Wahnsinn und et itnirgt daS Weib zu Tode. ES ist wahr: mancheecht poetische Stimmung kommt in dem Drama auf. Aber sie wirdstets durch einen gemeinen Auftritt der Phryne grausam vernichtet.Romantischer Geisterspuk im dritten Akt, an Astartes Geistererscheinenin Byrons„Manfred" gemahnend, wechselt mit banalem Kokottenwitzund die Schlutzseene ist gruselig effektvoll. Vielleicht wäre demDrama eine höhere Wirkung beschieden gewesen, wenn die Darstellungauf einwandfreier künstlerischer Höhe gestanden hätte. An StelleOskar Sauers wünschte man doch lieber Basiermann als Hugogesehen zu haben. Dagegen schuf Irene Driesch als Janeeine Leistung, die zuweilen einfach blendend faseinierte. Die scenischeAusstattung, besonders das Bild im dritten Aufzuge: Brügge bei Nebelzeigend, war sehr gut. Schade um soviel Aufwand an Mühe undKosten!— e. k.ek. Residenz-Theater.„Das beste Mittel"(lle bon moyen). Schwank in drei Akten von AlexanderB i s s o n, in völlig freier Bearbeitung von Benno Jacobson.—Wenn man den fröhlichen Lachern glaubt, so müstte diese neueBissonsche Talentgabe besonders gut sein. Dennoch ist sie nichtbesser und nicht schlechter als die meisten andren, die wir kennen.Der Schwank baut sich auf dem alten Thema der Eifersucht auf.Wann und wo gäbe es einen Mann, der nicht eifersüchtig ist, wenner liebt, besonders wenn er eine schöne Frau besitzt und wenn mansich— im Seebade befindet? Da giebt's Gäste und Passanten.Diese letzteren sind aber die gefährlichsten für junge Frauen. DerFlirt ist eine hübsche Beigabe, wenn er harmlos, eine kitzliche Sache,wenn er ins Gegenteil umschlägt. Aber blinde Eifersucht schafft dochdie größte Pein, zumal dann, wenn sie einen Stich ins Pathologischebekommt. So begabte Männlein und Weiblein wissen davon garoft ein bitterböses Lied zu singen. Das beste aller Rezepte, dieEifersucht zu bekämpfen, ist nun, meint Vision, daß die bedrohtePartei mit den gleichen Waffen ficht. Haust du meinen Juden, sohau ich deinen Juden. Ob das Mittel neu und immer probat ist,mag bezweifelt werden. Kommt der Angreifer wie der Angegriffeneaus diesem Wettkampfe mit heiler Haut und fleckenloser Tugenddavon, um so besser für beide. Bei Vision ist dies selbstverständlichder Fall. Erst hat der Mann die Frau mit seiner Eifersucht ge-plagt. Endlich dreht die Frau den Spieß um. Der Gatte soll einfür allemal kuriert werden. Als er dahinter kommt, treibt erseinerseits das gleiche Spiel— und nun wird die holde Gattineifersüchtig, wie nur ein Weib es sein kann. Um diese Angelpunktehat der Autor eine überreiche Fülle von paprizierten Situationenund larmoyanten Albernheiten gehäuft. Es geht toll her. Aberzum Schlusie reichen sich die Eifersüchtigen versöhnt die Hände. AlleStörenfriede sind zum Hause hinausgetrieben— die Tugend setztsich zu Tisch und der Autor reibt sich als geriebener Jongleur überdas lachende Völkchen denkfauler genußsüchtiger Sensationslüstlingespötterselig die beiden Hände. Gespielt wurde gut und flott.—Freie Volksbühne(Lessing-Theater):„Nathan derWeis e". Ein dramatisches Gedicht in fünf Aufzügen von Gott-hold Ephraim Lessing.— Es war ein voller ehrlicherBeifall, der die Aufführung des herrlichen Lessingschen Gedichts letzt-hin begleitete. Und dies mit Recht. Der Regisseur des Stückes,Dr. Ernst Welisch, hatte vorzugsweise auf die größtmöglichste Aus-schöpfung des geistigen Gehalts im festgefügten Rahmen einer imeinzelnen und ganzen fein abgerundeten Vorführung sein Hauptaugen-merk gelenkt. Alle Darsteller waren sichtlich bestrebt, ihre ganze Kunstan die Dichtung zu geben. Erfreulich wirkte die unserm Sprachgefühlmehr nahegebrachte natürliche Auffassung und Wiedergabe derRollen. Gu st a v Kode r hielt sich von der Sonnenthalschen strengklassischen Gestaltung des Nathan fern. Dennoch trat der edleCharakter des Weisen überall in die Erscheinung. Mit dem Glanz-stück, der Geschichte von den drei Ringen, erzielte der Künstler einetiefe Wirkung, wie der einmütige Applaus am Schluß der Scenebewies. Ter Tempelherr von Hermann I o h 11 war einetemperamentvolle Leistung. Gleich frisch und lieblich gab VeraWitt die Recha, und der Daja verlieh Margarete Alb rechteinige resolute realistische Züge. Schöne gewinnende Männlichkeitzeigte Albert Patrys Sultan Saladin. Vorzügliche Charakter-chargen boten Karl W a l d o w als Klosterbruder und JuliusD e p p e als Patriarch. Ihnen schlössen sich M a r i a E r n st(Sittah)und Emil Höf er(Derwisch) würdig an. Summa: eine schöneAufführung voll Kraft und Weihe.— e. k.Musik.Da?„Theater des Westens" ist den Berlinern nicht nurdurch seine wechselnden Schicksale, sondern auch dadurch an das Herzgeivachsen, daß es versucht hat, zu dem engherzigen alten Opernhauseine Ergänzung zu geben. Naturgemäß tritt dabei die leichtere,die Spieloper in den Vordergrund, also daS, was die Franzosen die„Komische Oper" nennen. So hat Direktor H o f p a u r mehrereJahre lang im Ganzen und manchmal im Einzelnen Gutes gethan.Es herrschte eine einigermaßen künstlerische Gesamthaltung: es wurdezum Teil nicht übel gesungen: jedenfalls fehlte es aber an der einengroßen Jndividualkraft, die dabei nötig wäre. Nun hat ein bereitsauch in Berlin bewährter und beliebter Mann, Intendant AloisP r a s ch, die Direktion übernommen und hat anscheinend von vornherein versucht, die Sache von einem höheren Standpunkt aus anzu-Berantwortl. Redakteur! Julius Kaliski in Berlin.— Druck und Verlag:fassen. Schon daß er d e n Komponisten, der unter allen Jüngerenfür die Zukunft das Meiste verspricht, Hans Pfitzner, als erstenKapellmeister engagierte, statt daß dessen Kraft weiterhin brach lag,war ein günstiges Vorzeichen. Auch die Eröffnungsvorstellung, Sonn-abend, den 12. d. M., war eine gute Wahl. FriedrichS m e t a n a, der berühmteste Komponist der Czechen(1824— 1884),ein Tonmeister, der etwas von Mozartschem Geiste besaß, ist uns auchauf den Opernbühnen bekannt durch seine„Verkaufte Braut" unddurch seinen„Kuß": nur daß wir für derlei feine Werke bessereAufführungen wünschen dürfen. Nun wurde sein„D a l i b o r"(aus dem Jahre 1368)) wieder aufgenommen. Das Dramabuch vonJosef Wenzig, deutsch von Max K a l b e ck, verdient geradenoch, daß wir es so und nicht„Textbuch" nennen. Es besitzt dieVorzüge eines ehrenwerten litterarischen Wollens und einesmusikalischen Grundzuges, sonst aber so gut wie nichts. Unter demböhmischen König Wladislaw im 15. Jahrhundert geschieht es, daßZdenko, ein Held des Kampfes und der Geige, nach einem Streitmit einem Burggrafen von diesem enthauptet wird. Sein FreundDalibor nimmt volle Rache, wird aber gefangen und von des ge-töteten Grafen Schwester Milada vor dem Minig belangt. Doch diesewird von seinem hoheitsvollen Sinn umgestimmt und beschließt, ihnzu befreien. Unterstützt von einem dem Dalibor ergebenen Waisen-mädchen Jufta iinS» noch mehr von der Ungeschicklichkeit einestypischen Opern-Kerkermeisters Benesch sucht sie, als Knabe verkleidet,Zutritt zu dem Gefangenen. Allein die Flucht wird verhindert, dieVerständigung mit den von außen zum Angriff Harrenden versagt;Beim schließlichen Losschlagen wird Milada tödlich verwundet, undDalibor würde kein Opernheld sein, wenn er sich nicht über ihrerLeiche erstäche.Die Musik Smetanas zum„Dalibor" ist groß im Kleinen, starkin der breiten Schilderung der Situationen, durchgehend fein undvornehm geführt, ohne mächtige Einfälle, ohne Stürme der Steigerung,einförmig, und dies noch besonders durch ihre monotonen Taktschritte.Ein Dirigent, der scharfkantig zu zeichnen, tief zu wühlen, in alleMannigfaltigkeiten hinein zu unterscheiden strebt, wird bei einersolchen Oper nicht viel aus sich geben können. Möglich, daß HerrPfitzner bei einem andersartigen Werk sich als ein solcher Dirigentzeigt: wahrscheinlich ist es nicht. Er bewährt sich diesmal als einverläßlicher und weit über den besseren Durchschnitt stehender Führer,ganz konzentriert auf seine Aufgabe, ohne irgend eine Regung, dieaufs Publikum Bezug hätte, ohne Eitelkeit, Koketterie und„Nervosität". Daß er das Bühnenbild stört durch die Wucht, mit derer jeglichen Einsatz aus seinem ganzen Körper heraus markiert, ist eineganz andere Sache und heißt uns vielmehr wünschen, daß derOrchesterraum günstiger gebaut sei. Dieser liegt an sich schon tief,ist jetzt etwas erweitert und beherbergt einige Streicher mehr alsfrüher; allein der Dirigentensitz ist für das Publikum zu hoch, und dieTiese des Orchesters genügt noch immer nicht zur nötigen Zurück-Haltung des Schalles. Die Anbringung eines— womöglich beweglichen— Schalldeckels würde noch ziveckmäßiger sein als ein An-spruch an den.Kapellmeister, im Fortissimo weniger lärmen zu lassen.Daß Pfitzner dazu neigt, ist lange nicht das Wichtigste an seinerDirigierweise. Diese zeichnet sich vielmehr vor allem aus durchhöchste Solidität, durch Großzügigkeit des Vortrages und durch einenauffallenden Zug einer ausgleichenden künstlerischen Vornehmheit,speciell mit einer runden Linienführung in den Stärkenuancen.Die Schärfe der Accente und die Beweglichkeit des Zeitmaßes imEinzelnen treten dahinter, nach dieser einen Dirigierleistung zuurteilen, sehr zurück und lassen sie nach unsrem Geschmack etwas weicherscheinen.Dazu kommt noch, daß anscheinend hier wie auf fast allen Opern-bühnen ein Vortragsmeister fehlt, eine Bühnenergänzung desOrchesterdirigenten. Dieser allein reicht schwerlich aus, um denSängern einen tiefgreifenden dramatischen Vortragston beizubringen.zumal wenn er vorwiegend auf zarte Ausgleichung bedacht ist. Wie weitnun alle diese Umstände und wie weit die Einzelkräfte an der jetzigenGesamthaltung beteiligt sind, läßt sich nicht leicht sagen. Die letzterensind diesmal nur ein kleiner Teil des engagierten Personals, und biszu einem Urteil über Praschs Gesamtarmee müssen wir erst nochmehrere neue Aufführungen hören. Einstweilen mag der Gedanke andie Schwierigkeiten des neuen Unternehmens milde stimmen. Auf-fallend ist eine unschöne Vokalisierung mehrerer Sänger undSängerinnen. Ties und eine Dürftigkeit in den tieferen Stimmlagenstörten. B. bei der Darstellerin der Milada, R o x y King, diejedoch im übrigen alles Zeug hat, eine der besten„Hochdramatischen"zu werden. Neben ihr hatte E m m y F r i tz schon durch die Passivitätihrer Rolle, der Jutta, einen schweren Stand: doch sei mit einemnäheren Urteil noch gewartet. Tagegen verriet sich der HeldentenocPaul Bleiben in der Titelrolle sofort als minderwertig: seineStimme ist im Piano nicht übel, sonst aber mindestens unreif. Einandrer Tenor, Theodor Jäger als Dalibors Knappe und nochmehr die Barytone Eugen Ott als ein Befehlshaber und I u a nLucia als König sind ebenfalls geringe Kräfte: letzterer leistet inder Aussprache ganz besonders Unschönes. Der Baß EmilStamm er als Kerkermeister war wohl der beste von allen.Die Regie führte uns um keinen Schritt in irgend Ivelche Fort»schritte hinein. Daß sie sich Mühe gab, die Gruppen verständig zubeleben, verdient nichtsdestoweniger eine Betonung.— sz.V-ovärts Buchdruckern««d VeriagSanstalt Paul Imger& Co., Berlin SW