an wie eine dramatisierte Borstadt- oder Gartenlaubengeschichte. Zwei Putzmacherschwestern haben ihren einzigen Bruder studieren lassen. Nun, da er das Llssesior-Examen glücklich bestanden hat. tritt zwischen beiden Parteien eine bitterböse Entfremdung ein. Denn Alfred besaß schon eine Braut, mit der er sich ohne Wissen der opferwilligen Schwester» heimlich verlobt hatte. Obendrein ist's eine Adlige, wenn auch.von Habenichts". Die Blaublütler sind natürlich sehr hochnäsig. Nur ihre beiden Kinder, nämlich des Assessors Braut und deren Bruder, ein Jnfanterie-Lieutenant, schlagen aus der Art. Sie lassen sich zum Bürgertum hinab. Gerda erzwingt sich ihren Assesior, und der Bruder erobert das Herz der jüngsten von den beiden Putzmamsells. Ja. noch mehr: er quittiert ihr zu Liebe seine Militärkarriere und asfociiert sich mit einem Socialdemokraten zu einem Fabrikgeschäft. Selbsttedend sorgen die Autoren, daß da- bei die politischen Anschauungen des blaublütigen Lieutenants a. D., jetzigen Fabrikbesitzers, und des nach üblicher Schablone gezimnterten Socialdemokraten nicht in die Brüche gehen. Jener liest die.Kreuz- Zeitung ", dieser den.Vorwärts". Der Achtstundentag, die Beteili- gung der Arbeiter am Reingewinn und andre Dinge ergeben sich nebstbei von selber. In dein Zukunftsstaate der beiden durch kein Wissen und durch wenig Witz und Geist beschwerten .Dichter" giebt's keine Gegensätze mehr. Alles ist eitel Wonne und die Spießerei von anno Tobak bleibt Trumpf. Der Soci heiratet die andre Putzmacherin und wird dadurch sogar der Schwager des Herrn Lieutenants. So vollzieht sich denn hier unter den Händen seichter Dramcnmacher ein Reinigungsprozeß, an welchem alle braven Philister gewiß ihre Augenblicksfreude haben, bei dem aber die Musen und Grazien Reißaus nehmen. Ob dies.Volksstllck" nun gerade in das Lessing-Theater paßt, ist freilich eine andre Frage. Gespielt wurde im ganzen gut. Karl Waldow, Albert Patry , Meta Jäger, Elise Sauer, Vera Witt und Franz Schönfeld verhalfen den«Lemkes" zu einem Schein- erfolge. e. k. Freie Volksbbühne(Metropol- Theater):»Klein E h o l f", Schauspiel in drei Aufzügen von Henrik Ibsen. Der VereinFreie Volksbühne " hat sein neues Spieljahr wieder begonnen. Daß gleich die erste seiner Veranstaltungen einem einst viel umstrittenen Werke des modernsttn und größten Dramatikers galt, ist ein verheißungsvolles Zeichen. Man darf vielleicht auch damit die gewiß in vieler Hinsicht berechtigte Hoffnung verknüpfen, daß auch bei allen folgenden Darbietungen der Haupt­druck auf wirklich musterhafte Aufführungen durch er- lesene künstlerische Darsteller gelegt werde. Es handelt sich darum, nicht bloß im Rahmen üblicher Leistungen zu verbleiben, die an diesem oder jenem öffentlichen Theater auch gang und gäbe sind, sondern in erster Linie höchste Vorbildlichkeit zu erstteben, sowohl für die Vereinsmitglieder, als für die Mitwirkenden. Es gilt, die Werke der Dichter in deren intimsten Intentionen auszubreiten, damit die Zuschauer in die Sphäre reinster und reichster Kunst er- hoben werden. Der letzteren Dank und Anerkennung wird den sich in den Dienst des Vereins stellenden Schauspielern um so rückhalt- loser zu teil werden, als diese das Beste und von jedweder Routine" befreite Tiefste und Verinnerlichste zu geben bemüht sind. Eine von so besonderen Strebungen ausgehende und mächtige Ver- einigung wie dieFreie Volksbühne " darf an ihre Aufführungen und deren Vermittler die höchsten Erivartunaen stellen. Ob diese bei der Vorstellung vonKlein Eyolf" erfüllt wurden, das möchte indessen doch nicht in allen Teilen bejaht werden. Als Ganzes bettachtet verdient die Darstellung das Lob möglichster Abrundung. Es blieb aber-noch ein guter Rest ungethan. Vor allem vermißte man die völlige Ausschöpfung des dichterischen und ethischen Gehalts, der, wie in den meisten Jbsenschen Dramen, so auch hier, gegen den Schluß hin zu weihe- vollster Vermenschlichung hinandrängt. Joseph Klein als Alfred AllmerS bot gewiß so manches Vortreffliche, er schlug besonders beini Verluste des Kindes warme weiche Ge- fühlstöne an. Ein gleiches geschah auch, wenn er mit Asta bei- sammen war. Ebenjo rang er sich Rita gegenüber zur gebotenen Härte durch. Aber da, wo beide sich im Beginn einer neuen, ihren Herzen verwandten Lebensaufgabe wieder zusammenfinden, da ver­sagte doch seine Kunst, da wurde seine Sprechweise wie sein Spiel konventionell und versank in Kraftlosigkeit. Aber auch die Rita" der Helene 3t o s n e r hatte hier nicht viel besseres zu geben. Die ganze Leidenschaftlichkeit, die nur sich selber keimt, beißenden Hohn und Spott, all das vermochte sie auszuströmen und diese Frauengestalt von ihrer ursprünglichen, unsympathischsten Seite zu zeigen. Aber man vergegenwärtige sich nur, wie hoch die beiden Charattere zu steigen haben, wenn uns die Absicht des Dichters durch die Darsteller deutlich werden soll. Diese Wandlung, welche bei Ibsen das erlösende Moment be- deutet, blieben Allmers und Rita uns schuldig. Dennoch verschaffte es Genuß, einer Darstellerin begegnet zu sein, die über ungewöhnliche Mttel gebietet und großen Aufgaben ge- wachsen erscheint. Eine einheitliche Leistung bemerkte man dagegen bei Elsa Kardätz, einer nnsres Wissens bisher in Berlin noch fremden Kiinstlerin. Ihrer Asta war das eigen, als was sie der Dichter hingestellt, und man darf der Vereinsleitung für die Belanntschast mit dieser Darstellerin dankbar sein. Ebenfalls zum erstenmal lemte man in Margarete P i x eine neue Kraft kennen. Sie vermochte dieRatten- mamscll", in welcher ich doch ttotz mancher entgegengesetzten Meinung das symbolische Element für das Echuldbewußttv erden Ritas und Allmers zu erkennen vermeine, sehr wirksam zu geben. Hermann Schmelzers Ingenieur Borgheim zeigte sympathische Züge, ohne merlliche Eigenheiten. Recht hübsch führte der kleine Kurt Müller als Eyols seinen Part. Das Stück übte an- scheinend eine tiefe Wirkung aus. e. k. ek. Thalia-Theater:«Der Hochtourist". Schwank mit Gesang in drei Alten von Kurt Kraatz und Max Real. Ein echter Berliner und ein echtes Münchner Kindl, ttotz seines englisch -amerikanischen Familiennamens, haben hier in gemeinsamer Compagniearbeit ein höchst amüsantes Stück geschaffen, das einige Dauer verheißt und obendrein wirklich deutsch genannt werden kann. Die bayrische Alpentouristerei giebt die wirksame Folie ab. In Wahrheit handelt es sich aber um gar keinen wirklichen Berg- lraxler. Herr Mylius, der Direktor einer Berliner Aktiengesellschaft, ist zwar oft bis in die Alpen gekommen, hat jedoch nie eine Hochtour unternommen. Trotzdem gilt er in den Augen seiner ehrgeizigen Frau als einer der kühnsten Touristen. Denn er war so klug, stets in Briefen solche fingierten Kletterpartten begeistert zu schildern. Diese Briefe giebt nun seine Frau als Buch heraus. Das hat mancherlei im Gefolge. Mylius wird bald in alpinen Fachkreisen als bedeutender Bergbezwinger und Schriftsteller gefeiert. Aber die Geschichte hat einen bedenklichen Haken. Mylius hat nämlich alle seine Schildenmgen dem Buche eines Alpenschriftstellers entnommen. Dieser Umstand bringt für ihn eine Masse von tragikomischen Ver- Hängnissen herauf und die Autoren haben in der Erfindung und Gestaltting derselben alle Minen ihrer grotesken Laune springen lassen. Berliner Witz und bajuvarischer Humor vereinigen sich hier zu zündender Wirkung; die Situationskomik giebt sich ungezwungen und die findigen Schwankdichter wissen ihrem Haupthelden immer neue Verlegenheiten, dem Publikum immer neue Ergötzlichkeiten zu be- reiten. Schließlich aber endigt alles gut und glücklich. Schriftsteller Lindcnberg wird der Schwiegersohn des Herrn MyliuS, seines Plagia- lors, und auch des letzteren andre Tochter, die Studentin Alice, wird, nach einer unseligen Liebelei mit dem Sohne des alten Bergführers, Dr. Mertens Braut. Die Spannung läßt nicht locker, bis der Vor- hang sich senkt. Die Jnsceniernng des Stückes ist gelungen, die Besetzung durchweg vortrefflich. Besonders anzuerkennen ist, daß sämtliche Dialektrollen von bodenständigen Darstellern vertreten werden. Max Hofpauer fügte seinen zahlreichen Glanzrollen eine neue alsRainthaler" hin- zu. Victor Bausenwein war ein wackererSepp", I o s e p h i n e D o r a ein feschesRegerl", in Schnadahüpfeln, Couplets und Hochlandsliedern kehlfertig und eigen. Herbert Paulmüller gab eine gute Figur als Vater Mertens. Fritz Helmerding war ein brillanter Baron und Helene Brahms als Frau Mylius, Marie Manci und Gertrud Wehling als deren Töchter konnten kaum noch besser sein. Guido Thiel scher aber ttug doch als Direktor Mylius den Löwenanteil des durch- schlagenden Erfolges davon. Es gab Kränze und Blumen in Hülle und Fülle. I. Deutsch -amerikanisches Theater,lleber'n großen Teich". Heitere Bilder mit Gesang aus dem Leben der Deutsch-Amerikaner in fünf Abteilungen von Adolf Philipp. Das Metropol-Theater hat einen Konkurrenten bekommen und Hugo Baruch u. Co., die bekannte Firma für Ausstattungsstücke, einen neuen Kunden. Wer»das fesche Madl mit dem strammen Wadl" liebt und Gefallen an Gruppenscenen mit Gesang und Tanz hat, bekommt jetzt in Berlin zweimal serviert: Unter den Linden und in der Köpnickerstraße. In den, kleinen, intimen Theater Wolzogcns, das einer feinen, auserlesenen Kunst dienen sollte, werden jetzt billige deutsch -amerikanische Späße verramscht; Bierbaums Lustiger Ehemann" ist pleite, und«Molly der kleine Nigger" hat das Geschäft übernommen. Die fiinf Bilder des Stückes schildern ein halbes Dutzend Jahre aus dem Leben der Deutsch-Amerikaner. Mit der Ankunft aus der Einwanderungsinsel beginnt's. Alles Zwischendeck-Passagiere: Ein Paar echte Berliner Kinder, Louis Strumkohl und Mine Brand. machen mit faulen Witzen ihrer Vaterstadt Ehre. Der biedere Schwabe Jeremias Hitzköpfele, mit seiner besseren Hälfte und 'einen zehn Kindem, repräsentiert den deutschen Fleiß. Hein Lehmkuhl, ein Vierländer aus der Hamburger Gegend, die deutsche Treue und Ehrlichkeit. Hulda Knorpel, die sächsischeNäh- mamsell mit dem. doppelten Steppsfich", versucht auf ihre Weise ihr Glück in der Neuen Welt zu machen. Natürlich fehlen in dem Stück auch nicht die Liebe und die Hartherzigkeit. In dem Brauereibesitzer Karl Woermann wird uns der hartherzige Vater vorgestellt. Den Sohn verstößt er, weil er ihm ein Dienstniädchen als Schwiegcr- tochter ins Haus bringen will; die Tochter wirst er einem her- gelaufenen Baron an den Hals, der ihm in kürzester Zeit das stattliche Vermögen bis auf den letzten Pfennig ver- pulvert, Wechsel fälscht, die Frau sitzen läßt ic. Zum Schluß kommt dann natürlich eine umfassende Versöhnung. Couplets belehren uns noch einmal darüber, was die einzelnen Personen deS Stückes gewollt und was sie erreicht haben. Gruppenbild. Feenhafte Beleuchtung. Musik: Schnedderengteng. Ende gut, alles gut. Das Stück gefiel. Mit den, Beifall wurde nicht gekargt. Ge- spielt wurde gut. Allen voran marschierte Adolf Philipp, der Direktor des Theaters und der Verfasser des Stückes; er gab den Vierländer Hein Lehmkuhl. Neben ihm mögen noch GreteGalluS