Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 158.
10]:
Freitag, den 14. August.
( Nachdrud verboten.)
Die Achenbacher.
Roman von Anton v. Perfall.
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1903
wegung. Mach, daß D' abi kimmst. Ma wart' scho lang auf Di," ſette er dann verdrossen hinzu. Doch kaum war das Paar hinter der Krümmung der Stiege nach abwärts verschwunden, rief es oben: Pst! Pst! Rest!! Geh durch d' Sakristei. Nacha g'wahr'n s' Di net. Hast halt Not'n g'suacht."
Vor der Kirche hatte sich ganz Osterhofen um die beiden Achenbacher gesammelt. Ihre stille Würde stach vorteilhaft ab gegen die lauten Freudenkundgebungen der Gegenpartei. Es wurde beschlossen, eine Beschwerdeschrift einzureichen,
Da follerte das Gebetbuch Resls die Stufen hinab, ihre Hand haschte vergebens nach dem Strick der Turm das kleine Fenster die Schneeberge draußen- alles drehte fich im Kreis und die Glocken fingen von neuem zu fingen anin welcher man sich verpflichten wollte, alle irgendwie ge
und zu summen, da lag sie schon in Floris Armen.
" Dein Schatz, Dein Schuß für immer, fürs ganze Leb'n. Das is die Liab, Reserl, von der in all'n Büach'in steht, in jedem Liad, die a G'walt hat wia der König und do so fromm is wia a Lamm, bei der man net sag'n kann, wo kommst her, wo willst hin."
Rest lauschte regungslos der süßen Offenbarung, die so mächtigen Wiederhall fand in ihrer Seele.
Und fürs ganze Leb'n, sagst?" fragte sie in weicher Hingabe.
Was denn? Fürs ganze Leb'n und no drüb'r' naus, weit drüb'r' naus." Flori verlor sich ganz in das Beschauen des entzückten lieben Antliges.
Gar verführerisch winkte der rote Mund, und ein heftiges Verlangen stieg in ihm auf, aber seine Arme zitterten, eine heiße Glut stieg ihm in das Gesicht, und nimmer hätte er es gewagt, den Mund zu küssen.
Ein häßliches Gelächter weckte ihn aus seiner Verzückung. Abergläubisches Entsetzen packte beide. Höhnte ein böser Geist über die Entweihung des heiligen Ortes?
,, Saubre zwei Turmbögel!" ertönte die Stimme des Lenz.
Dicht unter Flori erschien das bleiche Gesicht des Burschen, aus dem alles Schlimme blickte, Haß, Neid und Wut über den Anblick, der ihm wurde.
„ Das ist wohl schon lang Euer sündhaft's Nest? Und heut' feiert's den Abschied? Na wart's, der soll Euch teu'r 3' stehn kommen! Werd'n halt no bet'n 3'guat'r Lezt, hat Dein' Muatter g'meint. Ja, des war der rechte Rosenkranz und mit so an Bürschl
Flori ließ Rest los und wandte sich drohend gegen Lenz. Nimm Di in acht!"
Sein ganzes Wesen erschien so frafterfüllt, aus seinen Augen leuchtete es so gefährlich auf, daß Lenz in seiner, jedem Angriff von oben gegenüber äußerst ungünstigen Stellung weitere Aufreizungen nicht geraten erschienen.
„ Na, wollt's vielleicht, daß der Pfarrer auf Eure Schlich kommt? Der wird Euch a faum einsegna do herob'n," bemerfte er.
Flori packte diesem Schleicher gegenüber ein trotziger Freimut. Er hätte es am liebsten zum Turmfenster hinaus gerufen, was sich eben hier vollzogen.
Wir kennen keine Schlich, wir zwei," begann er, daß der Turm dröhnte, von seiner Stimmie durchschallt. Zum erst'nmal in unserm Leb'n hab'n wir uns hier g'iproch'n, und was, sollst a wiss'n." Vergebens zerrte Rest, in Thränen aufgelöst, an seiner Joppe.
" Daß wir uns liab hab'n, daß wir nimma lass'n bon anand' s ganze Leb'n! Und das kannst überall d' erzähl'n! Mein Vater, Dein' Vater, dem Pfarrer, der ganzen G'meind'
"
Auf Renz' Antlitz versteinerte sich das höhnische Lachen allmählich zu einem häßlichen Grinsen.
" Jetzt mach Play, Du Nachteule, Du schiache, und freisch's umanand, was g'hörst hast." Flori reichte Rest die Hand und stieg herab, an dem sich feig beiseite drängenden Lenz vorbei.
Rest beugte der Schmerz, die Angst vor dem Kommenden. Als sie an Lenz vorüberging, warf sie ihm einen flehenden Blick zu.
Lenz, sei guat! that' Dir's net vergess'n," sagte sie, einen Augenblick stehen bleibend.
"
Wenn i Dein Helf'r machet, net wahr?"
Warst Du's net alleweil, selbst um Dein Leb'n?" meinte Rest.
,, Um mein Leb'n!" Lenz machte eine wegwerfende Be
forderten Veränderungen vorzunehmen und damit den vorgeblichen Hauptgrund der Verlegung des Gottesdienstes nach Seehamm aufzuheben. Lorenz vor allem erklärte sich zu jedem Geldopfer bereit. Der Westerwald solle unentgeltlich alles Bauholz liefern, und mit Bargeld, wenn's fehle, sei er auch zu finden.
Seine Opferwilligkeit wirkte, keiner wollte zurückſtehen, je nach seinen Verhältnissen. Die altersgraue Kirche, mit welcher sie sich verwachsen fühlten, erstand in neuem Glanze vor ihren Augen. Nur der alte Achenbacher sah auch darin keine Rettung.
„ Nüßt Euch all's niy," sagte er immer wieder.„ Es handelt si net um die Kirch'n, um was anders handelt sie's. Um uns'r ganz's Dent'n und Sein, das nimma paẞt in die neue Zeit. 3' End is mit'n Bauern, zur Last san ma der neuen Welt mit un'ire alt'n G'setz und Bräuch! jg,' s wird schon wieder komm'n die Zeit, wo man ihn gern z'ruckhol'n möcht', wo man ihn fuach'n wird mit der Latern, aber finden werden s' ihn nimma in dem G'wurl auf einand, in dem er si' verfor'n hat, und macha fann ma all's heutzutag, Graf'n und Barona, die höchst'n Herrn, grad kein Bauern net. Der muaß wachs'n wia d' Ficht'n", langsam, Ringl um Ringl, auf an Platz, aus dem er seine Nahrung saug'n, in dem er seine Wurzel einfrall'n kann, alle Stürm' zum Troy."
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Der Großvater hatte schon seit Jahren seine Stimme nicht hören lassen. Eine wunderbare Kraft schien über ihn gekommen, und andächtig hörte man ihm zu.
Urban Lehner sah sich aus diesem Kreis völlig ausgeschlossen; troß seiner neuen Würde trafen ihn von allen Seiten verächtliche Blicke. Er allein galt für schuldig. Der Pfarrer war erst seit zwei Jahren in der Gemeinde, von dem fonnte man feine besondere Teilnahme für die Osterhofener verlangen. Solange ein Achenbacher an der Spize stand, hätte es der Bischof jelber nicht gewagt, eine solche entscheidende Verordnung zu erlassen.
Die aufdringliche, taktlose Huldigung, welche die jungen Leute dem Lehner vor der Kirche bereiteten, war diesem höchst peinlich, er floh förmlich auf seinen Hof und übersah darüber ganz die Abwesenheit Rests. Auch Flori kam infolge der erwähnten Besprechung gerc.Se noch zeitig genug, um den Großvater heimzuführen.
Doch derselbe bedurfte kaum seiner mehr, ein neues Leben schien aufzufladkern in dem Greis, als wolle dieser morsche Leib gewaltsam sich auflehnen gegen alles, was Verwesung heißt und Absterben.
,, Merkst D' jetzt, um was' s sich handelt?" redete er in Flori hinein. Willst jest no a G'meinschaft hab'n mit dena Leut, die ihr'n eigna Stamm verrat'n Tag für Tag! Jessas, wenn i jung wär'! Wenn i jung wär'!"
" Ja, wenn Du no jung wärst," sagte Flori, dem das Herz im Leibe lachte, trotz aller Ereignisse des heutigen Tages, dann thät' i Dir a schöne G'schicht erzähl'n."
Was für a G'schicht denn?" fragte der Alte. Von zwei Turmschwalben und an Falken, der drauf g'itoß'n is," erwiderte Flori lachend.
Der Großvater blieb stehen und schüttelte das Haupt. Mei, Flori, bist Du a Kindskopf! A glückliche Zeit, d' Jugend! d'erzähl ihm, wia a ganzer Stand abstirbt, der a Jahrhundert lang in Ehr'n b'stand'n, und er von zwei Turmschwalben und an fall'n!"
Zwei Tage darauf spannte der Lehner seinen Schlitten ein. Ein großer Holzkoffer wurde aufgeladen, dann stieg Resl auf, ganz eingepackt in einen wollenen Shawl, ein rotes Bündel in der Hand.