leidenschaftliche Parteinahme. Da war eS ein fiir allemal aus. Es hätte dazu gar nicht mehr der bekannren Drohung des Vaters mit dem Achenbach bedurft, welche dieser bei der Gelegenheit nicht vergaß. „Wenn Du gehn magst, geh! I wend' Dir nir ein. Aber von die Achenbacher rührt si kein Sttkkl aus'm Stall." war der letzte Spruch des Lorenz. Flori war seit einer Woche auf der dem Hof zugehörigen Farrnalm beschäftigt. Der Vater wollte ihm die Versuchung ersparen, es entgingen ihm nicht die sehnsüchtigen Blicke des jungen Menschen auf die sich vor Seehamm erhebende, im Sonnenschein so verführerisch blitzende Budcustadt. Dazu kam noch eine unvorsichtige Aeußerung Floris,„ob man's mit dem Kranzl net probier'n soll auf der Ausstellung". Die Verbannung auf die Farrnalm war die unausbleibliche Folge. Der Platz war sonst der Lieblingsaufenthalt Floris. Er war dort aufgezogen worden, nach einer alten Tradition der Familie. Die Kraft dieses llrbodens stak in seinen Sehnen und Muskeln, kreiste in seinem gesunden Vlute, und die freie Ausficht über die gewaltige Bergwelt verlieh wohl schon dem tiefblauen Kinderauge diesen großen freien Blick, der für den Bergbewohner so charakteristisch ist. Von hier stammte'ein weiches und eindrucksvolles Gemüt, das sich nimmer entwickelt hätte in dem rauhen väterlichen Hause, von hier stammten seine unbewußten Ideale. Dieser große Friede inmitten einer kraftvollen Natur, diese massigen, kühn aufstrebenden Formen neben blumigen, sanft gewellten Weiden, diese zonngen Hochgewitter, brüllenden Stürme, in Feuerblitzen drohenden, aufleuchtenden Stein- wände, jagenden Wolkenmassen nach heitersonnigeu Tagen und feierlichen Abendröten, alle diese wechselvollen Kontraste wirkten auf das junge Herz, auf die junge Phantasie. Jede Regung seines Innern stand in Wechselbeziehung zur Natur. Lachen war ihm Sonnenschein, Zorn ein Gewitter. Jede Freude beschwor in ihm das Bild der grünenden Alm mit dem sich tummelnden gefleckten Jungvieh herauf, jeder Ver- druß einen kalten, regnerischen Nebeltag. Heuer aber war das alles anders! Diese schweigsame Einsamkeit drückte auf ihn. Nichts sprach mehr mit ihm, der Fels nicht, die Weide nicht, das Vieh nicht, selbst Kranzl blickte ihn stumm und starr an. Nicht einmal seine Stimnic weckte ein Echo. Das Feuer unter dem Kupferkessel erzählte keine Geschichten mehr, und die alte Hütte mit dem sonst so heimlichen Stiibchen gähnte so leer,„als wenn's grad jemand 'nausg'trag'n hätt'n". Er gab das Singen und Rufen bald auf und das Ins- feuerblicken. Er arbeitete wie ein„Feind", um über die Zeit hinwegzukommen, sein inneres Drängen heraus aus dem engen Almkessel, wer weiß wohin, zu beschwichtigen. Des Abends aber stieg er auf die„Platte", einen West- vorragenden Felskopf, welcher weite Aussicht bot über das Land. Da atmete sich's leichter, das unbefriedigte Drängen, das er nicht zu deuten wußte, ließ nach, die Reisen sprangen, die seine Brust förmlich einengten. Da lag die ganze Welt vor ihm. Der Achenbacherhof war nur ein winziger Fleck in dieser Weite, und das ganze Besitztum, auf das der Vater so stolz war, dessen Grenzen ein Blick umfaßte, wie verlor es sich in dieser ungemessenen Weite. Der stolze Westerwald , um den ein halbes Jahr- hundert gekämpft wurde, der so viel Haß heraufbeschworen, wie drängte er sich zu einem kleinen, grünen Hügel zu- sammen, über den hinaus ein ganzes Meer wogte von Wäldern bis an den dunstumhüllten Horizont, dazwischen blitzten unzählige Dörfer und Orte, Flüsse und Seen. Welcher Reichtum, welche Mannigfaltigkeit! Und das ist noch gar nichts, was man da sieht, das geht immer fort, über Berg und Thal, zuletzt übers Meer und auf der andren Seite wieder zurück, dabei wandte er sich gegen das weste Gipfel- meer der Alpen , über all die Schneiden und Thäler; und in einem davon mußte die Nesl sein. Das war dann das Ende seiner Weltfahrt, lieber Meere und Wüsten und Gletscher flog er in wenig Minuten, ein enges Thal, ein kleines Häusl am Bach hielt ihn dann stundenlang auf, bis die Sterne heraufwandelten, die Nacht heraufschlich aus den Thälern zu Ken verglimmenden Gipfeln. lFortsetzung folgt.)f (Nachdruck verboten.) Reklame. Von AntonTschechow. In seinem Privatcomptoir sitzt auf einem hohen Schreibstuhl der Theehändlcr Jcrschalow, ein noch nicht alter, modisch, aber ein wenig nachlässig gelleidetcr Herr, dem man es ansieht, daß er„etwas hastig" lebt. Aus dem Magazin kommt ein Lehrling und meldet: „Herr Geinim ist dal" „So? Ich lasse bitten. Aber er möchte seine Gummischuhe draußen ausziehen." Eine Minute später tritt ein alter, kahlköpfiger Mann ein mit rötlich schimmerndem, abgescheuertem Paletot, einem erfrorenen Gesicht und jenem Alpdruck der Schwäche und der Ungewißheit in den Zügen, wie man ihn gewöhnlich bei Leuten findet, die, wenn auch wenig, so doch beständig trinken. „Ah, Ihr Dienerl" sagt Jerschakow, ohne sich umzuwenden� „Was giebt's Neues, Herr Geinim?" „Hier bringe ich die bestellte Arbeit." antwortete Geinim. „Alles fertig. „So schnell?" „In drei Tagen, Sachar Semenitsch, kann man, wenn'S darauf ankommt, einen ganzen Roman schreiben. Für so'ne Reklame genügt schon eine Stunde." „Nur? Aber Geld fordert Ihr immer, als wenn Ihr Wunder was für große Mühe hättet!... Na, zeigen Sie mal Ihr Mach». werk her!" Geinim zieht einige zerknitterte, mit Bleistift beschriebene Blätter aus der Tasche und nähert sich dem Schreibtisch. „Ich habe es erst im Unreinen, in groben Umrissen. sagte er. „Ich möchte es Ihnen vorlesen. Sie können mir dann ja sagen, wenn Sie einen Fehler finden. Kein Wunder, wenn man sich mal irrt. Sachar Semenitsch.. glauben Sie's? Für drei Geschäfte gleich- zeitig Reklamen schreiben— dabei würde sich selbst ein Shakespeare irren!" Geinim setzte seine Brille auf. legt die Stirn in Falten und be- ginnt mit trauriger Stimme, halb deklamierend, zu lesen: „Saison 1902/1903. S. C. Jerschakow, Lieferant chinesischer Theesorten fiir alle Städte des europäischen und asiatischen Rußlands , sowie des Auslandes. Die Firma bestcht seit 1804." „Diese Einleitung, verstehen Sie, kommt im Cirkular zwischen Verzierungen und Wappen zu stehen.. Ich habe mal für einen Kauf- mann'ne Reklame gemacht, und der nahm dazu einfach die Wappen verschiedener Städte. Das können Sie ja auch machen, und zwar habe ich mir für Sie folgende Verzierungen ausgedacht: ein Löwe, der eine Lyra zwischen den Zähnen hält... Jetzt weiter: Zwei Worte an unsre Käufer. Werte Herren! Weder ein politisches Ereignis der letzten Jahre noch der kalte Jndifferen- tismus, welcher alle Schichten unsrer Gesellschaft mehr und mehr durchdringt, noch das Austrocknen der Wolga , auf welches erst kürzlich der bessere Teil unsrer Presse hingewiesen hat— nichts vermag unsre Stellung zu erschüttern. Das langjährige Bestehen unsrer Firma und die Sympathien, welche zu erringen uns ge- lungen ist, versetzen uns in die Lage, auf unsrem Posten aus- zuharren, unentwegt festzuhalten sowohl an unsren Verbindungen mit den Besitzern von Theeplantagcn als auch an der sorg- faltigsten, promptesten Effektuierung der uns erteilten Aufträge. Man kennt unsren Wahlspruch: Gewissenhast, billig, schnell!" „Gut! Sehr gut!" unterbricht ihn Jerschakow und rutscht auf seinem Stuhl hin und her.„Ich hätte gar nicht gedacht, daß Sie so was fertig bekommen können! Sehr geschickt gemacht! Nur, Ver- ehrtester.. hier muß man ein bischen schattieren, so in mystisches Dunkel hüllen, so.. verstehen Sic? Irgend einen Hokuspokus machen.. Wir wollen mal hier schreiben:„Die Firma hat soeben einen größeren Posten Frühjahrsthee, Saison 1903, la Auslese, er- halten..." Ja? find gleich hinterher sagen wir, daß dieser eben eingetroffene Posten schon drei Jahre in unsrem Speicher lagert, aber nichtsdestoweniger noch so frisch ist, als ob er erst vorige Woche aus China eingetroffen wäre." „Ich verstehe... Das Publikum wird den Widerspruch nicht bemerken. In der Einleitung schreiben wir, der Thee ist eben erst eingetroffen, und zum Schluß sagen wir folgendermaßen:„Da wir einen großen Vorrat Thee noch zu den früheren Zollsätzen liegen haben, so sind wir in der angenehmen Lage, ohne Schaden für unsre eignen Interessen zum alten Preise zu verkaufen..." usw. Na, und dann auf der andren Seite kommt der Preiscourant. Zunächst wieder Wappen und Zierleisten... Darunter mit dickem Druck:„Preis- courant auserlesener, aromatischer Futschau-, Kjachta- und schwarzer Theesorten, l. Frühjahrslese, bezogen aus den neucrworbenen Plan- tagen..." Darunter:„Wir möchten die Aufmerksamkeit von Fein- schmeckern ganz besonders auf die schwarzen Theesorten lenken, von denen sich besondrer Beliebtheit erfreut:„Das chinesische Emblem" oder„Der Neid der Konkurrenz"— 3,50 Rubel. Von Rosenblüten- theesorten empfehlen wir namentlich die„Bogdichanskirose"— 2 Rubel, und„Das Auge der Chinesin"— 1,80 Rubel"... Zum Schluß heißt es dann vom Rabatt und vom Abzug:„Der größte Teil unsrer Konkurrenten wirft zur Anlockung von Kunden seinen
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20 (16.8.1903) 159
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