Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 162.
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Donnerstag, den 20. August.
1903
Nochmals rückte sie das Hütl zurecht, schürzte den Rock
( Nachdruck verboten.) vor dem Spiegel, daß die schneeweißen Strümpfe hervorblitzten, dann verließ sie hastig das Gemach.
Die Hchenbacher.
Roman von Anton v. Perfall.
Die
Der Großvater saß schon wieder auf der Hausbank mitten in der glühenden Sonne. Sie hielt sich in gehöriger Entfernung von ihm, er durfte ihren sonntägigen Anzug nicht erkennen. Geh grad zur Lehnerin auf a Stund ."
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" Zu wem?"
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Im Hause tappte der Großvater ruhelos umher. Böllerschüsse von Seehamm her, welche auch sein schlechtes Gehör durchdrangen, scheuchten ihn immer wieder auf. Er fragte Burgl nach Unzähligem. Troß seines Unmutes über das Fest, welches in seinen Augen nur ein Triumph des Lehner gegenwart" ja grad drauf, daß bald dahin geht mit ihr sein Haus war, quälte ihn greisenhafte Neugierde.
Zur Lehnerin! Am Sterben is, und ihr Mann net dohoam den ganz'n Tag. Das is do was Hart's."
Das war ihre einzige Gesellschaft an so einem Tag, der schwerhörige, eigensinnige Greis. Sie stürzte sich in die Arbeit, sie schloß die Fenster und warf keinen Blick mehr hinaus. Es wäre das gar nicht notwendig gewesen, denn all der Festeslärm, das Knattern der Gewehre vom Schießstand her, das Pfeifen der ersten Lokomotive, das brausende Hochrufen der Menge übertönten die Worte Urbans:„ Herrgott, in Dein' schwarzseid'nen G'wand, in dem blauen Bruſttuach, das Du am vorigen Sonntag ang'habt, Deine feine Schuacherl, weiß ausg'naht." Unaufhörlich wiederholte sie diese Worte, selbst der Schnalzer fehlte nicht, der ihr durch Mark und Bein ging. Plötzlich ging sie in ihre Kammer, holte den seidenen Rock aus dem Kasten, den violett schillernden Spenzer, die weiß ausgenähten Stiefelchen, das blaue Brusttuch und breitete alles fein säuberlich auf dem Bette aus.
" Für' n Urban? Da kannst Dein Mitleid d'rspar'n, der
drossen.
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Der Alte zuckte mit den Achseln.
nacha
kommt an andre, die' n wieder a bißl aufricht', den Herrn Bürgermeister." ,, Sag nur glei, er hat s' umbracht," erwiderte Burgl verWünsch' und Thuan fan net so weit ausanand, als man oft glaubt, da drob'n g'wiß net." Er zeigte mit dem Finger gen Himmel. Burgl hatte ein peinliches Gefühl bei diesen Worten. Sie ging ohne Antwort dem Nachbarhofe zu. nir als Haß, bis übers Grab hinaus!" ,, Was do die Achenbacher für harte Leut sind. Haß,
war ihr so mildthätig um das Herz wie in diesem Augenblick. Sie that sich etwas zu gute darauf, anders zu sein, noch nie Als sie die Thür öffnete, wich sie zurück vor der häßlichen Krankenluft, welche ihr entgegendrang.
Sie strich die knisternden Falten des Rockes zurecht, sie Die Lehnerin saß zusammengefauert auf dem Bett. Das schlug das Brusttuch um, besah sich im Spiegel, und fühlte Sonnenlicht umspielte das fahle, spitze Antlitz, dem es keinen wieder gewisse Blide darüber schweifen. Sie zog die Stiefel- Ton des Lebens mehr verleihen konnte. Ein heftiger Huftenchen an und wunderte sich selbst, wie vortrefflich sie ihr paßten, anfall erschütterte die leidensvolle Gestalt und verhinderte sie, wie klein sie den Fuß machten. Dann warf sie wieder hastig den Eintritt der Nachbarin zu bemerken. alles durch einander und floh zur Kammer hinaus in den Stall, in die Tenne, zwecklos herumräumend.
So kam der Mittag. Das ganze Gesinde war ausgeflogen. der Großvater der einzige Genosse beim Essen. Er erzählte feine alten, langatmigen Geschichten, öffnete längst vermoderte Gräber, während Burgl den verlockenden Tönen neuen, frischen Lebens lauschte, welche in die Stube hereindrangen.
Eine beklemmende Hize vermehrte ihre Ünruhe. Plöblich stand sie auf, sie wollte sich in die Kammer begeben. Dort suchte fie Kühlung im Zugwind des geöffneten Fensters. Die monotonen Orgelmelodien von der Festwiese herüber versenften fie in einen wohligen Halbschlummer, in eine füße Willenlosigkeit. Durch die halbgeschlossenen Lider schillerte die schwarze und blaue Seide auf dem Bette, das wache Träumen begann.
Steht ihr denn das Gewand wirkli so gut? Es knisterte und flimmerte in der Seide. Ein kriegerischer Marsch ertönte, der Veteranenverein wohl- Hurraschreieda warf sie den Seidenrod über, schlüpfte in die Stiefelchen, schnürte das Mieder, legte das blaue Luch um und trat vor den Spiegel an der Wand, sich von allen Seiten besehend. Und wenn der Flori nochmal so alt wär', sie war dock noch eine schöne Frau. Sie braucht grad drum ang'schaut z' werd'n, das is für a Frau, was für die Bleameln' s Begieß'n, sie verwelk'n ohne dem und da is do no z' fruah dazua.
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Sie übte jetzt zum erstenmale strenge Kritik an ihrer Erscheinung, sie war ihr nicht mehr so gleichailtig wie bisher. In einer Viertelstunde stand sie fertig in der Kammer, knisternd und blizend in Seide und Geschmeide.
,, So, jetzt fannst di wieder ausziehn." Sie nestelte an den Häkchen der Taille, doch der schwellende Körper gab nicht nach.
„ Grad auf a Stund ! Was wär' denn dabei? Der Lorenz kommt net vor Nacht wieder von der Alm! Wahrscheinlich erst den andern Tag. Grad der Alt! Aber sie wollte doch noch einen Gang machen, wohin denn nur? Heiliger Gott, die Lehnerin! Sie hatte ganz ihr Versprechen vergessen, sie heimzusuchen.
,, A Sterbende in dem G'wand- in den weiß ausgenahten Stieferln, in dem schwarzseidenen Rock, dem blauen Tüchl." Sie hörte deutlich den wohlgefälligen Schnalzer Urbans, des Mannes der Sterbenden, und etwas wie Scham packte sie.
,, A was, sa muaß man's net nehma! hab's amal versproch'n, und dem Vater gegenüber is a Entschuldigung, stimmt ja alles!"
Arme Cens!" sagte Burgl, in der jetzt wirklich warmes Mitleid sich regte.
Die franke Frau stützte sich auf die beiden Hände und jah mit mattem Erstaunen auf den unerwarteten Besuch, dann ließ sie einen wehmütigen Blick über die prächtige Erscheinung Burgls schweifen.
Wie kommst Du denn da' rein, Burgl?"
" Dein Mann hat mi bitt', i soll Di heimsuch'n. Dein Sustand geht ihm recht 3' Herz'n."
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er
Die Kranke nickte müde mit dem Kopfe. Ja, ja, er hat feine Plag' mit mir, mein Gott, so an Mann- aber"- sie legte mühsam atmend die Hand auf die wunde Brust wird bald erlöst sein- und dann Er is ja no in die best'n Jahr'. Grad d' Rest hab' schon schreib'n lass'n drumo, mein Gott!"
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Sie flocht in höchster Seelenangst die durchsichtigen Finger zusammen.
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„ Du bist ja selber Muatt'r, Burgl; wenn halt eine fäm' ins Haus, die recht hart wär mit ihr der Urban is so viel schwach. Auf die halt er viel, ja wohl. Des Alt', was da zwischen Euch schon lang vergess'n- verziehn. Wennst ihm ins G'wissen reden thäfft, i weiß g'wiß aber das darfst ja nett- na, na, das gäb' nur neuen Unfried über mein Grab."
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Burgl wischte sich den Schweiß von der Stirn. Wie eine Centnerlast drückte die Seide, das blizende Geschmeide.
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Die Stranke legte sich ermattet zur Seite. Auf einmal lächelte sie. bin ganz ruhig, der Resl fehlt nir der Flori is ja da er wird's scho net leiden, der Flori." Sie schloß die Augen.
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" Dem Flori fein Sach wird's am wenigsten sein, a jung's Madl z' b'schüt'n, die ihn weiter nig angeht," entgegnete jetzt mit rüdsichtsloser Schärfe Burgl, ohne auf das schmerzliche Zusammenzuden der Kranten zu achten. Aber i will mi gern fürs Resl verwenden, wenn's so weit kommen sollt', was i net glaub'."
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Warum glaubst Du's net, Burgl?" Eine schwache Hoffnung leuchtete aus dem Antlitz der kranken Frau. Daß er mi net vergesi'n könnt'."
Burgl berbarg mühsam ein spöttisches Lächeln.„ Das grad net, d' Mannsbild'r san amal net so g'wachs'n, aber
,, Abwart'n wird er, ganz schön stad abwart'n," füllte pl lich die Stimme des Lenz die Pause, welche Burgl machte. Se