Er umging vorsichtig die Hütte, schlich den Hochwald hinauf und suchte sich einen geeigneten Beobachtungs- Posten auf. Bläulicher Rauch lag über dem Dach, der Bau war be- zogen. Dann kam richtig der Achenbacher heraus, mit Flori im besten Einvernehmen. Sie deuteten auf die im Graben eingekeilten Hälzer hinauf. Lenz lag dicht dabei. Er hatte bis jetzt nicht darauf ge- achtet in seinem Beobachtungseifer. Jetzt fiel auch sein Blick darauf. Er vergaß darüber ganz die beiden unten, so interessierte ihn das Gewirr von Stämmen, die sich mitten im Sturze durch ein Zusammenfügen, wie es keine Menschenhand ver- mocht hätte, zu einem schwebenden Gerüst vereinigten. Sein Fuß stützte sich sogar auf einen Sägprügel, welchen der Prall über die Kante des Grabens geschleudert, so daß er pendelnd schwebte, dem leisesten Druck seines Fußes nach- gebend, während er mit dem unteren Ende schon in den Haufen ragte. Lenz' Auge bohrte sich, von einem Gedanken erfaßt, in das Gitterwerk der Stämme. Er studierte seine Konstruktion. Plötzlich bemerkte er, wie der Stamm unter seinen Füßen ferne Bewegung als Hebel auch den andren mitteilte; ein leises Zittern und Rücken ging durch den Haufen. Da zog er den Fuß rasch zurück. Das gäbat an Rumpler!" sagte er vor sich hin.Jetzt brauchat er grad in der Rinn z'stehn." Er blickte rasch hinunter. Die beiden Achenbacher waren hinter der Hütte verschwunden. Er setzte noch einmal leise den Baum zu seinen Füßen in Bewegung. Aber heut is Sonntag, und morg'n räuma's ab. Ja, wenn's so leicht gang'! Das wär' was Bessres als der durch- g'sägte Steg. Der Holzstoß is ganga und hat'n mitg'nomma! Da gäbat's weiter kein Red'n mehr." Er legte sich auf den Rücken und hing seinen Ge- danken nach. Der Urban handelte do eigentli erbärmli an ihm! Was hat er ihm net Dienst erwiestn grad die letzte Zeit! Jetzt setzt er'n kaltblütig auf d' Straß'n, weil's der Achenbacher so will! Und er, er will ihm dafür a no zur Burgl verhelf'n, sein G'wissen mit an Mord b'schwer'n für den säubern Bruaderu. Was kann's ihm denn verschlag'», wenn der Flori die Res! nimmt? Was will er denn von ihr? So a arm- selig'r Loder, in dena Jahr'n, bluatsverwandt! Das Madl wär' so glückli der Flori is ja gar kan so unebner Mensch, wenn er kan Achenbacher wär'! Aber er dürft's ja gar net mitanschaun das Glück er müßt ja fort auf imma! So verlangt's der g'hässige Mensch. Und was hat er ihm je gcthan? Nix, gar nix, als daß er sich hat bluatig schlagen lass'n von ihm und wia an Hund b'handeln. Damals bei der Wahl, mit'n Füaß'n hat er ihn tret'n vor alle Leut, und dann auf der Alm dann die G'schicht mit die vierhundert Mark. Grad glänzt hat er vor Freud, daß's jetzt ins Zuchthaus geht mit'n Lenz! Und jetzt will er'n auf die Straß'n werf'n und a Almos'n nach, wia an Bettler! Na, so hab'n ma net g'rechnet. Achenbacher! (Fortsetzung folgt. X (Nachdruck verboten.) Chawc RuMm Erzählung von Alexander Swientochowski.' Shmches Urgroßvater, der den Namen eines Edelsteins hatte besitzen und dies Zauberwort seinen ttindern vererben wollen, hatte sich Rubin genannt. Aber dieser Umstand half weder ihm, noch seinen Nachkommen. Symche war ein Rubin, aber in das vollendetste Elend gefaßt. Ihm fehlte wirklich nichts, was nur immer ein armer Teufel brauchen kann, um ganz zu Grunde zu gehen. AlsEHussit" saß er fortwährend im Bethaus; überzeugt, daß er aussehr guter Familie" sei, behandelte er sich als Berühmtheit, die die Welt unter- stützen müsse und nicht sterben lasten werde; seit einer Reihe von Jahren endlich brustkrank, war er zu jeder Handarbeit unfähig. Der Tod des Vaters gab ihm schließlich den letzten Stoß. Er erhielt nämlich als Erbgut das Viertel eines Hauses in Kazimierz an der Weichsel ; dieses Haus war eine zerfallende Hütte, deren unteres Fensterbrett bereits unter den Rand der kotigen Gasse gesunken war und die der Stadtkassicrcr selbst alsals der Demolierung bedürftig" von allen Abgaben befreit hatte. Nichts dejtoweniger war Symche auf sein Erbteil, da» ihm den Tite!»Hausherr" eintrug, nicht wenig stolz. Er nahm in die Zimmer, die sein ganzes Besitztum repräsen- tierten, zwei Mieter auf und seit der Zeit zankte er sich mit ihnen oder versprach Reparaturenfür den Frühling", oder er saß auf der Bank vor der Thür und sonnte sich, wobei er mitunter drei Hühner mit gekochten Kartoffelschalen fütterte. Das Bethaus begann er zu vernachlässigen. Krankheit, Hunger, Familienstolz und endlich das Bewußtsein seiner Hausherrnwürde brachten den armen Juden in einen Zustand vollkommener Unfähigkeit. Wenn der Müßiggang ihn quälte, ging er auf den Marktplatz und sprach mit den Vorübergehen- den über die zahlreichen Käufer seines Besitztums, das niemand haben wollte. Da auch seine Mieter nicht zahlten, zerbrachen sich die Leute die Köpfe darüber, wovon Symche mit seinen vier Kindern lebte. Die Lösung dieses Rätsels bewerkstelligte aber Chawe Rubin, seine Frau. Ein Künstler, der im stände ist, beschädigte Bilder aufzufrischen, hätte die dreißigjährige Chawe wahrscheinlich schön gefunden. Und wirklich konnte jeder noch die regelmäßigen Züge ihres Gesichts er- kennen, eine graziöse Nase, ein feuriges, schwarzes Auge, ein kleines. modelliertes Ohr und ein gewinnendes Lächeln, aber all' das war durch so viel Elendszeichen entstellt, daß ich es vorziehe, mehr von Chalves Arbeitsamkeit, als von ihren Reizen zu sprechen. Denn Chawe war fleißig, so fleißig, wie nur immer eine Jüdin sein kann, wenn sie ihren Mann und ihre vier Kinder von Handelsgeschäften erhält, ii? denen drei Rubel das ganze Umsatzkapital bilden. Wäre Chawe als Katholikin zur Welt gekommen, so hätte sie wahrscheinlich täglich ein Paar polnische Gulden') verdienen und im Ueberfluß leben können; als Jüdin gab es für sie zu viel Arten vondiesem Handel" und sie mußte sich ausschließlich mit dem Zwischenhandel bei unbedingt notwendigen Lebensartikeln begnügen, was ihr in gewöhnlichen Zeit- läuften einen täglichen Reingewinn von 20 bis 25 Groschen') gab. Und das nur bei sehr großen Anstrengungen. Sie mußte des Morgens in die Kolonie laufen, die drei Wirrst') hinter der Stadt lag, die Milch beim Pächter holen und sie in den Häusern aus- tragen; sie mußte in den Nachbardörfern herumlaufen und Butter und Käse für die Beamtenfrauen einkaufen; sie mutzte in die Meierei in der. Nähe der Stadt Petroleum liefern usw. In der Kleinstadt. wo jeder alles im Hause hat oder leicht erreichen kann, ist der Zwischen- Handel im Kauf beschränkt und kann sich nur bei bescheidenen An- sorderungcn aufrecht erhalten. So war denn auch Chawe von Morgengrauen bis zur Nacht auf den Beinen, um ihre 25 Groschen zusammenzubringen. Den Schmerzenspunkt und den verzauberten Kreis ihrer Armut bildete das kleine llmsatzkapital, das größere Hau- delsgeschäfte nicht zuließ. Hätte sie 50 Rubel zur Verfügung gehabt. sie hätte sicherlich schon nach einigen Jahren am Schall b es Seiden- kleider getragen und die Kazimirsker Aristokratie hätte sie artig ge- grüßt. Aber Chawe besaß eben nur drei Rubel Umsatzkapital. Er- Weilern ließ sich dies Kapital nur durch eine Reihe von kühnen und glücklichen Operationen und die beiden wichtigsten. Eigenschaften hierzu, Mut und Ehrgeiz, fehlten ihr nicht. Sie träumte fortwährend von Wohlstand und Risiko. Einmal hatte sie sogar schon fast in einem Dorf ein Angeld auf zehn Töpfe Honig gegeben, aber dann hatte die Furcht, ihr ganzes Bargeld zu verlieren, sie doch zurück- gehalten. Als sie aber späterhin erfuhr, daß einer ihrer Bekannten jenen Honig gekauft und vier Rubel daran verdient hatte, weinte sie sehr und beschloß, sich bei der nächsten Gelegenheit zu einem gewich-. tigen Schritt aufzuraffen. Eines Tages ging sie an die Weichsel , um einige Aale zu kaufen. Als sie näher kam, bemerkte sie unter den Fischern eine gewisse Be- wegung, deren Anlaß drei frisch gefangene Störe bildeten. Sofort kam Chawe ein toller Gedanke: Kaufen? Mit zitternder Stimme fragte sie nach dem Preis. Im Ganzen fünf Groschen das Pfund", antwortete einer der Fischer,es werden einhundertundfünfzig Pfund sein". Chawe begann leidenschaftlich zu handeln. Was ist da zu reden", antwortete der Fischer.Stör haben wir seit einem Monat nicht gefangen, Ihr werdet ihn zu einem Gulden verkaufen". Chawe war von der Aussicht auf Gewinn so betäubt, daß sie den Preis annahm, undunterdessen" drei Rubel gab. Den Rest hoffte sie aus einem sofortigen Verkauf zu erlangen. Während sie vor Aufregung glühend, mit den Fischen zur Stadt ging, überzählte sie in Gedanken alle Häuser, wo sie für ihre Ware Absatz finden konnte. Der Adjunkt, der Schreiber, der llnterschreiber, der Notar» der Bürgermeister, der Kassierer, der Gerber.... fünfzehn Groschen das Pfund, zwanzig, ein Gulden, vielleicht sogar.... Bei diesen Gedanken glänzten Chawcs Augen in altem Glanz und um die Lippen spielte ein reizvolles Lächeln. Sie schob die Haube zurecht und lief so rasch, daß die Fischer mit den Stören ihr kaum folgen konnten. Und wenn niemand kaufte? Eiichunderundfünfzig Pfund Fisch in Kazimierz allein unter- briHen, wo an gewöhnlichen Tagen kaum dreißig Personen sich solch einen Luxus gestatten konnten.... Sie blieb erschrocken stehen. Der Atem stockte ihr plötzlich, aber sie erholte sich sofort wieder und lief weiter. Geht in meine Hütte", sagte sie zu den Fischern, ihnen einen Fisch entreißend,und wartet ein bißchen, ich geh' nur Geld wechseln". ') 15 Kopeken 1 alter polnischer Gulden. ') V. Kopeke= 1 alter polnischer Groschen. ) 1 Wierst ca. 1 km.