Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 150.

2]

Dienstag, den 4. August.

( Nachdruck verboten.)

Die Achenbacher.

Roman von Anton v. Perfall.

Als Lenz endlich den Achenbacher erblickte, torkelte er in seinem Entfeßen über die Bank herab, gerade zu seinen Füßen; dieser stieß ihn rauh mit dem Bergstock zurück.

B'soffene hab'n heut da nir 3'schaff'n, Posthalter," sprach er den Wirt rauh an. Das könnst do schon wiss'n. Naus mit dem Kerl!"

"

Da trat der Lehner vor, käseweiß, die blauen Augen spielten jetzt ins Grüne.

Mein Bruader is, der Lenz. Schau Di a bißl um, Achenbacher"

Der pflanzte seinen Bergstock vor ihm auf wie ein Schlachtschwert. Das macht' n net nüchtern und Di schwerli zum Bürgermeister. Sollt ma wenigstens moana. Uebrigens is neun Uhr, und der Bezirksamtmann wart' schon oben auf Herrn."

die

-

Er betonte das letzte Wort sarkastisch, dann wandte er fich und ging die Treppe hinauf mit ganz Osterhofen  . Der Lehner stand noch immer unbeweglich auf seinem Play. Haft ihn g'hört? Trittst no z'ruck? Hast Du's g'sehn, Deine Freund, wia f' ihm zug'stimmt hab'n?" drang man Lehner starrte noch immer auf den Platz, wo sein Tod­feind gestanden.

in ihn.

Da habt's mi!" rief er dann plötzlich, die Arme aus­streckend, und daß i Eure Interessen vertret', dafür steh' i Euch, so wahr i der Lehner bin! Jetzt kommt's!" Er sah um sich. mein',' s langt."

1903

Diese Wahl bedeutete einen Umschwung aller Dinge, der ganzen Dorfpolitik, eine neue Zeit, und jeder fühlte, daß nur Verrat das Spiel gewonnen die Ueberläuferei Lehners!

Dieser selbst erschien verlegen, und als ihn der Vor­fizzende fragte, ob er entschlossen sei, die Wahl anzunehmen, antwortete er erst ausweichend, ob er es wohl leisten könne- und die Arbeit am Hof sei halt alles z'viel- aber wenn man halt meinet­

Erst als der Amtmann auf ein flares Ja oder Nein drang, ließ er ein mattklingendes Jawohl" vernehmen. Der Blick des Achenbacher drang ihm durch und durch.

Dann folgte die Wahl des Ausschusses. Auch hier fiel der Achenbacher durch, der Sieg der Seehammer war ein voll­ständiger, der Sieg der Fremden über die Einheimischen, der Sieg der neuen über die alte Zeit.

Der Achenbacher verließ mit seinem Anhang, ohne eine Spur von Erregung, den Saal.

welche sich aus den widersprechendsten Regungen ergab, auf Der Lehner trat in einer plötzlichen Gefühlsaufwallung, ihn zu und reichte ihm die Hand.

Lorenz,' s thut mir leid, mei Will'n war's wirk­lich net-"

Der Achenbacher ergriff die Hand nicht.

,, Da braucht Dir nir z'leid z'thuan," erwiderte er. Wia's

iet herschaut, is für unser ein' koan G'schäft, Bürgermeister bachern sitzt das G'wand all's 3'fest. Du hast eh' net 3'viel am 3'sein. Da heißt's den Bauern ausziehn, und bei die Achen­Leib, da is glei g'wechselt. Und jetzt wünsch' i Dir Glück, Er eilte die Stiege hinab, ohne eine Antwort abzuwarten, die ohnehin ausblieb, so verdutzt war der Lehner über diese schmachvolle Abfertigung vor allen Leuten. " Das g'schieht Dir grad recht. Wenn'st heut schon an

Lehner."

Das Leben des ganzen Thales hatte seit einem Jahr- fangst, fann's guat werd'n! Dazu hab'n wir Di grad g'wählt, hundert seine Spuren hinterlassen an den Wänden des holz- daß D' mit dem Protzen Freundschaft anfangst!" wurde es getäfelten Saales im ersten Stock. um ihn laut.

In diesem Raume drängten und schoben sich jetzt lautlos die eben noch so erregten Wähler wie in einer Kirche.

Am großen Tische saß der Bezirksamtmann in voller Uniform, ihm zur Rechten der Bürgermeister Achenbacher, starr, wie aus Erz gemeißelt. Daneben der Lehrer mit den

Aften.

"

Der Bezirksamtmann eröffnete die Wahl mit einer furzen Ansprache. Vor ihm stand eine Zinnschüssel, welche den meisten vom Hochzeitsmahl her bekannt war. Sie pflegte gewöhnlich das Morgenlünger!" zu enthalten. Heute hatte sie eine höhere Bestimmung, die der Aufnahme der Wahl zettel. Man nahte wie zum Opfer, den Hut in der Hand, darunter den Bettel, warf ihn in die Urne und setzte sich dann erwartungsvoll auf die ledergepolsterte Bank, des Ausganges harrend.

Urban Lehner trat vor. Bürgermeister Achenbacher saß gerade hinter der Urne. Die beiden Männer sahen sich einen Augenblick fest in das Angesicht, und Urban konnte eine auf steigende Röte nicht zurückdrängen. Dann schleuderte er mit energischem Schwunge den Zettel in die Urne, und gleichsam als Erwiderung darauf flog der des Achenbachers hinein. Die beiden waren die legten. Der Bezirksamtmann wartete noch kurze Zeit, dann schloß er die Wahl die ge­setzliche Zeit war verflossen entfaltete die Zettel und verlas die Namen, welche der Lehrer notierte.

-

Lorenz Achenbacher," las er den ersten. Es war der oberste, den der Bürgermeister selbst hineingeworfen, und der freie, felbstbewußte Blick desselben über die ganze Versamm lung leugnete auch nicht die Selbstwahl. Dann aber folgte ununterbrochen Urban Lehner", bis wieder ein gedrängtes Häuflein Achenbacher" kam. Weiter wurde kein Name ver­lefen. Die Hoffnung der Osterhofener auf eine Zersplitterung der Gegenpartei war eine irrige.

Der Amtmann nannte Urban Lehner als erwählten Bürgermeister von Seehamm für die nächste, am ersten Januar beginnende Periode.

So ficher man auch allgemein dieses Resultat erwartet hatte, die Thatsache wirkte doch erdrückend selbst auf die Sieger.

Nur schön langsam! Ihr sollt mit mir z'fried'n sein!" Es lag in dem Tone dieser Worte mehr verhaltene Wut, mehr Rachedurst als in den schlimmsten Drohungen.

In der Wirtsstube feierte man bereits den Sieg. Heller Jubel tönte den abziehenden Osterhofenern nach, welche sich feinen Augenblick in der Wirtschaft aufhielten.

Jept regte sich zum erstenmale der Stolz, die Genug­thuung über die Ehre, die ihm zu teil geworden, in Lehners Brust. Nach einer Reihe von Mißgeschick endlich einmal ein Sonnenstrahl!

-

Fuchti dann wird

der Lenz ihr die Nachricht bringt? Sie hatte ja nur g'heirat Was die stolze Achenbacherin dazu sagen wird, wenn und ihn verlass'n, um Bürgermeisterin 3'werd'n. wird f' werden, kreuzfuchti- z'erst! Und dann ' vielleicht denken, warum is er's denn net schon früher word'n? Dann wär' alles anders kommen, der schwache Lorenz wär' nimmer mein Mann word'n und die Kramertochter, die bleiche Cens, nimmer dem Lehner seine Frau. Und am End wird sie sich noch freu'n, daß er's word'n is, den s' so viel. gern g'habt und do verlass'n hat? Und die Cens, die wird weina und voll Angst sein weg'n der Feindschaft mit' n Achen­bacher! Dafür is eb'n a Kramertochter!

Das alles dachte er den kurzen Weg über die Treppe

hinab. In der Gaststube wurde er stürmisch empfangen, aber der Veranstalter der Ovation war der betrunkene Lenz. Die Menge, die ihm zubrüllte, bestand aus halbwüchsigen Burschen, aus Gesellen und Arbeitern, fein einziger Standesgenosse war zu sehen. Nur sein Schwiegervater kam ihm entgegen, ein kleiner, dicker Mann mit einem echten ängstlichen Krämer­gesicht, und reichte ihm in ausgelassener Fröhlichkeit die von der ständigen Beschäftigung mit Kaffee und Tabak gelb ge­wordene Hand. Er hatte nicht einmal das Bürgerrecht und war infolgedessen bei der Wahl nicht beteiligt.

"

Die Ehr! die Ehr! Meine Cens Frau Bürgermeister! D, die Ehr!" medkerte er in einem fort. Nur alles in Frieden, Lehner, das wär halt die Hauptsach. Wir G'schäfts­leut brauchen den Frieden, und die Herren Osterhofener find jo so noble Leut."