Burgl hatte eine Unvorficht'gkeit begangen. Diese Ein- ficht verwirrte sie noch mehr. „No, wennst a ganz Verhör anstell'n willst da drüb'n, 8* Nachtzeit! Da müass'n s' ja z'letzt glaub'n—" „Was müass'n s' glaub'n?" Lorenz trat dicht vor sein Weib. Sie mußte antworten.„No, daß Du an Verdacht hast—" „I glaub'. Du bist verrückt! I an Verdacht! Auf d' Resl vielleicht? So was Dumm's! Oder auf'n Lehner? Da müaßt i mi do schäma als Bauer." Plötzlich zuckte er zusammen und fuhr mit der Hand nach der Stirn.„Herr- gott, jetzt hast mi auf was bracht— der Lenz!" Er stieß das Wort mit einer solchen Kraft heraus, daß Burgl zusammenschauerte. „Der Lenz! Ja, dem seha't's gleich!" Da ermannte sich Burgl. Das Bewußtsein, daß sie selbst ihren Mann auf die Spur geführt, versetzte sie in jähen Zorn gegen sich selbst. „Net wahr is, daß ihm gleich sieht. Er mag a leicht- fertiger Mensch fem, a Wilderer weg'n meiner, aber koan Diab net. Nur der Haß kann Dir so was eingeb'n." „Der Haß? Du hast ma's eingeb'n und bringst's a nimmer'raus." Lorenz deutete die Erregung Burgls auf feine Weise.„Freili, i weiß scho," ftihr er fort,„daß Dir grad so auskemma is, daß Dir net paßt, wenn der Diab da drüb'n ausfindi g'macht wird, beim Herrn Bürgermeister. Und am End paßt's ma selb'r net, weil's do amal a Bauern- haus is. Auf d' Verwandtschaft pfeifat i. Aber da hilft alles nix. da giebt's kei Bedenka, bei so was! Is er's, wird er packt, da hilft ihm kei Herrgott net." „No, so geh halt'nüb'r und sag's ihm ins G'sicht," sagte Burgl in einer Anwandlung verzweifelten Mutes. Am Ende zog sie es noch vor, daß er von Lenz die Wahrheit erfuhr, als aus ihrem eignen Munde. „Da werd' i mi hüt'n!" entgegnete Lorenz.„Wenn i amal so a Fährt'n Hab', überstolper' i's nimma. Jetzt schlaf' i erst drüb'r. Schau, Burgl," setzte er dann in völlig ge- lassenem Tone hinzu,„i bin mit die besten Vorsatz heim- komma, aber's mag halt net,'s soll kei Ruah sein im Achen- bacherhof." „Ja, so scheint's wirkli," sagte Burgl, mit einer Be- wegung völliger Erschöpfung sich auf die Bank setzend. Dann ging sie schleppenden Ganges , den schmerzenden Kopf haltend, in die Schlafkammer. Lorenz sah ihr kopfschüttelnd nach. Mit einem schweren Seufzer stand er dann auf und begab sich in die Kammer. Er untersuchte sorgfältig das geöffnete Schloß und fand die Spuren des Beiles. Dieses stand in der Ecke neben der Truhe, und er konnte sich genau erinnern, wo es am Morgen noch stand. Am Boden waren Unschlitttropfen. Wie war der Dieb ungesehen herein gekommen? Die Hausthür war doch verschlossen, in der Küche war— Burgl! Man sprengt einen solchen Deckel nicht ohne�großen Lärm. Der taube Vater hat ihn auch g'hört, den„Schnall", aber Burgl nicht, die sonst hörte wie ein Luchs. „'s Schmalz wird halt so prasselt hab'n.— Und der- schrock'n is, daß ihr d' Kerz'n aus der Hand g'fall'n is. Is aber a zum Derschrcck'n? Daß s' nix g'merkt hat— is ja do auf der Truhe g'sess'n— daß der Deckel net g'sperrt is?— Wenn's auf die Kleider sitzt, die drauf g'leg'n san!— Das heißt, drauf g'legen san's net, drauf g'worf'n hat sie's, eh's Licht g'macht hat." Er saß auf der Truhe, den Kopf in die Hand vergraben, und grübelte. Plötzlich stand er mit einer abweisenden Bc- wegung auf. „Aber was hast denn? Wo willst denn eigentlich'naus? So was denk'n is no schlecht'r als stehl'n. Pfui Teuft!" Er nahm das Licht und ging zur Ruhe— die er nicht fand. « Eine feste Ucberzeugung blieb als Rest der nächtlichen Betrachtungen des Achenbachers. Er mußte allein die Fährte des Diebes verfolgen, auf die Unterstützung Burgls durfte er nicht rechnen, um so weniger, je mehr er überzeugt war, ans der richtigen Fährte zu sein. Sie kann nun einmal nicht vergessen, was der Lehner ihr war. Die Weiber sind nun einmal so, weiter ging er nicht in seinen Gedanken. Es galt nun vor allem, Resl zu sprechen, und zwar allein, bevor sie von irgend einer Seite gewarnt war. Eine schwierige Sache bei der Lage der Dinge. Es entging ihm nicht, daß Burgl ihn scharf beobachtete, auf eine Aeußerung seinerseits ängstlich wartete. Das bs- unruhigte ihn von neuem. „J Hab' mir's überlegt." sagte er zu ihr,„i will ganz stad gehn in der z'widern Sach und vor der Hand keine Anzeig mach'n, vielleicht klärt sie sich do no auf." (Fortsetzung folgt.). kleines feinUeton. ck. Die Empfindungen eines Ertrinkenden analysiert der amerikanische Art Dr. James A. Lewson auf Grund seiner eignen Erfahrungen in einer Art, die zu den Vorstellungen, die man sich gewöhnlich darüber macht, in einem starken Gegensatz steht. Er machte den Untergang des amerikanischen Dampfers.Bokbara". der auf der Fahrt von Shanghai nach Colombo in einen Teifun geriet, mit. Nachdem den ganzen Nachmittag schwere Seen fortgesetzt über das Schiff gegangen waren, fuhr es llirz vor Mitternacht mit einem heftigen Krach aus ein Riff, und in noch nicht einer Minute lag die „Bothara" auf dem Grunde der Strohe von Formosa..Der schreck- liche Krach', schreibt der Arzt,.machte mir sofort den großen Ernst der Lage klar, ich zog die Nettungsgürtel herunter, warf meinen Gefährten zwei zu, band den dritten um und stürzte nach oben, um die Brücke oder die Takelage zu er- reichen. Es war keine Zeit zu psychologischen Studien übrig; trotzdem kann ich nie vergeffen, wie alle Passagiere wie gelähmt schienen. Die Stewards stiehen verzweifelte Schreie aus und ver» sperrten den Saloneingang zum Deck, und nur durch Gewalt konnte ich ihnen nachdrängen, gerade noch zur Zeit, da die erste schwere See sogleich die Kajütskappe niederfallen lieh. Auf Deck ging ich sofort zur Brücke und erstieg die Stufen, als ein völliger Waffer- berg von oben und von unten zu kommen schien und niich mit dem Kopf gegen die Brücke stieh und mir eine vier oder fünf Zoll lange Schnittwunde an der Schädelhaut beibrachte. Ich erinnere mich, daß ich dann versuchte, mich durch die Reling der oberen Brücke durchzukämpfen. Das Schiff ging augenscheinlich schnell uitter, und ich wurde mitgezogen. Ich machte klar unter Waffer und schwamm so- gleich, um die Oberfläche zu erreichen, wie ich glaubte, augenscheinlich aber nur, um weiter unterzugehen. Die Folge dieser Bemühung war eine Abnahme des Atems, und nach zehn bis fünfzehn Sekunden konnte die Ein- atmung nicht länger zurückgehalten werden und ein furchtbarer Druck auf der Brust begann sich zu entwickeln. Infolge der großen Schmerzen in der Brust beim Ein- und Ausatmen fühlte ich mich wie in einem Schraubstock, der allmählich festgeschraubt wurde, bis ich ein Gefühl hatte, als ob das Brustbein und die Wirbelsäule brechen mühten. Das.Schlucken' wurde häufiger und dann erlosch die Hoffnung. Obgleich ich kein Land gesehen hatte, wußte ich sicher, daß es nahe war, und ich hatte gehofft, wieder an die Ober- fläche zu kommen. Der Druck schien nach diesen, mehr« maligen schnellen.Schlucken' unerttäglich, aber allmählich, als die Kohlensäure im Blut anwuchs, wurde der Schmerz ge- linder. Gleichzeitig kamen die Awmngsansttengungen mit dem begleitenden Wasferschlucken in längeren Zwischenräumen. Dabei schien ich in einem augenehmen Traum zu sein, hatte aber genug Willenskrast. um an Freunde zu Hause zu denken. Ehe ich schließlich das Bewußtsein verlor, hatten die Brustschmerzen völlig ausgehört. und die Empfindung war thatsächlich angenehm. Wie lange ich im Wasser zugebracht habe, kann ich nicht sagen, aber ich denke etwa zwei Minuten. Ich wurde unter Wasser sehr gehindert durch die vorhergehende Anstrengung, auf Deck zu kommen, und dann durch den betäubenden Schlag auf den Kopf, so daß beim Untergehen fast nur noch zurückbleibende Lust in den Lungen war. Beim Versuch der Einadnung wurde der Mund sogleich mit Wasser gefüllt, und da der Kehldeckel den Kehlkopf schloß, begann sogleich das Schlucken. Ich glaube, daß der Kehl - decket nur während der kurzen Ausatnumg nach jedem Versuch der Einatmung nicht geschlossen war. Als das Bewußttein zurückkehrte, befand ich mich an der Ober- fläche des Wassers und konnte etwa zwölf gute Einatmungen machen. Ein flüchttges Aufblitzen zeigte mir das Land in etwa 400 Meter Entfernung, und ich benutzte zuerst einen Ballen Seide und dann ein langes Brett, um zum Ufer zu kommen. Diese und der Rettungsgürtel waren von großem Nutzen, daß mein Körper in der stürmischen See nicht auf das Riff geworfen wurde. Trotzdem waren Füße, Knie und Lenden arg zerschunden. Beim Landen hinter einem schützenden Felsen brauchte kein tüchtiges Erbrechen lünstlich erzeugt zu werden. Jedenfalls glaube ich nicht, daß viel Waffer die Luftröhre heruntergekommen ist.'— Theater. Lessing-Theater:„Geschwister Lemke'. Volksstück in vier Akten von Richard Skowronnek und Leo W a l t h e r Stein.— Eine Compagnie-Arbeit. Was diese Dichterfirma liefert, ist ein Berliner.Volksstück' nach altem Muster. Manches Echte hinsichtlich des altberliner Spießbürger- und Weißbierstuben-Milieus mit all seiner Plattheit und gemütlichen Behäbigkeit ver- mag bei verwandten Seelen ausgelassene Heiterkeit zu er- regen, wenn's auch nichts Neues ist. Das Ganze mutet doch
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20 (1.9.1903) 170
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