Ilnterhaltungsblalt des Horwärts Nr. 176. Mittwoch, den 9. September. 1903 (Nachdruck verboten.) 28] Die Hchenbachcr. Roman von Anton v. Perfall. Lorenz! Lorenz!" begann der Alte, ihn am Arm packend und mit feinen erloschenen Augen in den Zügen des Sohnes forschend: Sag, daß net wahr is! Daß D' grad an Spaß hast mach'n woll'n mit der Burgk." Ekel packte Lorenz,'s is aber wahr," schrie er den Alten an.Ter Flori kriagt d' Resl, und kein Mensch hat da mehr drein z'red'n." Das runzelige Antlitz verzerrte sich, der zahnlose Mund blieb offen stehen. Nimm Di in acht, Lorenz!" Er hob drohend den Finger.Daß kein andrer drein redt!" Sag glei, der Achenbach," bemerkte Lorenz,daß Di net furchst, unfern Herrgott zum Diener z'mach'u von Dein' Haß. Der will ja nix wiss'n davon, der freut si ja grad über so an Ausgang." Nacha is Dein Herrgott an andrer Herrgott als der mein'," erwiderte der Greis im Tone fester Ueberzeugung; der mein' dreht und wendt si net, dein sein Will'n steht fest, und was sein Will'n is, das hat er uns Achenbachcr deutli zeigt mit der Gnad', die er ausgoss'n hat über unser Haus, mit dem Fluch, den er g'schlcudert hat auf die Lehner. Jetzt thua, was D' magst, i, i halt's nüt dem da." Er deutete auf den in dem ewigen Lichte seine schmerz- verzerrten Glieder badenden Christus. I bin z' alt, mi an an neuen Herrn z'gwöhna." Sich vor dem Bilde bekreuzigend, wankte er aus der Stube. * Es war ein herrlicher Sonntag, der auf diesen für Flori so bedeutungsvollen Samstag folgte. Lorenz zog es vor, den Tag in der Holzhütte des Schindl- grab'n zuzubringen. In einer Woche denkt Burgl und der Alte vielleicht doch anders über die Sache, während jetzt mir neuer Streit zu erwarten war. Flori hatte er bis jetzt in die Ereignisse des vergangenen Tages noch nicht eingeweiht; verschiedene Gründe be- stimmten ihn. Er hatte das Bewußtsein, manches Unrecht in seinem Leben mit der That von gestern ausgelöscht, vor allem aber für die Zukunft gesorgt zu haben. Es war ja das einzig Richtige nur die Leidenschaft konnte das Auge so trüben durch eine Heirat wieder zu vereinigen, was nie hätte getrennt werden sollen. Ja selbst von dem Standpunkte aus, den er früher einnahm. Was konnte er sich denn Besseres wünschen, als daß der Name Lehner völlig verschwand auf der Höh? Name und Hof, und das mußte die Zukunft ja bringen. Wie nach einem schweren, aber gelungenen Tagewerke saß er selbstzufrieden vor der Hütte, auf den goldig herab- blitzenden Segen des Westerwaldes blickend, den wirren, dickten Haufen tadelloser Sägeprügel, welche auf einem Lichtschlag oberhalb des Grabens bereit lagen. Im der Nacht hatte es geregnet, dasFöllern" mußte vortrefflich gehen auf dem glatten Boden. Morgen sollte damit begonnen werden. Eine voreilige Gesellschaft von etwa vierzig Stück schwerer Sögehölzer war bereits oben in das Gefäll des Grabens gerutscht und hatte sich, wohl auf irgend ein Hindernis stoßend, verkeilt, einen förmlichen Wall bildend, der erst entfernt werden mußte, ehe man oben mit dem Föllern", dem Loslassen der Stämme, beginnen konnte. Flori äußerte als praktischer Arbeiter seine Bedeiiltni, indem er die verstauten Stämme sich genau ansah. Man müsse mit der äußersten Vorsicht bei Wegschaffung derselben vorgehen, es seiden Tropf'n net z'trauen" und kein Platz zum Ausweichen an der Stelle.Am besten wär's, wenn's von selber's Gehn anfinga!" Lorenz hingegen, der sich heute wieder als junger, jede Gefahr verachtender, durch seine Gewandtheit berühmter Holzer von ehedem fühlte, fand an der Arbeit gar nichts Be­denkliches. Er sah genau, wo man's anzupacken habe. Den obern Prügel, der fast grad in d' Höh steht, a bißl nach rechts drahn mit'n Griesbeil, und das ganze G'raffl geht durch. Grad da, grad' nüb'r braucht's a biß! aussäubern." Er wies auf eine Stelle des Grabens, wo von den Seitenwänden abgerutschtes Gestein und Sand die Schleuse verengte. ftönnt'n si leicht no amal verrenna, wenn der große Schub kommt, nacha gibt's Scherb'n." Und wenn's ob'n auslaßt," meinte Flori, von neuem einen besorgten Blick aufwärts richtend,dann gibt's kan Ausweichen net." Das gibt's net," erwiderte Lorenz;weil i gestern nach- g'schaut Hab', von selb'r können s' net los werd'n." Während sie so hin und her sprachen, raschelte und knickte es plötzlich im Hochwald, und als sich Flori wandte, erblickte er zwischen den grauen Stämmen, aufwärts sich bewegend, bunte Farben, ein Frauenzimmer!. Jessas, die Resl!" sagte er dann plötzlich, von seinem Sitz aufspringend.Was führt die wohl auffi zu uns?" A Botschaft halt!" meinte schmunzelnd Lorenz, welchem der Zweck dieses Besuches keinen Augenblick zweifelhaft war. Resl hatte ein gar seltsames Benehmen. Als sie in die Nähe gekommen war, blieb sie bald zögernd stehen, bald lief sie wieder eine Strecke. Sie war im besten Sonntagsstaat; ein brennrotes Sträußl steckte auf dem grünen Hut. Aber erhitzt war sie, außer Atem. Plötzlich eilte sie dicht an Flori vorbei, ohne ihn nur an» zusehen, auf den Ächenbacher zu, fiel vor ihm auf die 5knie, ergriff laut schluchzend seine Rechte und bedeckte sie mit Küssen und Thränen. Und der Vater ließ das alles geschehen, dann hob er das Mädchen schmunzelnd auf, hielt sie mit beiden Armen vor sich hin und sah ihr fest in das dunkelrote, thränenfeuchte Antlitz. Bist jetzt z'fried'n mit unsrer liab'n Frau von der FerleSkunt?" fragte er. Da lächelte sie gar liebsam und warf einen verschämten, hold verschleierten Blick auf Flori, dem das alles ein Rätsel war. Ja, weißt denn Du no gar nix?" fragte sie erstaunt. Flori!" Ihre Stimme erstickte die Thränen.Flori!" Es war ein Jubelschrei, der keine weitere Deutung brauchte. Sic lag schluchzend vor Seligkeit an seiner Brust. Noch einmal richtete der junge Mann einen fragenden Blick auf den Vater. IS denn wirkli wahr?" Lorenz nickte stumm. Da sanken sie beide vor ihm auf die Knie, und er legte segnend die Hände auf das jugendliche Paar. Unser Herrgott segne Euren Bund und laß an neu'n, g'sunden Stamm draus entstehn, der nix mehr weiß von dem alten Haß und der alten Feindschaft. Amen!" Etwas Priesterliches lag in dem Tone der dunklen Stimme. So, und jetzt plautscht's Euch aus," sagte er dann in völlig verändertem Tone, als ob er sich seiner weichen Stimmung schämte, alle weiteren Dankbarkeitsergüsse der jungen Leute zurückweisend. Er trat in die Hütte. Lenz hatte schon vor Tagcsgrauen das Haus verlassen. Er ging dem Westerwald zu. Für alle Fälle steckte er das Abschraubgewehr, das ihm schon gute Dienste geleistet, unter seine Joppe. Sonst stand ihm der Sinn nicht nach Wald und Weidwerk. Jetzt galt es nicht mehr allein, Vergeltung zu üben an seinem Todfeind, dem Achenbacher, fondern seine ganze Existenz zu verteidigen, sein Heim, aus welchem ihn dieser zu guter Letzt vertreiben wollte, wie einen räudigen Hund. Da wehrt sich z'letzt jeder! Die letzten Bedenken schwanden. Jetzt galt's nur noch,wia anpack'n?" Bei seiner völligen Ratlosigkeit blieb ihm nichts übrig, als vorerst den Bau des alten Fuchses, die Holzhütte im Schindlgraben, scharf zu beobachten, seinen Aus- und Eingang, wie man*# auf der Wildbahn treibt.