den Befehl. Krank vor Aufregung begiebt Martin sich schließlich zumPfarrer Laperruque von Gaillardon, offenbart ihm alles und bittetum seinen geistlichen Rat. Der Pfarrer selber weiß sich keinen Rat.Er giebt Martin einen Empfehlungsbrief an den Bischof in Versailles.der den Bauer einer langen Befragung unterzieht, ohne ein Fehl anihm zu entdecken. Er entläßt Martin mit der Mahnung, im Falleneuer Gesichte cm den Pfarrer darüber zu berichten. Zwischen dem21. Januar und dem 5. Mörz 1816 hatte Martin drei neue Jnter-Views mit dem großen Unbekannten, bei deren letztem Martin be-nachrichtigt wird, daß er am folgende Tage vor der obersten Behördedes Departements erscheinen müsse. In der That erhält der Pfarrervon Gaillardon am 6. März vom Herrn de Breteuil, dem Departe-mentspräfekten, den Befehl, Martin vorzuführen. Nach fünfviertel-stündigcm Verhör unter vier Augen war Herr de Breteuil schier außersich vor Erstaunen über das wunderbare Begebnis und teilte demAbbe Laperruque seine Entschließung dahin mit:„Ich wurde nichtmüde, ihn anzuhören. Der Polizeiminister soll Ihren Mann sehen.Ich werde ihn unter Führung einer Person hinschicken, die ihn nichtaus den Augen verlieren soll."(Schluß folgt.)kleines feuilleton.td. Der Inseratenteil. Eigentlich ist er das interessanteste vonder ganzen bürgerlichen Zeitung. Wer ihn richtig zu lesen weiß,liest viel daraus. Gewiß, er besteht nur aus Annoncen, aber wasdie Annoncen nicht erzählen! Das Leben selbst spricht aus ihnen,das Leben in all seinen Höhen und Tiefen, in seinen Harmonienund Dissonanzen. Jede Annonce für sich bedeutet eine Geschichte,und nun erst alle nebeneinander.Da sind zunächst die Heiratsanzeigen. Von der„heiligen Ehe"schwärmt der Philister. Jawohl— heilige Ehe! Heilige Ehe aufLiebe gegründet, während der„beliebte Weg durch die Zeitung"doch„nicht mehr ungewöhnlich" ist.Man trifft übrigens gute Gesellschaft auf diesem Wege, sehr viel„Kavaliere", auch solche mit„altadligem Namen". Sie sind sogarin der Ueberzahl, es ist unglaublich, wieviel Kavaliere Sehnsuchtnach eineni„gemütlichen Heini" und einer„glücklichen Ehe" haben.Was man so„unter Kavalieren„glückliche Ehe" nennt. Geld gehörtnatürlich dazu, viel Geld. Wo die„Auserwählte" Geld hat, darf siesogar„auch bürgerlicher Herkunst" sein. Für eine Mitgift mit fünf,sechs Nullen thur«in wirklicher Kavalier eben alles.Die Andern wissen übrigens auch was sie wollen. Der höhereBeamte sieh: so gut„auf einiges Vennögcn", wie.der„vor-nehme" Kaufmann, der sich auch„gern in ein Geschäfteinheiratet." Handwerksmeister lieben. Ersparnisse", wenn es auchnur„einige" find und eine„gute Wirtschaft" dabei ist.Man kann sich auch sonst orientieren, was auf dem Heirats-markt als„prima Ware" gilt. Die„Frau und das Mädchen ohneAnhang" sind sehr begehrt, die Frau die„mit verdient" desgleichen.Witwen werden„auch" genommen.Nebenbei bemerkt, sind es nicht bloß die Männer, die beimHeiraten ein Geschäft»lachen wollen, auch unsre Damen verstehenzu rechnen, der gebildete Herr mit dem guten Einkommen und„derbessere Mann in sicherer Lebensstellung" sind ihnen sehr begehrteArtikel, auch den Beamten nehmen sie gern, bei dem weiß manwenigstens, daß man— versorgt ist.„Ja, Geld allein macht nicht glücklich, man muß auch welcheshaben," sagen diese Berliner und daß sie wieder einmalrecht haben, lehrt uns eine andre Rubrik des Inseraten-teils, der„Geldverkehr". Was wird da nicht gebotenuild gesucht. Da fleht der Mann, der beim Eheschlußvielleicht mehr„aus Herz und häusliches Gemüt" alsauf Mitgift und Vermögen sah, um Hilfe für die kranke Frau. Dabittet das arme Mädchen um ein Darlehen, da ruft der arbeitsloseFamilienvater„Edeldenkende" um Beistand an. In tausend Seufzernruft die Not, verschuldete und unverschuldete, nach Halt und Stütze.Wird man sie ihr geben?Geld ist da I Oh, Geld die Menge! In Tausenden und Zehn-taufenden wird es verliehen.An die. die da Not leiden? Oh nein! Gegen Sicherheit nurund gute Zinsen.Ja, man wird doch sein guteS Geld nicht etwa ohne Sicherheitfortgeben? Und wer keine Sicherheit hat, was thut der? Oh, esgiebt noch Hilfe. Noch melden die Pfandhäuser alle Tage, daß sie.jede Wertsache" hoch beleihen. Noch künden die Althändler inlangen Annoncen, daß sie Betten, Wäsche, Kleidungsstücke ohnePrahlerei mit den allerhöchsten Preisen bezahlen. Es bedarfnur einer Postkarte, und sie kommen sogar„per Rad" um deinletztes Hab und Gut für einen— Bettel abzuhandeln.Und neben aller Not des Lebens Lust. In großen Inseratenlocken Spiel und Tanz, Theater, Vergnügen, Putz und Tand.Ave Herrlichkeit der Welt ist da, man braucht sich nur zu bücken,um sie aufzunehmen. Wenn man es nur immer könnte. Vielekönnen eS nicht und thun es doch. Und so erzählen andre Annoncenvon den Auktionen des Gerichtsvollziehers, von vernichtetenExistenzen.Der Philister weist entrüstet auf den Arbeitsmarkt..Sehthier her," sagt er,„es giebt ja so viel Arbeit."„Oh ja, es giebt Arbeit, Arbeit die Menge! In dumpfenFabriksälen und finsteren Arbeitsstuben, in engen Comptoiren undlarmvollen Bazaren. Arbeit mit bieler Mühe und wenig Lohn.Und daneben all die lockende Lust, und daneben jene kleinen Inserate,in denen sich reiche, lebensfrohe Herren lebensfrohe Freundinnensuchen— spätere Heirat nicht ausgeschlossen.Die„spätere Heirat" kommt gewöhnlich nie... aber dieTragödie des Lebens lauert dahinter...Das sind die Romane des Inseratenteils, die Romane, die dasLeben selber schreibt.—en. Tie Eisendahn nach Mekka und Medina. Es wird nicht mehrlange dauern, so werden auch die großen jährlichen Pilgerfahrtender Mohamedaner nach ihren Heiligtümern in Mekka und Medinamit der Eisenbahn stattfinden. Das wird übrigens ein großer Segensein, weil die Gefahr der Verbreitung ansteckender Krankheiten, diein jedem Jahr durch das Zusammenströmen vieler Tausender vonmeist mit den einfachsten Grundsätzen der Hygiene nicht vertrautenMohammedanern entsteht, durch die Beförderung der Pilger mit derEisenbahn um einiges vermindert werden dürfte. Die Engländerplanen schon seit einer Reihe von Jahren den Bau einer Bahnlinievon Suez über Medina bis zum nördlichen Persischen Meerbusen,also quer durch die ganze Arabische Halbinsel; der Sultan hat jedochseine Zustimmung zu diesem Projekt hartnäckig versagt. Der Grundzu dieser Weigerung ist wahrscheinlich der Wunsch, die Bahn nachden mohamedanischen Heiligtümern in türkischem Besitz zu wissen.Daher sind in der ganzen muselmanischen Welt Beiträge zum Baueiner Eisenbahn von Damascus nach Mekka gesammelt worden; siesollen jetzt eine genügende Höhe erreicht haben. Die Arbeiten sind bc-reits an Unternehmer vergeben und werden angeblich bald in Angriffgenommen werden. Tie Linie wird der großen Karawanenstraßefolgen, die seit den ältesten Zeiten den Handelsverkehr zwischen derHauptstadt Syriens und den beiden heiligen Städten Arabiens der-mittclt. Die Strecke von Damascus nach Muzerib(120 Kilometer)war schon unabhängig von den jetzigen Plänen in Angriff genommenund wird vermutlich noch in diesem Jahr fertiggestellt werden. VonMuzerib soll die Linie nach dem Nordende des Toten Meeres der-laufen, dann weiter nach Maan, an der Südgrcnze von Palästina.bis wohin die vorbereitenden Studien für den Eisenbahnbau gelangtsind. Von Maan ist eine Zweigbahn nach Akaba am gleichnamigenMeerbusen des Roten Meeres in Aussicht genommen.Für die Ausführung dieser ersten Arbeiten sind bisher über160 000 türkische Pfund ausgegeben worden. Mit dem Mittelmeerwird die neue Bahn durch die Linie Damascus— Beirut verbundenwerden, vielleicht auch noch durch einen weiteren Zweig in der Höhedes Sees von Tiberias.—Aus der Pflanzenwelt.— Ein neues Ackerunkraut. F. Ludwig schreibt im„Prometheus": Die aus Südeuropa stammende Pflanze Silenedidiotonia, das gabelästige Leimkraut, taucht in den deutschen Florenzuerst als verwildert Mitte der achtziger Jahre auf, so 1386 beiBrünn, Wien, Köpenick, 1890 bei Prüft(Westpreußen). DerJahresbericht der Kommission für die Flora von Deutschland meldetaber erst für die Jahre 1392— 1895 eine weitere Verbreitung(be-sonders durch den Kleesamen). Sie scheint eines der lästigsten Un-kräuter der Kleefelder zu werden, wenn nicht bald Maßregeln zurAusrottung getroffen werden. Durch den fremdländischen Bezug desSamens für Klee und Getreide werden auch andre Unkräuter ein-geführt, auf die man ein wachsames Auge haben muß. So findetsich die durch widerlichen Gestank ausgezeichnete DoldenpflanzeLikörs radians, die„Doppclkugel", welche vordem nur inSüdeuropa und bei Podiebrad in Böhmen vorkam, jetzt auf Acckernbei Zürich, Münsingen in Württemberg und seit diesem Jahr zwischender Saat bei Greiz. Der widerliche Gestank dieser Pflanze, welcherrasch die Kleider durchdringt und auch von den Händen erst nachmehrmaligem Abwaschen schlvindet, wird merkwürdigerweise in denFloren nicht erwähnt. Er wird mir aber durch Herrn ProfessorPaul Ascherson bestätigt. Letzterer schrieb mir:„Daß die Art inten-siven Wanzengeruch hat. habe ich selbst in Varna wahrgenommen,wo ich 1887 zwei Stunden auf den Zug warten muhte. Ich packtewenige Exemplare in mein Pflanzcnpapier, warf sie nachher aberweg, weil ich vor den rumänischen Zollbeamten und ihren Reblaus-Velleitäten gewarnt wurde. Der Geruch blieb aber; die Zöllnerschnüffelten, konnten aber nichts beanstanden."—•Geologisches.— Erdachsen-Schwankungen. Auf der jüngst zuKopenhagen abgehaltenen Versammlung der Internationalen Erd-Messung beschäftigte man sich auch mit dem Problem der Erdachsen-Schlvankungen. Die bisherigen Ergebnisse der Forschungen auf diesemGebiet lagen der Kopenhagener Versammlung im ersten Band dervon Th. Albrecht in Potsdam herausgegebenen Resultate des Jnter-nationalen Breitendienstes vor. Aus dem reichen Inhalt diesesWerkes teilt die„Vossifche Zeitung" folgendes mit: Für die Bahn,welche der jeweilige Nordpol auf der Erdoberfläche um einen als festangenommenen mittleren Pol beschreibt, hat fich für die Jahre 1900bis 1902 eine ziemlich unregelmäßige Spirallinie ergeben, derengrößter Ausschlag etwa in den Juli des Jahres 1902 fällt. Dabei