winter­ berg   is'r schon gewäfen. Nu macht'r ze Schiffe nach Seenigsteen. Denn will'r nach Loschwiz' nunter, da hat' r im Hotel uff sechs Wochen' ne vierzimm'rige Sommerfrische gemitt! Was das' e Geld fost'! Un' wenn m'r so zuheert, da geht's eegal: Norderney Heringsdorf. Brenner Italien  . Was die Leite sich bieten können... nee, nee!"

Steiermark  

Von dem reichen Streher sprach er gar nicht mehr. Vor dem märchenhaften Glanze des fremden Reichtums sanken die Rentiers­Leute förmlich zu Bettlern herab. Auch die Krehers empfanden das. Er guckte verdrießlich dem Barbier zu, sie aber erhob sich würdevoll und sagte langsam:

" Mei' lieber Kerner, ich will Sie mal was sagen: mir ha'm ooch unser Geld... mir ha'm mehr, wie mancher gloobt, wenn die Frau Kreher ooch nich' in Seide leeft un' der Herr Streher feene Diamantringe hat. Mir ha'm unser Geld nich in der Großstadt ertvorben, mir ha'ms ehrlich im Ort verdient un' im Ort läben m'r d'rvon un' schmeißen's nich' uff Vergnügungsreisen' cum. Das halt ich vor' ne Gottlosigkeet un' for' ne Sinde. Sei' Geld soll m'r beisammenhalten un' hat m'r was übrig, da soll m'rsch an die Be­dürft'gen geben. Jawoll, mei' lieber Kerner. Wohlzuthun und mitzuteilen vergesset nicht. eso steht's geschrieben, un' eso denten die Krehers, weil se noch Christen sein. Un' nu wär' ich mich emal anzieh'n un' in die Kerche geh'n.

Würdevoll ging fie hinaus. Herr Streher aber sagte:" Das war emal e' Wort. Das unterschreib'' ch Sah for Satz." Er suchte in der Westentasche." Was kost' denn' s Balbieren? Noch immer' nen Nengroschen?" Er reichte das Groschenstück hin. Da hier, mei'

lieber Kerner."

" Ich dank scheene, Herr Kreher, ich dank' scheene," sagte der Barbier und wickelte seine Sachen zusammen. Nee. Ihre Frau

***. also Ihre Frau... nee, das is' eene Frau!"

" Ja, ja," sagte Herr Kereher. Er stand vor dem Spiegel und machte seinen Stragen vor. Der armselige Mann am Tische druckste eine Weile. Dann nahm er sich ein Herz und sprach:

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Wissen Se, was Ihre Frau da gesagt hat das war mir grade wie eene Predigt, Herr Kreher,' ne richt'ge Erquicung war'sch." Ja, ja." Herr Kreher band die Krawatte bor. Un' das gibt m'r ooch Mut, Herr Kreher, denn fäh'n ich ho' schon mit Sie sprechen wollen.

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Was hat' s denn, mei' lieber Kerner?" Nu. da doch morgen d'r Erschte is' Mietszins nich gesamm'n un' bring' s nich'. am' meinen fünf Birmern kann ich's eemal nich' wollt ich recht scheene bitten, Se mechten' n geduld'gen sich den Monat."

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.. un' ich bring' den Mit meiner Frau erwürgen. Un' da Einfäh'n ha'm un'

den Mietzins halb geschenkt, un' den woll'n Se coch noch gepumpt ha'm? Un' dabei läßt sich mei' Mann bei Sie balbier'n un' gibt Sie etwas ze verdienen?" Sie schlug auf den Tisch. Wenn er nich' pünktlich dehie liegt, nachh'r fliegen Sie' naus! Fertig, Feuerbach!"

Die Krehers schritten hinaus. Die Kirchenglocken läuteten feierlich. Sie gingen langsam nebeneinander die Straße entlang über den Markt und in die Kirche. Der Barbier stand demütig im Hausflur und sah ihnen nach. Droben hörte er seine Kinder schreien, und er mußte fich die Augen wischen.-

Kleines feuilleton.

1k. Grunewaldflora. Das hohe Ansehen, dessen der Grune­ wald   sich bei den Botanikern zu erfreuen hat, beruht auf der reichen Vegetation der Moore, die sich an und zwischen seinen Seen lagern; es giebt viel des Eigentümlichen darin. Im Gegensate hierzu ist der Pflanzenwuchs des eigentlichen Grunewaldbodens recht arm an Arten, so daß man schon eine ziemliche Strecke wandern muß, ehe man einen Strauß beisammen hat, in dem wenigstens drei Farben vertreten sind. Dafür ist die Zahl der Individuen einzelner Arten um so größer. Zunächst müssen wir uns erst etwas aus dem Revier der Butter­stullenpapiere entfernen. Wo viele Fußtritte den sonst so festen Waldpfad in nachgiebigen Mulm verwandelt haben, flieht die Wege­tation zurück. Aber schon ein paar Meter ab vom Wege wogt ein Meer von zierlichen, zwei Fuß hohen rötlichen Halmen der Wald­schmiele unter den Kiefern, so weit das Auge reicht. Die zierlichen Rispen, aus deren Aehrchen kurze Grannen hervorragen, sind charakteristisch für die Kiefernwälder der Mart. Die Waldschmiele stellt den Hauptanteil der Grasvegetation des Grunewaldes, während andre Gräser, wie das Wiesenruchgras, das im Walde sonst eigentlich nichts zu suchen hat und einige andre Gräfer, die fast nur auf Lateinische   Namen hören, nur ab und zu in Menge auftreten. Zwischen den Halmen schimmern hier blaue Glockenblumen, dort kleine rote Nelken und die gelben Blütenwölkchen des Labkrautes; die rötlichen Blüten des Quendels oder wilden Thymians pressen fich dem Boden an. Ab und zu tritt ein Bestand des Adlerfarrns nicht leicht auf, der weil er hier der einzige seiner Gattung ist mit einem andren Farrn verwechselt werden kann. Die Versuche, einen solchen Farrn mit den Wurzeln auszuziehen, mißlingen stets, die Wurzeln gehen erstaunlich tief. Dicht unter dem Ende des Stengels bricht der Wurzelstock ab. Ein Querschnitt mit dem Meffer zeigt die eigentümliche, wohlbekannte Anordnung der Gefäßbündel, deren Figur man mit einem Doppeladler zu vergleichen beliebt.

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Unter den starken Eichen, die als trübseliger Rest einstiger Laubwaldpracht des Grunewaldes zwischen den Kiefern zerstreut Der fleine herumstehen, sieht die Vegetation etwas anders aus. Sauerampfer bildet hier Kolonien und die große Brennessel stattliche Gebüsche. Beides sind nicht gerade Waldpflanzen und besonders die effeln gedeihen sonst nur auf Standorten in der Nähe menschlicher Niederlassungen, weil sie eines Bodens bedürfen, der mehr oder weniger durch tierische Ausscheidungsprodukte gedingt sein muß. Das Auftreten im Walde unter hohen Eichen erklärt sich daraus, daß unter den schutzgewährenden Laubdächern die Tiere des Waldes lagern und es daher an den angedeuteten erforderlichen Bedingungen zum Gedeihen der Brennessel nicht fehlt. Der Grunewald   soll Volkspark werden, das Wild wird nach andren Orten übergeführt, und mit seinem Verschwinden werden auch die Brennesseln unter den Eichen des Grunewaldes eingehen. So hängen oft Dinge zusammen, die bei oberflächlicher Betrachtung nicht die mindeste Verbindung mit einander zu haben scheinen.

gc. Besuch eines altrömischen Bades. In seinem soeben er­schienenen Werke: Die Geschichte des Badewesens" schildert der Berliner   Arzt Dr. Bäumer sehr anschaulich den Besuch eines alt­römischen Bades. Diese, die Thermen, sind nicht Badeanstalten in Seunserm Sinne, sondern eine Stätte für geistige und körperliche Aus­bildung und Erholung. Sie enthielten nicht nur Baderäume, sondern auch Bibliotheken, Kunstsammlungen und Plätze für Leibesübungen. Die Wasserflächen der Schwimmbassins in den römischen Thermen erreichten eine Größe, mit der verglichen auch unsre größten Bade­anstalten nur winzig flein erschienen. Einige Zahlenangaben mögen dies verdeutlichen: Die Thermen des Diokletian bedeckten eine Grundfläche von 125 000 Quadratmeter, die Wasserfläche des Schwimmbassins 1700 Quadratmeter. Die entsprechenden Zahlen für die Thermen des Caracalla find 124 000 Quadratmeter und 1300 Quadratmeter. Vergleichen wir damit eine der größten Schwoimmanstalten Deutschlands  , die in Dortmund  , so bedeckt diefelbe ein Areal von 1100 Quadratmeter und die Fläche ihres Schwimm­bassins 290 Quadratmeter. Nachdem wir das Eintrittsgeld, einen Quadrans, etwa 5 Pfennige, entrichtet haben, legen wir in dem Ankleideraum, Apodyterium, unsre Kleider ab. Wir betreten nun das Tepidarium. Eine laue, wohlthuende Luft umweht uns hier. An den Wänden entlang stehen bequeme Bänke von Meisterhand aus Marmor oder Bronze gebildet. Wir lassen uns behaglich nieder, um mit Freunden und Bekannten, die wir zahlreich hier antreffen, die Zeit zu verplaudern. Der ganze Raum hat etwas außerordentlich Behagliches, Wände und Decken sind reich mit Skulptur und Malerei

Herr Kreher hatte den Rock angezogen. Sein Gesicht lag in steifen Falten. Un' am nächsten Erschten da wird Sie's noch schwerer, zwee Monat Mietzins uff eemal ze bezahlen un' ich gud' in den Mond. Nee, mei' Lieber, das gibt's e' fier allemal nich'." Herr Kreher, ich bitt' Ihnen recht... tvenn Se denken, was Ihre Frau gesprochen hat

Der Rentier wehrte energisch ab. Was meine Frau gesprochen hat, das meent se ganz im allgemeenen un' das geht uns hie mischt an."

Frau Kreher war wieder eingetreten, im Sonntagsstaat, das Airchengesangbuch in der Hand. Was is' denn?" frug sie.

D'r Kerner will den Mietzins gestund't ha'm."

Die Frau rang nach Worten. Was is' das? D'r Kerner hat woll' nen Affen? Die scheene Stube un' Küche ha'm mir Sie fier!