nung ballistischer Zeiten als besonders brauchbar erwiesen und wird sllr militärische Zwecke vielfach benutzt, da er eine genaue Berechnung der Geschwindigkeit fliegender Ge- schösse ermöglicht. Boulenges Instrument zeigt auf einem Stativ zwei Elektromagneten, durch die je ein schwacher Strom geschickt wird, so daß sie gerade noch im stände sind, einen längeren und einen lürzeren Eisenstab zu trage». Der kürzere Stab setzt beim Herabfallen ein Messer in Thätigkeit, das in den vorbei- aleitenden längeren, mit einem Zinkmantel versehenen Stab eine Marke schlägt. Aus der Entfenuing dieser Marke vom Endpunkt des Stabes wird die Fallhöhe und damit tabellarisch die Zeitdauer des Vorganges bestimmt. Die Anordnung des praktischen Experiments ist herbei folgende: quer über die Geschützmündung ist ein Draht gespannt, durch den der zum Festhalten des längeren Stabes nötige Strom fließt. Die Scheibe, auf die das Geschütz gerichtet wird, ist mit Staniolstrcifen belegt, durch die der zum Ziagen des kürzeren Stabes erforderliche Strom geht. Wird jetzt das Geschütz abgefeuert, so zerreißt die Kugel den Draht und unter- bricht damit den ersten Strom: der längere Stab beginnt zu fallen. In dem Augenblick, da das Geschoß in die Scheibe schlägt, unter- bricht es(durch Zerstörung des Staniols) den zweiten Strom: der kurze Stab fällt, schlägt das Messer heraus, und dieses markiert den Fall an dem längeren Stabe. Aber solche kurzfristigen Zeitbruchteile kann man nicht nur genau mesien, man kann sie auch dem Auge sichtbar machen. Und diesem Zweck dient ein von P o u i l l e t konstruierter Apparat. Pouillet bedient sich kurzer, aber starker Ströme, die die Nadeleines Galvanometers ablenken. Aus der Galvanometernadel ist ein durch ein Glühlämpchen beleuchteter Spiegel angebracht; der Reflex des Lichtes fällt in Streifen auf eine große Skala. So kann man die Taufendstel-Sekunden bequem ablesen. Auch in der neueren Mo m entPhotographie hat man ein ausgezeichnetes Mittel. Vorgänge, die sich in Bruchteilen von Sekunden abspielen, in ihren für das bloße Auge längst nicht wahr- nehmbaren Einzelheiten festzuhalten. Daher sind denn die Kinematographen, Mutoskope u. s. f. in gewissem Sinne gleichfalls Meßapparate. Man ist heute im stände, photographische Platten von solcher Empfindlichkeit herzustellen, daß zu ihrer Belichtung nur eine Tausend st el-Sekunde genügt. Leider vermag die Praxis aber diesen Vorteil noch nicht völlig auszunützen; immerhin ist es schon gelungen, bis zu 200 Aufnahmen in einer Sekunde zu machen. Die ersten Momentaufnahmen dieser Art verdanken wir A n s ch ü tz. Er verwandte als Momentverschluß ein Wachstuch- rouleaux mit einem minimalen Spalt, der, an der Platte vorüber- gleitend, eine der Zeit nach momentane Beleuchtung gestattet, und photographicrte mit mehreren, neben einander ausgestellten Apparaten. Zu eigentlicher Vervollkommnung entwickelte sich jedoch das photographische Verfahren erst durch E d i s o n S Erfindung der sogenannten„Film s", so zu sagen einer endlosen photographischen Platte. In dem Edinsonschen„Kinematographen *(zu deutsch etwa: Be- Ivegungszeichner) werden die auf dem Film photographisch fixierten Momentaufnahmen kontinuierlich bei der Reproduktion abgewickelt und dabei mit einem Glühlämpchen beleuchtet. Das Edinsonsche ReProduktionsverfahren wurde dann wiederum durch die Brüder Lumisre(Paris ) verbessert und zwar durch eine sinnreiche mechanische Vorrichtung, die den Film ruckweise weiterbewegt, wo- durch die Dauer der Belichtung jedes Bildes verlängert wird. Sah man in dem Kinematographen zunächst nur eine hübsche Spielerei, so hat sich dieses Metzinstrument doch sehr bald eine hohe wissen- schaftliche Bedeutung gesichert. Vor allem gelang es damit, komplizierte physiologische Bewegungen, wie Gehen, Laufen, Fliegen usw. in die ein- zelnen Komponenten zu zerlegen und dem Auge sichtbar zu machen. WaS die genialen Brüder W. und E. Weber einst mathematisch-theoretisch berechneten, hat der Kinematograph als richtig erwiesen, z. B. daß wir beim gewöhnlichen Gehen zuerst mit der Ferse den Boden be- rühren, und dann, die Zehenspitzen voran, die gekrümmte Fußsohle folgen lassen usw. Ucbrigens würde sich der Apparat sehr wohl auch als Zeitmesser verwerten lassen, wenn es sich um Berechnung hoher Geschwindigkeiten auf kurze Strecken— beim Wettrennen etwa um den Lauf durchs Ziel— handelt. Die Zahl der auf- genommenen Bilder pro Sekunde ist bekannt; läßt man den Apparat in der Aufnahmegeschwindigkeit reproducieren, so ergiebt die Differenz zwischen den. Ersten und dem Erscheinen deö Zweiten den Zeitabstand, der sich leicht berechnen läßt. A. H e i l b o r n. Kleines feuilleton. dg Eine Störung. Doktor Markwald warf dem Stuben- mädchen Hut und Ucberzieher zu. Vor dem hohen Korridorspiegel blieb er stehen, rückte an der Krawatte und fuhr noch einmal ordnend mit der Hand durch das Haar. Er sah verärgert aus; aber die Falten auf seiner Stirn glätteten sich, als hinter ihm die Flügelthür aufging und ein paar helle Mädchenstimmen riefen: »Papa I Papa!" Zwei Backfische kamen herausgestürmt, niedliche Mädchen von dreizehn, vierzehn Jahren in rosa Batistkleidern. Sie hingen sich in seine Arme und jubelten:„Na endlich, Papa.. Es ist gleich zehn Uhr. Wir haben schon auf Dich gewartet. Nun komm aber schnell, Großmama ist auch gekommen. Wir haben doch schon angefangen zu esien, Papa.* Sie hingen sich in seine Arme und zogen ihn nach dem Border« zimmer. Er folgte ihnen scheinbar widerstrebend und ihrem stürmischen Drängen wehrend, aber dabei strahlte sein Gesicht vor Glück. In dem großen Erkerzimmer brannte die Hängelanstie. Der Abendtisch war gedeckt, nicht gerade verschwenderisch, aber doch gut und reichlich. Die beiden Damen ließen das Besteck sinken, als der Vater mit den Kindern auf der Schwelle erschien. Frau Doktor Markwald rief:„Na, endlich I Was gab es denn nun eigentlich wieder?* und die Großmama meinte zärtlich besorgt:„Daß Du so lange aufgehalten wurdest. Deine Eier sind ganz kalt geworden, mein armer Junge!" Sie nannte ihn noch immer mein Junge, ob- gleich er dicht an die Vierzig war. „War es wirklich so gefährlich?* fragte Frau Doktor, indem sie dem Gatten Butter und Brot präsentierte. Er ließ sich in den bequemen Armstuhl gleiten, den die Kinder ihm schon zurecht rückten, und stieß ein Knurren aus. Es hörte sich genau so an, wie ein höchst respektloidriges:„Die Gans l" „Ach so,* sagte Frau Doktor Marlwald und lächelte Verständnis- voll:„Ihre Zufälle I* »Ja Zufälle." Der Doktor brach los:„Um aus der Haut zu fahren ist es l Gar nichts, rein gar nichts I Hat sich aufgeregt— um's Dienstmädchen wahrscheinlich oder um einen neuen Hut. — Worüber regt sich das nicht auf?'ne kalte Douche wär's beste. Aber nein, der Doktor muß kommen, was verschreiben, das sieht nach was aus vor dem Herrn Gemahl I* Er war wütend. „Es ist unerhört I* sagte Großmama entrüstet,»und darum läßt sie Dich vom Abendbrot wegholen!" „Das macht Frau Hartwig immer so I" fiel Frau Doktor Mark- wald ein,„sie macht es auch bei den Kindern so. Wenn ihr Mädel zu viel Konfekt genascht hat, muß Erich noch nach Mitternacht kommen, um schließlich— Brechwein zu verschreiben. Ja, die ver- steht's, dem Dottor zuzusetzen." „Die würde ich doch aber an Deiner Stelle gar nicht mehr be- handeln," sagte Großmama. „Würde ich nicht?" Er lachte kurz auf:„Und der Ausfall? Meine beste Pattentin? Nein, da heißt es schon sttll sein und sich fügen." „Sie giebt ihm doch immer zweihundert Mark im Jahr. Mutterchen," belehrte Frau Doktor die Schwiegermama.„Das zählt doch und noch dazu in diesem Viertel, wo die reichen Patienten so rar sind und sonst fast nur Kasscnkranke kommen. Und Hausarzt beim Fabrikbesitzer Hartwig, das ist auch'ne Enrpfehlung." „Aber wild werden kann mau doch," fiel der Doktor nach einer Pause ein,„sich so reinweg zum Spielball von Weiberlaunen machen lassen zu müssen; es ist unerhört!" „Na, nun ärgere Dich nur nicht länger," beruhigte Großmama. „jetzt sind wir ja wieder gemütlich zusammen. Sieh mal, hier ist so schöner Lachsschinken." Sie hielt ihm das Brett hin und er langte zu. Er hatte seine gute Laune wieder. „Jetzt wird ja auch keine Störung mehr kommen," sagte Frau Doktor.„Schwerkranke hat Erich momentan nicht. Wenn also nichts Besonderes vorkommt..." „Es wird schon nicht," sagte der Doktor und schob den Teller zurück;„wir werden nachher musizieren." „Ei ja, Papal" Die Mädchen Latschten in die Hände.«Und vorlesen?* »Und vorlesen!" Er nickte ihnen zu. »Es soll recht nett werden", meinte Frau Doktor und erhob sich. „Na— was? Da kommt wohl doch noch wer?" Sie horchte auf, draußen an der Flurthür schlug die Glocke an, laut und schrill, als würde sie in größter Angst gezogen. Gleich darauf hörte man das Mädchen die Thür öffnen und mit jemand unterhandeln. „Paßt auf, mit unserm netten Abend ist es wieder nichts I" klagte Großmama. „Dann Hilst es auch nichts," sagte der Doktor:„Der Arzt ge- hört der Pflicht, und wenn ein Unglück vorliegt.. Nun, was giebt es denn?" Er wandte sich dem Mädchen zu, das in der Thür er- schien. Sie sagte:„Hier ist die Tochter vom Tischler Metz , Herr Dottor, und sie sagt, ob Herr Dottor denn nicht noch mal rüber kommen wollen, und. „Vater hustet so, Herr Doktor," ein schmales Mädchen drängte sich schluchzend an der Dienerin vorbei,„und Vater hat gar leme Lust nich, und nun meint Mutter, wenn er man nich stirbt, und. „Ach Gott bewahre, es stirbt sich nicht so leicht!" Doktor Markwald war vorgetteten.„Was ist denn los? Er hustet ja doch immer und die Atemnot ist seine Krankheit. Ich hab's Euch ja gleich gesagt, gebt ihn in's Krankenhaus, Ihr habt ihn ja doch fm aus der Kasse." „Aber das will doch Vater nun nich, und er sagt, er will doch nich wech von uns. sonst stirbt er noch eher... und... und... Mutter sagt, der Herr Dottor möchte doch kommen, und mal sehen." Die Kleine schluchzte. »Ist ja gar nicht nöttg. Legt ihm den Kopf hoch, daß er im Bett sitzt, ich bin um S Uhr da gewesen und komme morgen früh, jetzt ist es nicht nöttg, ich Hab' auch noch'ne Konferenz.* Seine Stimme klang unmuttg. „Aber Mutter memt, Vater wär' viel ruhiger, wenn der Herr Dottor kommen thäten." Die Kleine schluchzte stärker. „Vater wird auch so ruhig. Ihr müßt Geduld haben, immer Geduld; bei Krankheiten muß man Geduld haben. Denkst Du,
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20 (29.7.1903) 146
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