Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 234.

GT 1b

Dienstag, den 1. Dezember.

( Nachdruck verboten.)

Das Verbrechen des Arztes.

12] si Roman von J. H. Rosny.

Autorisierte Uebertragung von M. v. Berthof. Darauf lieh Guy den Gedanken, die wie ein physischer Schmerz an ihm nagten, halb und halb Ausdruck.

1903

Kleider irgendwie dafür sprachen, daß ihm Gewalt angethan worden war?"

Nein, Herr Richter. Ich befand mich vor einem Menschen, der, vom Schlage getroffen, auf die natürlichste Art der Welt hingefallen war. Plessis litt an einigen unheilbaren Krankheiten. Besonders das Herz war angegriffen. Selbst unter den günstigsten Umständen hätte er bloß einige Monate leben können. Es unterliegt feinem Zweifel, daß der Sturz dazu beigetragen hat, die Folgen des Schlaganfalles zu ver­schlimmern. Wenn jemand dabei gewesen wäre oder der Mir scheint alles wie ein Traum, der sich, sobald ich Schlaganfall stattgefunden hätte, während er im Bette lag, erst von hier fort sein werde, in sein Nichts auflösen wird... dann hätte er noch eine Weile leben können." mir ist es, als ob ich Sie vielleicht zum letztenmal jähe! Es trat Schweigen ein. In dem Maße, als das Verhör Gestern habe ich Sie geliebt, heute morgen fühlte ich diese Liebe noch stärker, jetzt ist dieses Gefühl so heftig, daß es mir fast unerträglich erscheint."

"

Er war vor ihr aufs Knie gesunken, sah ihr beschwörend in die Augen, legte den Arm um sie, 30g fie an sich und drückte einen langen, verzehrenden Kuß auf ihren Mund.

Verzeihen Sie mir," sagte er, während sie sich bleich und zitternd losmachte... ich will Vertrauen fassen, sagen Sie mir nur, daß Sie mir vergeben!"

Sie reichte ihm schweigend die Hand, beschämt über die Verwirrung, die sie empfand, beschämt über das sonderbare Erschauern, das sie bis in ihr innerstes Sein gefühlt hatte und das sie unwillkürlich wieder zu empfinden wünschte.

Nun denn," sagte sich Guy, als er im Wagen saß, der ihn zum Richter bringen sollte, es ist doch immerhin schon ein Glück, dieses entzückende Geschöpf umarmt zu haben. Wenn ich dennoch sterben muß, dann wird es mir etwas leichter werden...

sich ausdehnte, fühlte sich Guy gleichzeitig sicherer und doch wieder beunruhigt. Bisher waren alles mur Nebenfragen ge­wesen. Der Richter schien an die Möglichkeit eines Ueber­falles, der von Gewaltthätigkeiten begleitet war, zu glauben, und wenn er bei diesem System blieb, war gar nicht daran zu zweifeln, daß damit die Sache erledigt sein würde. Aber das fonnte auch eine Finte sein. Dieser Philosoph mit den glanzlosen Augen gehörte vielleicht der Schule jener an, die nicht direkt auf ihre Sache losgehen, die, um dem Schuldigen eher beizukommen, das Wichtigste durch Nebenfragen bergen. " Wie erklären Sie," begann der Richter wieder, daß die Thür offen geblieben war?"

,, Dafür habe ich keine Erklärung," sagte Guy kühl. Vielleicht hat die Aufwärterin die Thür zuzumachen ver­gessen, was mir aber gar nicht wahrscheinlich vorkommt, viel­Teicht hat sie sie zu stark zugezogen, wodurch sie dann leicht wieder aufspringt, wenn das Schloß alt und defekt ist, viel­mad leicht ist schließlich auch Plessis selbst bis an die Thür ge­gangen hat sie geöffnet und hat, vom Schwindel erfaßt, versucht, wieder in sein Bett zu gelangen."

3.( m) sd thing Der Untersuchungsrichter war ein großer, hagerer Mann mit glanzlosen Augen. Er erhob den Kopf beim Eintritt des Doftors, schien aber den Eintretenden gar nicht zu sehen.

Doktor Herbeline? Schön. Ich habe Sie vorgeladen zur Aufklärung eines Zweifels hinsichtlich des Todes des Herrn Plessis, Rue de Penthièvre. Sie waren Zeuge seines Endes. Ist er eines natürlichen Todes gestorben?" spo

Dieser Mann schüchterte Herbeline keineswegs ein, aber gleichwohl mißtraute er ihm. Er antwortete ruhig:

Eines ganz natürlichen Todes, Herr Nichter!" Sehr wohl. Aber, hat er nicht auf dem Fußboden ge­Tegen? Hatte er nicht eine Wunde am Kopfe?"

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,, Nur eine einfache Hautabschürfung. Was aber den Sturz betrifft, so hat derselbe möglicherweise ich glaube es zwar nicht, aber möglich wäre es immerhin den Tod des armen Mannes beschleunigt, der aber übrigens unrettbar verloren war."

Der Fall schien Ihnen nicht die Folge irgend eines Gewaltaktes?" onis Der Fall war durchaus normal. So bricht ein Mensch zusammen, der vom Schlag getroffen wird, und nicht das ge­ringste Zeichen spricht dafür, daß ihm Gewalt angethan wurde. Was die Hautabschürfung betrifft, so ist sie dadurch erklärt, daß sich Plessis beim Fallen an die Kante des Möbels angeschlagen haben mag, neben dem er gerade stand."

Gewohnheitsmäßig flopfte der Untersuchungsrichter auf einen Stoß Papiere.

Sehr wohl... Aber... haben Sie nicht die Wohnungs­thür offen gefunden? War Plessis nicht ganz allein?"

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Warum sollte Plessis die Thür geöffnet haben?"

,, Beispielsweise, um jemand zu rufen. Er hat sich viel­leicht schon unwohl gefühlt. Uebrigens scheint mir diese Hypothese die wenigst wahrscheinliche von allen. Nach meiner Ansicht ist Plessis in seinem Zimmer vom Schlage getroffen worden..."

,, Also genau betrachtet, sind Sie nicht der Meinung, man fönne annehmen, jemand sei in seine Wohnung eingedrungen? Der Hausbesorger, dessen Ansicht in solchen Fällen für das Gericht wertvoll ist, ist entgegengesetter Meinung, und die Aufwärterin glaubt, die Thür geschlossen zu haben. Also müßte ein Einbruch geschehen sein."

" Ich kann nicht gut einsehen, worauf der Hausbesorger seine Ansicht gründet."

Nun," antwortete der Richter mit fester Stimme ,,, das verhält sich so: Es scheint, daß ein Individuum, dessen Gestalt zu drei Vierteln durch einen Ueberrock mit hohem Kragen verhüllt war, gegen halb neun Uhr abends die Treppe hinauf­ging. Der Hausbesorger fragte ihn, zu wem er wolle. Er antwortete, daß er einen Herrn Moreau aufsuche, der that­sächlich zu den Bewohnern des Hauses zählt. Der Haus­besorger hat jenes Individuum nicht wieder herauskommen gesehen, und Herr Moreau, der gefragt wurde, hat bestimmt ausgesagt, jenen Besuch nicht empfangen zu haben. Da steckt irgend etwas dahinter..

Unordnung."

"

" Ist das endlich eine Falle?" dachte bei sich Herbeline, den diese Erzählung sehr bestürzte. Ehrlich gestanden," fuhr er laut fort, hätte es mir doch auffallen müssen, wenn man Die Wohmmgsthür war halb offen. Ich habe sogar in der Wohnung von Plessis eingebrochen hätte. geglaubt, daß Plessis, der ganz besonders leise in seinen Beschien mir aber in der gewohnten Ordnung oder richtiger wegungen war und Hausschuhe mit Filzsohlen trug, fie auf mein Läuten hin geöffnet hätte, ohne daß ich es bemerkte. Ja!" unterbrach ihn der Richter, diese Unordmung! Ueberrascht, das Vorzimmer leer zu finden, ging ich hinein Diese Wohnung war in einem Zustande, die jeder Annahme and flopfte an die Thür des Schlafzimmers, aus dem ein Thür und Thor offen läßt. Man hätte Gott   weiß was dort Lichtschimmer drang. Da ich keine Antwort erhielt, und, anstellen können, so chaotisch war der Anblick. Aber ich gebe beunruhigt durch den Gedanken, daß ihm etwas widerfahren zu, daß dieser Zustand nach allen übereinstimmenden Aussagen sein könnte, besonders da er mich an diesem Abend zu sich be- der normale Zustand dieser Behausung war. Trotzdem würde stellt hatte, öffnete ich die Thür und sah den Körper des das der Annahme eines Einbruches nicht widersprechen, im Greises am Boden hingestreckt liegen." Gegenteil die Möglichkeit dafür noch erhöhen. In diesem sonderbaren Bazar konnte man, das ist ganz klar, stehlen, ohne daß man den Spizbuben auf den ersten Blick findet. Ich möchte noch zwei Fragen an Sie richten, was die Familien­

Und Sie sagen verzeihen Sie, daß ich immer wieder auf diesen Punkt zurückkomme, daß die Lage, in der Sie ihn fanden, normal war, daß weder sein Körper noch seine