Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 168.

201

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Freitag, den 28. August.

( Nachdrud verboten.)

Die Achenbacher.

Roman von Anton v. Perfall.

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Flori folgte gespannt dem erhabenen Schauspiel. Jetzt umbrandete sie schon die Kapelle noch ein zarter feuriger Rand dann erlischt auch der doch nicht ganz ein feuriger Punkt troßt der Nacht oder ist's ein Stern? Nein, in unendlicher Klarheit steht das Firmament über der jetzt schwarzen Wand. Er sendete einen zuckenden Strahlen­fegel in Floris festgebanntes Auge Resls brennende Kerze!

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Er glaubte das zuckende Flämmchen zu erkennen, und mitten hinein in den Strahlenkegel beugte sich das mild lächelnde Antlig der Gnadenmutter.

Und als das Sternenheer heraufzog über die schwarzen Schneiden, in erhabener Größe, da flammte noch immer der fleine rote Stern in der Ferlesfunt.

V.

Im Lehnerhof hatte sich ein böses Gespenst eingenistet die Geldnot! An die Stelle des einzig möglichen Abwehr­mittels, einer streng geregelten Wirtschaft bei äußerster Spar­samkeit, traten zweifelhafte finanzielle Operationen, ent­nervendes Wenden und Drehen zwischen scheinbaren Deckungen und sicheren neuen Schulden.

Der Ratgeber und Vermittler war Lenz. Je schlechter die Verhältnisse wurden, desto größeren Einfluß gewann er auf Urban, welcher sich ganz unverdient im Unglück sah und infolgedessen nach alter Art der ganzen Menschheit grollte. Die verworfene Schlauheit des Menschen, seine wohl feilen Grundsäge schmeichelten jetzt dem Ohr des Bürger­meisters. Dabei verfehlte Lenz nie, auf den Nachbarn hin­zuweisen, der in seinem eignen Fett schwamm, während er sich für die ganze Gemeinde aufopferte, auf den Westerwald , aus welchem Lorenz den Winter über einen ganzen Lager­play voll kostbaren Holzes herunterbrachte.

Ja, die Achenbacher, die verstehn's! Alleweil ehrlich und fürnehm, und dabei stehlen's ein'm' s Weiße aus den Augen' raus. Und wia sie's eing'teil'n wissen. Der Groß­vater stiehlt den Westerwald Dein' Vater vor der Nas'n weg, der Lorenz Dir die Burgl, jetzt kommt der Flori dran, und der hat a schon sein' Raub in den Krallen, Dein einzigs Kind, d' Rest!"

Das wirkte, das entzündete eine gefährliche Flamme in Urbans Bruſt.

"

Der Westerwald , der is verlor'n, das geb' i Dir zua," erwiderte er darauf. Die Burgl" da zögerte er schon und ein innerer Kampf zeichnete sich auf seiner gefalteten Stirn ,,, no, die Burglis a verlor'n für mi

,, Wer sagt Dir denn das?" flüsterte dann der Lenz. Weg'n zwei offne Aug'n? Die können in an Tag zua sein!" A was, dumm's G'schwät!"

"

Urban wich dann dem zusammengefniffenen Tauernden Blick des Bruders aus.

So a Mann, wia der Lorenz! Verlor'n is- fort damit! Aber der Flori, der soll ma nur femma! Eher d'erschlag' i die Dirn! Da geb' i Dir mein Wort drauf." Lenz zuckte höhnisch lachend mit den Achseln. A G'red, weiter nig! Du bist keiner vom Dreinschlag'n! Ja, wenn's mir so ganga wär'! 3'erst der Wald, nacha mein Schatz! I stand' für nir, für gar nir."

" Da häst was davon g'habt!' 3 Zuchthaus halt," meinte Urban.

,, Wenn i's so dumm anpackt hätt', freili!"

,, Wia häst es denn nacha anpadt?" fragte Urban. No, man hätt halt eines Tags ein' g'fund'n drauß'n im Wald, auf'n Berg."

Erschoss'n?"

Warum denn grad erschoss'n? Giebt ja allerhand un­glück im Berg, d'rfall'n, d'rschlag'n wer'n von an Stein, d'rtrink'n! Allerhand halt, wia's grad auftrifft."

1903

Urban lachte dann über die müßigen Gedanken, mit denen es ihm selber nicht ernst war.

Ein Wechsel war fällig im Betrag von vierhundert Mark, die Erefution drohte. Weg'n den paar

" Nimm's aus der Gemeindekassa! Woch'n," riet Lenz.

Er hatte ja am Ende recht, was lag denn daran? In einem Monat konnte Urban Kälber verkaufen, und dann er­setzte er die Summe wieder.

" Jeder thut's im gleichen Fall," zischelte Lenz weiter, man wird sie do net den G'richtsvollzieher über' n Hals kemma lass'n."

So entnahm Urban der Kasse die Summe. Als aber ein Monat vorüber war, verkaufte er die Kälber nicht. Zwei er erwartet, noch zu geringwertig. Aber das Geld mußte waren zu Grunde gegangen, die übrigen, später gefallen, als in die Kasse zurück, jeden Tag konnte Revision verlangt werden, abgesehen davon, daß große gemeindliche Ausgaben beverstanden. Was jetzt, Lenz?"

Doch der war nicht verlegen. Nacha nimmt ma's halt 3'leihn."

Bei an guat Freund wahrscheinli? Weil i so viel hab'!" erwiderte ganz verzweifelt Urban.

"

Aber a guate Freundin hast, die Du nur anz'reden brauchst die Burgl!" flüsterte Lenz ihm ein.

Urban wies ihn derb ab. Eher laß i mei' Zung ' rausschneid'n, als daß i die drum anred'."

B'halt halt Dei' Zung, laß mir' s Anred'n. A net?" Urban schlug es rundweg ab.

Was nacha?" meinte Lenz. Willst ins Zuchthaus femma weg'n Unterschlagung?"

Urban blieb bei seiner Weigerung. Zwei Tage versuchte er alles Erdenkliche. Nicht einmal eine Ruh war anzubringen um billigen Preis, und am Sonnabend war Gemeinderats­fizung betreffs Wegbauten.

Lenz umschlich ihn, immerfort die stumme Frage auf den Lippen.

Es war der Tag, an welchem Resl die Wallfahrt nach der Ferlesfunt antrat. Lenz war mißtrauisch, er fürchtete die Nachbarschaft der Farrnalm. Auch wallfahrtete man nicht zu dieser Zeit zur Ferlesfunt.

Seine spizigen Bemerkungen wies das Mädchen auf eine Weise zurück, welche ihn in seinem Verdachte nur bestärkte.

So war seine Eifersucht auf Flori von neuem rege, und in dieser Stimmung schien ihm eine Annäherung Urbans an Burgl in einer sonderbaren Ideenverbindung doppelt er wünscht. Er beobachtete mit Wohlbehagen die Verzweiflung Urbans.

Den andern Tag war Samstag, der Tag der Gemeinde­ratssigung. Urban keinen Bissen beim Abendbrot. Er wartete sichtlich, daß Lenz die Sprache auf die Angelegenheit bringe. Doch dieser that nichts dergleichen.

net

Endlich brach Urban los. Du thuast, als ob's Di gar anging, die ganze Sach.

"

,, Was für a Sach?" fragte Lenz pfiffig. ,, No, mit die vierhundert Mark

" Ja, hast Du's denn no net? lind morgen is Samstag? No, vielleicht geht's Dir' naus. Werd'n net glei Kassasturz halt'n," meinte enz.

Aber wann's' n do halt'n?"

" Dann bist der Lackierte, des is g'wiß." " Is des all's, was Du mir 3'sag'n hast?" Wannst net hörst auf mi."

Urban wand sich förmlich auf der Bank, der Schweiß stand ihm auf der Stirn.

"

Wär' ja do scho z'spät."

" No net! Der Achenbacher is nach M... g'fahr'n, vor Nachtwerd'n kommt er net hoam und die Burgl is allei. Soll i? Aber glei muaß sein." Er war schon auf dem Sprung. Soll i? In fünf Minuten hast' die vierhundert Markl. Sie schlagt mir's net ab."

,, Da kennst den Achenbacher schlecht, daß der sein Weib zum Geld laßt, erwiderte Urban wankend.

"

Und Du kennst die Burgl schlecht, daß sie Dir net