ansang gesungen und getanzt wurden. Die spinnende Königstochter.die sieben Jahre im Turm oder im Kloster zubringt, ist niemandanders als die spinnende Erdgöttin Holda, die von den Winterriesenin siebenmonatlicher Gefangenschaft gehalten und dann von demFrühling, dem Bortänzer, befreit wird aus ihrer Winterburg. Auchmit der„Frau Rose" ist sie identisch, die in dem Kindcrbrunnensitzt, aus dem nach der alten Volksmcinung die Kinder geholt werden.Aus der Vorstellung des germanischen Heidentums, wonach die Toteneine Brücke ins Jenseits führt, ist zweifellos das Brückenspiel her-borgegangen. Nach der Wahl kommen sie in den Himmel oder indie Hölle, d. h. entweder nach Walhall oder zur Todesgöttin Hol.Der Kampf, in den am Ende der Dinge die Bewohner Walhalls mitden feindlichen Mächten der Unterwelt geraten, wird durch das denSchluß des Brückenspiels bildende Hin- und Herzerren der Kinderveranschaulicht.Es erübrigt sich vielleicht noch, mit einigen Sätzen auf die mitden einzelnen Festen zusammenhängenden Kinderspiele zu sprechenzu kommen. Schon das Neujahr brachte allerlei Kurzweil, an demtollen Treiben der Fastnacht nahmen die Kinder gebührenden, manch-mal auch etwas ungebührlichen Anteil, auch etliche Schulfeste brachtenmancherlei Ergötzung. Beim„Todanstreiben" zu Beginn desFrühlings trugen die Kinder eine Puppe umher, die sie nachherfeierlich verbrannten, an Ostern und Pfingsten boten Eier und Gebäckallerlei Unterhaltung, und insonderheit brachte der Monat Mai derLust und Freude genug. Der Tag der Sonnenwende, der Johannis-tag, war ein hohes Fest für die Kinder. Unter Absingen gewisserLieder sammelte man das Holz zum Freudcnfeuer, und wenn diesesdann des Nachts hell aufloderte, tanzten Knaben und Mädchen umdasselbe und sprangen wohl auch darüber. In Nürnberg freilichmutzte im Jahre 1622 ein ehrsamer Rat diese SontUvendfeier derKinder verbieten, und es mag ja wohl sein, daß es bei solchen Feiernnicht immer ganz kindlich zuging. Bis zum Martinstag gab es fürdie Kinder der Lustbarkeiten noch viele. Der Pelzwärtel kam ingräulicher Gestalt zu den bösen und guten Kindern, und Weihnachtenist das größte Freudenfest, wie heute, so auch damals.—Th. Ebner.Kleines■pciullcton.nr. Die Witwe.„Trude! Maxe!" Frau Lemke trat, ein Wäsche-stück ausschüttelnd, aus der Waschküche und rief's in mahnendemTone ihren Kindern zu, die fich in Gemeinschaft mit andren beimSpiel vergnügten und vom Hof auf die Stratze, v/>n der Straßeauf den Hof galoppierten. Seufzend blickte die Mutter den Davon-eilenden nach i sie waren nicht zu halten, und der dreijährige Maxmit seinen komischen Pluderhosen geberdete sich am tollsten.Eine Nachbarin mit einein Säugling auf dem Arme saß in derNachmittagssonne auf dein Hauklotz; jetzt trat sie au die Thür derWaschküche:„Jaja. Sie ha'm ooch Ihre Sorje mit die Kinder.'"Frau Lemke stand schon wieder am Waschfatz und bürstete, daßdie Seifenblasen spritzten; sie nickte mit bochgezogenen Augenbrauenzustimmend zur Nachbarin hinüber:„Ick kann Ihn' sagen!" Plötzlichhielt sie mit dem Bürsten ein und hob mit einem furchtsamenAusdruck im Gesicht horchend den Kopf:„Kommt da nich dieElektrische?"Ein sausender, rollender Ton drang von der Stratze herein.„Ihr Kleener is ja hier", sagte die Nachbarin.Ein wilder Blondkopf steckte den Kopf zur Thür herein:„Mutter!Wir ha'm Zeck gespielt!" Dabei hüpfte er bald auf dem einen, baldauf dem andern Bein.„Is jut, mein Söhnekcn". Die Mutter wischte ihm das erhitzteGeficht mit der Schürze ab.„Aber jeh' nich zu weit uff de Stratze,Hörste. Nich zu wild sind. Hübsch artig!" Sie tätschelte ihm dieWangen.„So, nu spiele weiter, Mäxekcn. Mutter mutz arbeeten.—Trude I" rief sie der sechsjährigen Tochter zu, datz Du mir ja uffMaxen aufpaßt!"Die Kinder sprangen davon.„Hübscher Junge," meinte die Nachbarin.„Hat ja ooch'n hübschen Vater jehabt," lachte die Waschfrau.Aber sie wurde gleich wieder ernst und seufzte:„Man hat's nichleicht, Frau Klugen. Als mein Mann starb, lag der Kleene nochin de Windeln. Se könn'n sich denken! Früher ha'k'snick, nötig jehabt, Tag for Tag an'S Waschfatz zu steh'n und an'sPlättbrett. Jeden Nachmittag, so um die Zeit jetzt, bin'k mit deKinder in'n Park jejangen, Hab' hübsch füll uff de Bank jesessen undblas'n biSken jestrickt. Wenn mein Mann von Arbeit kam, holte ermir da ab. Heute? Ach Jott I Sowat kenne ick nich mehr. HöchstensSonntags mal. Und da is meistens ooch noch allerhand in die Wirt-schaft zu kramen und zu flicken und zu machen." Frau Lemkeschlug ein Wäschestück heftig auf dem Rande des Waschfassesaus.„Wat hilft's! Man mutz zuftieden sind, det man't Lebenhat."»Jeht Ihr Geschäft denn?" erkundigte sich Frau Kluge.„Na, Milljonär kann man ja nich bei wer'n. Aber durchjebrachtha'k uns bis jetzt noch innner so einijerniatzen. Lange fchlasen derfman ja bei det Jeschäft nich. Und meine Arme fühl' ick abends,daruff könn'n Se sich verlassen I Woche for Woche zwee Waschtage!Und die übrije Zeit ans Plättbrett!"„Det hielt ick nich aus!" beteuerte kopfschüttelnd die Nachbarin.Die andre lachte:„Dacht' ick ooch erst. Aber wenn Se müssen,jeht'S schon. Ick brauch blotz meine Kinder anzusehn, denn laß icknich locker. Wenn de Knochen ooch steif wer'n dabei." Sie versuchteden Oberkörper aufzurichten.„Ick kann mir kaum noch jrade kriejen.Es is, als ob ick'n Stock in'n Rücken habe."„Mutter! Wir spiel'n Versteck jetzt!" Max tanzte, mit Händenund Beinen zappelnd, herein, schotz aber gleich wieder jauchzendhinaus.„Anschlag for mir!"„Jott! Der Junge!" Frau Lemke schüttelte ärgerlich lachendden Kopf.„Seit der die Hosen anhat, rs keen Auskommen mehrmit'n._ Aber wat soll man machen." Sie streifte mit einein Blickdie Fenster ihrer Kellerwohnung, wo ein blasses Lehrmädchen sichmit dem Plätteisen mühte.„Soll ick die Kinder da insperrcn?"„Nee!" Die Nachbarin verneinte heftig.„Denn kann manjleich bei de Apotheke abonnieren." Sie wiegte ihr Kleines in denArmen hin und her.„Eh' man so'n Würmkeir jrotz hat-- 1"„Ja I Wenn man se blotz jrotz kriegt I Na, ick wer's ja wollnoch so lange aushalten. Sie haben doch wenigstens Jhr'n Mann,der for Alles sorit. Könn'n die Kinder'n biskc» halten und uff-passen. Ick bin schon zufrieden, wenn se nich wie de Flickpuppenrumlofen und alle Tage satt wer'n."Auf dem Hofe entstand ein Höllenlärm. Die Kinder rieten aufein neues Spiel und jauchzten wild durcheinander. Endlich einigtensie sich auf einen Wettlauf. Durch den Hausflur ging die Bahn,über die Stratze bis zum gegenüberliegenden Hause. Trude zählte:„Eins, zwei— drei!" Die Kinder stürmten los, Max wie einWilder voran.Von der Stratze drang näherkommend wieder der sausende,rollende Ton...Ein scharfes Klingeln, ein Poltern und ruckendes Schleifen...der Fahrer hatte jäh gebremst... ein entsetzter, vielstimmigerSchrei...Trude flog in den Hof:„Mutter, der Maxe!"Die Wäscherin stürzte schon schreiend an ihr vorbei hinaus aufdie Stratze, wo man den Kleinen eben hervorzog:„Maxe! Maxe l"Frau Kluge blieb, die Augen abgewandt, auf dem Trottoirstehen.„Det kommt davon," schrie der Hauswirt ihr aus seinemParterrefcnstcr zu,„wenn de Weiber nich uff ihre Jähren uff-passen I"Zitternd drückte die Angeredete ihren Säugling an die Brust.Dann wandte sie ihr bleiches, bebendes Gesicht dem Sprecher zu:„Sie woll'n wohl nich pünttlich Ihre Miete ha'm, was?"—k. Die Schärfe des Geruchs. Ucber das„Wunder des Geruchs"veröffentlicht der englische Forscher Dr. MePherson eine interessantePlauderei. Wenn man den Jäger» beim Rebhühnerschietzen zusieht,schreibt er. so ist man überrasch! über die wunderbaren Fähigkeitender Jagdhunde. Ohne ihre außerordentliche Fähigkeit, den lebendenund den geschossenen Vogel zu riechen, würde diese Jagd in derRegel nur wenig Resultate haben. Mit welch unverdrossenen! Eifersuchen die Poinlcr, bis sie auf eine verborgene Kette kommen, undmit wie wunderbarer Genauigkeit spüren die Retriever den ver-wundeteil Vogel auf! Dieser feine Geruch ist gewiß zum Teil„Instinkt"; aber Uebung und vor allem Erblichkeit thun das Ihrige.lieber den Geruchssinn ist indessen noch ivenig bekannt. DurchUebung können Droguenhändler die verschiedenen Gerüche miterstaunlicher Schärfe wahrnehmen. Nelkenöl kann bei einem Teil zu88 000 Teilen Wasser von geübten Männern noch gespürt werden,während Frauen im Durchschnitt den Geruch nur in der Lösung von1: 60 000 Teilen Wasser noch wahrnehmen können. Männer sind imstände gewesen, den modrigen Geruch von Blausäure in einer Lösungvon 1 Teil in 2 Millionen Teilen Wasser wahrzunehmen; dabei warkein chemischer Nachweis mehr möglich. Auch Insekten haben einensehr scharfen Geruchssinn. Wenn ein Weibchen von der MottenartSaturnia Carpini in einer Schachtel eingeschlossen wird, so könnenMännchen derselben Species sie auf eine englische Meiledurch all die vielfach dustende Luft des Waldes hindurchausfindig machen. Am höchsten steht jedoch der Geruchder Hunde. Der verstorbene Dr. G. I. Romanes berichtet,datz er einen Terrier hatte, der in_bcn Menschenmengendes Londoner Parkes seinen Herrn doch ausfindig machte, wenn ersich mit Umwegen vor dem Hunde verborgen hatte. Das Tier gingzu dem Platz, wo es ihn zuletzt gesehen hatte, und dann nahm esden Geruch wahr und spürte seinen Weg mit allen Windungen auf.Aus sorgfältigen Experimenten geht jedoch hervor, datz ein fein-spürender Hund den Spuren eines Mannes folgen wird, der seinesHerrn Stiesel trägt und die Spuren seines Herrn verkennt, wenndieser ftemde Sttefel an hat. Wenn steifes braunes Papieran die Sohlen und Seiten der gewöhnlichen Jagdstiefelgeleimt wird, so folgt der Hund nicht den Spurenseines Meisters, wohl aber wieder, wenn das Papier be-schädigt ist und der Sttefel den Boden berührt. Dr. RomaneSging SV Meter weit in seinen gewöhnlichen Sttefeln, 100 inStrümpfen und wieder 100 in bloßen Fützen. Seine Hündin folgtemit voller Geschwindigkeit nur deni ersten Teil der Fährte. Ebensogeschah es, als er seine Stiefel mit Anissamenöl eingeschmiert hatte,welcher scharfe Geruch den andren also nicht zerstört hatte. RomaneSmeinte daher, datz der Hund den besonderen Geruch des Schuh»leders zusammen mit den Ausdünstungen des Fußes erkenne.und nicht den besonderen Geruch der Füße oder des Körpers.Hunde riechen oft genug auf 200 Meter eine Person.Möpse, die ein verstecktes Biskuitbröckchen entdecken sollen, undTerrier, die sich in einer Höhlung, in der Ratten find, befinden,