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Blötzlich tauchte ihm blißartig eine Situation aus seinem Reiseleben auf: Da saßen zwei junge Burschen im Walde , nahe bei der Landstraße, und aßen einen Hering, den sie sich im legten Dorfe gekauft hatten. Den lezten Groschen hat er gekostet. Dem Grübelnden trat flar vor Augen, wie sie diese Mahlzeit geteilt hatten, wie der Fisch durchschnitten und wie dann geraten wurde: Rücken oder Schneide? Und der das obere und fetteste Stück ervischte das war Sentifaß. Ja, nun wurde es ihm immer deutlicher. Sie hatten sich in einer Herberge getroffen und waren, weil Berufskollegen, miteinander weiter gewandert. Schlosser auch
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nicht machen. Er ist viel zu flug und zu erfahren, um durch solches grübelte. In seinem Gedächtnis rollte fich der Faden der ErGebaren seinen Ruf aufs Spiel zu sehen. Aber er giebt den Kriegern innerung nur sehr unordentlich ab. Es wollte sich nicht ordnen zu Medikamente, die vor den gefürchteten Leber- und Herzverlegungen flaren Gedankenreihen, aus denen er den Namen zu fischen gedachte. schüßen und Speerstiche weniger gefährlich machen sollen. In die Es mußte ungeheuer viel dazwischen liegen, seit er ihn zum erstens Schlacht zieht auch der Kriegschirurgus mit. Hat ein größeres Ge- mal gehört. fecht stattgefunden und liegen viele Verwundete auf der Wahlstatt, so geht der Arzt zwischen diesen umher, im Munde den Schaft und die Frucht einer Pflanze kauend. Mit dem angesammelten Saft speit er den Daliegenden ins Gesicht. Bleibt jeder Reflex im Gesicht aus, so ist das für ihn ein Zeichen, daß er eine Leiche vor sich hat, an die er feine foftbare Zeit nicht zu verschwenden braucht. Kneift der so Behandelte aber die Augen zusammen oder giebt sonst irgend ein Lebenszeichen von sich, so wird er aufgehoben und in Behandlung genommen. Diese besteht zumeist in Umschlägen aus zerstampften Pflanzenblättern oder Aufgüssen, die innerlich genommen werden. Außer diesem Kriegschirurgus giebt es noch einen andren das war richtig.. chirurgischen Specialisten für- Friedensverlegungen. Bei diesem lernte Dr. Born ein interessantes Mittel kennen. Es scheint örtlich schmerzstillend zu wirken und besteht aus geriebenen Blüten und Stengeln der Amrutsch", einer kleinen rötlich blühenden Pflanze. Es wird bei Knochenbrüchen auf die verlegte Stelle gestrichen, damit der Verletzte bei Einstellung der Knochenenden keine Schmerzen verspürt. Auch sonst wird es gegen Neuralgie und rheumatische Affektion mit angeblich gutem Erfolg angewandt. Die andren zahlreichen Medikamente dieses Friedensarztes sollen hauptsächlich gegen die üblen Folgen des Sturzes von der Kokospalme beim Nüsseabpflücken einer Unfallverlegung, die in Jong sehr häufig vorkommt. Diesen im Lande angesehenen Specialisten ist unerwartet ein Konkurrent entstanden in dem deutschen Regierungsarzt, der auf Jong sogar ein Krankenhaus für Eingeborene begründet hat, und sich eines großen Vertrauens von seiten der gutmütigen und heiteren Bewohner der Insel erfreut. Er beherrscht natürlich alle Fächer der Medizin und heilt zum Erstaunen seiner farbigen Kollegen und Patienten alle Krankheiten.
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Einen Gegensatz zu diesen ehrlichen Specialisten von Jong
bilden die Zauberärzte der Tonnilan auf Ceylon. Einer von ihnen war eines Leichenraubes beschuldigt. Man nahm bei ihm eine Haussuchung vor und fand in der That die Leiche eines Kindes. Bei dieser Gelegenheit fiel der Behörde auch eine Sammlung von Rezepten in die Hände. Es handelte sich in ihnen um die Herstellung schädlicher Mischungen und Gifte für alle nur denkbaren Fälle: um die Liebe eines Weibes zu erlangen, um eine Entzweiung zwischen dem Gatten und der Gattin zu bewirken, um von einem Dämon besessen zu machen, um Krankheiten zu verursachen, um den Tod eines Feindes zu veranlassen. In der beträchtlichen Sammlung von Hausmitteln" war unter den zahlreichen Rezepten auch nicht ein einziges, um Krankheiten zu heilen!
Eine indianische Specialität sind die bellenden Aerzte" oder besser gesagt die„ bellenden Aerztinnen", weil die Kur zumeist von Weibern ausgeführt wird. Sie pflegen die Krankheit herauszusaugen, und bei dieser Procedur heulen sie wie ein Hund vor dem Patienten und bellen stundenlang.
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beobachtete den Alten. Eh' der auch sein bißchen Suppe vertilgte! Das Dienstmädchen stand schon ein Weilchen in der Thür und Das dauerte ewig. Schlafen Se man nich ein, Männeken!" Der Alte hob den Kopf und lächelte: Nee, Fräuleinchen. Es is bloßtippte mit dem Finger auf ihren bloßen Arm: Sagen Se mal: mir is da nämlich was eingefallen." Er stand auf und hr Herr, das is doch so'n Schlanker mit' n schwarzen Schnurrbart?"
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„ Schlank?" Das Mädchen lachte. Früher is er vielleicht mal schlank gewesen. Jetzt: teene Spur. Aber' n schwarzen Bart- ja, über und unter de Lippe."
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Es is nämlich' n alter Freund von mir." „ Erzählen Se mir man feene Märchens. Die Freunde von meine Von Ihnen?" Sie musterte ihn von oben bis unten. Herrschaft haben andre Hosen an."
murmelte etwas undeutliches. Dann neigte er sich geheimnisvoll Der Alte ließ den Blick an seinem Anzug hinuntergehen und zu dem Mädchen:„ Solche Hosen hat Ihr Herr auch' mal angehabt." „ Was?" Thür ein fester Schritt war auf dem Korridor hörbar geworden-: Sie sah ihn ungläubig an und wandte sich zur Herr Sentifaß!"
Ein großer schwarzbärtiger Mann trat in den Thürrahmen. ,, Das will' n Bekannter von Ihnen sein."
Quatsch!" Sentifaß musterte den Alten geringschäzig.
Der nickte ihm lächelnd zu:" Ja, ja! Wir war'n zusammen der Walze, alter Freund."
" Walze?"
auf Der Schlossermeister stuzte. Wie ein Erinnern ging's über sein Gesicht. Dann sagte er talt:„ Das is'n Irrtum. Das wird woll' n andrer gewesen sein."
wieder in seinem Gedächtnis. „ Nee, nee. Es is bloß schon lange her." Der Alte framte
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So an die zwanzig oder dreißig Jahre. Da unten, nach'm Badischen' rein war's. Wir Beid' haben hast' n Kopf gekriegt- weiß ich noch wie heute."" Er lachte und da zuſammen im Wald gesessen und' n Hering verspeist. Und Du nickte vor sich hin.
Dem Schlossermeister stieg's rot in das Gesicht:„ Vor allen Dingen' mal nich so intim, alter Junge! Schließlich erzählen Sie hier noch, ich hab' mit Ihnen eingebrochen, was?"
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Eingebrochen?" Der Alte schüttelte den Kopf.„ Ach so! Nee, nee!" Er lachte auf. So weit sind wir noch nicht. Aber gefochten gefochten hast' mit mir! Ja!' n Hut hast in der Hand gehalten wie ich heut' bei Dir. Ich hab' Suppe gekriegt ich dant Dir schön."
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Charakteristisch ist auch die häufiger wiederkehrende Ausbildung eines ärztlichen Specialistentums für Arm und Reich, Hoch und Niedrig. Bei den alten Beruanern gab es Aerzte, die sich mit dem gemeinen Volke nicht beschäftigten, sondern nur in den höheren Gesellschaftsschichten, bei den höheren Beamten, den Priestern, den Inka prattizierten. Die Japaner, die jetzt so ausgezeichnete Aerzte, darunter tüchtige Forscher besißen, hatten früher auch zwei Aerzteklassen: Voltsärzte und Fürstenärzte. Die ersteren entstammten den unteren Klassen der Ackerbauer, Handwerker und Kaufleute, die letzteren der ritterlichen Samuraikaste. Aber zu Fürſtenärzten wurden nur die jenigen Samuraisöhne bestimmt, die wegen körperlicher und geistiger Gebrechen untauglich zur Erlernung des Kriegerhandwerks waren; verwachsene, hinkende, sonst verunstaltete und schwächliche Nach tommen. Natürlich empfanden die jungen Leute diese Standeswahl als Du heißt doch Heinrich!" eine Herabseßung, und betrachteten ihren Stand ihr Leben lang als Schon. Aber der andre Name. Und dann: Schlosser. Ich ein notwendiges lebel und als eine jeder weiteren besonderen Anbin doch auch Schloffer. Hab' Unglüd gehabt, viel Unglück." Und strengung unwürdige Sinecure. Die Siamesen haben noch heute nach als der andre teilnahmslos blieb:„ Dent' doch' mal nach! Mützel diesem Muster mehrere Arten von Aerzten, wie die Aerzte des Königs, heiß ich, Hermann Müzel!" die Aerzte des Adels und die Aerzte des Volkes.
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Nu bringen Se bloß keine Dinger auf!" Sentifaß war wütend. Ich kenn' Sie nich. Damit basta!" Er wollte in die Thür.
Der andre hielt ihn am Aermet fest: Heinrich! Nich wahr- " Es giebt' ne Menge Heinrichs."
Renn' ich nich 1" Sentifaß sah mit kalter, fremder Miene über
Schließlich seien als kuriose Specialisten noch die Träumer" auf den Andamanen genannt. Sie rühmen sich der Eigenschaft, im ihn hinweg. Traume die Geister der Verstorbenen oder Kranken zu sehen und von ihnen Auskunft über Krankheiten und deren Heilung zu erhalten. C. Falkenhorst.
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Kleines feuilleton.
rz. Bergeßlichkeit. Das Dienstmädchen hatte dem alten Handwerksburschen einen Teller Suppe hinausgereicht, den er nun auf der Treppe verzehrte. Dabei grübelte er über den Namen nach, den er soeben am Thürschilde gelesen:" Sentifaß" und darunter den Titel: Schlossermeister". Das hatte etwas in ihm aufgeweckt, er wußte noch nicht recht was. Der Name war gewiß felten- und doch war er ihm schon einmal in seinem Leben begegnet. Aber wann? Aber wo? Sentifaß,"" Sentifaß"; der Alte murmelte es beim Löffeln feiner Suppe vor sich hin und schüttelte den struppigen Kopf. Es mußte schon sehr, sehr lange her sein.
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Wir sind doch aber' n halbes Jahr bald zusammen getippelt!" " Wir?" Der Schlossermeister faßte ihn hart an. Wir nich! Mann! Se wolln mich woll in Verruf bringen in mein' Haus? Vorwärts, marsch!"
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Verruf?" Der Alte jah ihn verständnislos an. Ach so. Bift' n großer Herr jetzt. Und Dein Hans? Sieh, fieh." Er nahm einen Rodzipfel seines ehemaligen Reisekameraden. Feines Tuch." Dann hielt er eine Ecke seines verschossenen Jacketts dagegen.„ Das is' ne andre Sorte! Jaja, so is das Leben, Heinrich." ,, Also, was woll'n Sie von mir?" Sentifaß schrie's ihm fast in das Geficht.„ Ach so" er griff in die Tasche.
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Der Alte faßte mit beiden Händen den Arm des andern: Heinrich! Sag' mal: hast nich' n bißchen Arbeit für mich." Bittend lang's.
Nein!" Sentifaß schüttelte ihn von fich. Für fo'n alten Walzbruder hab' ich überhaupt nie Arbeit!"
So, so." Der Handwerksbursche trat einen Schritt zurück und Die Suppe war gegessen. Der Handwerksbursche saß noch sah nachdenklich vor sich nieder. Für so'n alten Walzbruder immer auf den Treppenstufen, den leeren Teller im Schoß, und ja, siehst, so sagt ein jeder. Und ich werd' immer älter dabei.