Ach, Mama, die Himmelblaue will tanzen!" " Ja, die will tanzen!"

-967

Die hellen Kinderaugen strahlen und leuchten, und die Mamas machen glüdliche Gesichter. Es ist alles ein Jubel und ein Freuen, ein ganz wunschloses Freuen. Diese Allerkleinsten haben noch gar nicht das Begehren nach all der Herrlichkeit dadrinnen; sie jubeln schon, daß die Herrlichkeit bloß da ist, und daß sie sie betrachten können. Und die Großen jubeln mit.

Nein, sieh bloß die Puppen!"

Die Himmelblaue ist die allerschönste!"

" Aber die kosten was! Solche große ist ja unter zivanzig Mark nicht zu haben. Ich hab' Lieschen mal eine schenken wollen, aber so was ist nichts für..." Ein leiser Seufzer.

Er flingt von einem andren Lippenpaar zurück. Die junge Frau mit dem schmalen, verhärmten Gesicht zieht das abgetragene Capes fefter um die Schulter und geht rasch weiter. Zwanzig Mart! Zwanzig Mart für' ne Puppe und unsereins hat kaum Arbeit und Brot!" Sie murmelt es vor sich hin.

Eine Schar Badfische kommt des Weges. Alle elegant und sehr begierig. Wollen schon die Damen herausbeißen, aber nun sehen sie die Puppen und nun verschwindet alle Damenhaftigkeit.

" Ach sieh mal, fieh mal!" Derselbe Ruf wie bei den Allerkleinsten. " Käthe, sich doch bloß die Blauseidene! Ach solche muß ich haben!" ,, Nein, ich möchte lieber die mit dem roten Sammetkleid und dem großen Spizentragen." " Ich möchte überhaupt keine Puppen, ich lasse mir nur Schmud fachen schenken! Puppen sind findisch." Die Größte rümpft das Näschen. Na ja, Erna thut sich." Die andern lachen und schubsen sie und fangen wieder von den Puppen an:" Solche große friege ich"; zeigt Käthe: Die fostet schon bloß unangezogen dreißig Mark, und Mama läßt ihr' n seidnes Kleid machen mit hochstehend gebrannten Plissees. Ich hab' schon gehorcht."

Ach und ich.. ich friege' ne Kochmaschine mit Nickelgeschirr und' n Speise- Sportwagen, da ist alles Geschirr drauf, was man für' ne Theegesellschaft braucht. Man kann es vom Salon in den Garten fahren, und denn zieht man' ne Klappe auf und der Wagen ift gleich' n Speisetisch."

Au, den friegst Du?" die andern staunen.

Aber der ist theuer", sagt eine Kleine bewundernd, solch' Wagen toftet fast hundert Mark."

Na was thut' n das?" Die andre lächelte überlegen. Mein fleiner Bruder bekommt' n Kriegsschiff, da hat Papa sogar hundert­fünfzig Mark für bezahlt."

Wir sind doch nicht Grete Meißner", fällt Käthe spöttisch ein. " Ja, was sagt Ihr bloß zu Grete Meißner? Die triegt jeden Weihnachten dieselbe Buppe, bloß mit' nem neuen Kleid. Und das näht ihr noch ihre Mutter selber."

Na ja, die Meißners sind auch so arm, die Mutter näht ja überhaupt für andre Leute."

Und Grete hat' ne Freistelle in der Schule, weil sie so

viel fann."

Wißt Jhr, lieber möchte ich nichts tönnen, als bloß auf' ner Freistelle in der Schule sein." Allgemeines Gelächter, sie nehmen fich wieder Arm in Arm und trippeln geziert davon.

Aber die Lücke vor dem Fenster schließt sich sofort und immer von neuem klingt das Ach sieh' mal!"

des écrivain public", bas seit 1824 an dieser Stelle betrieben wird, von ihrem Vater geerbt, und geben ihren Erwerb noch lange nicht ver Toren. Das faire la lettre", die Abfassung von Briefen, die früher den weitaus größten Teil ausmachte und sehr einträglich war, ist zwar auf einen ganz kleinen Umfang zusammengeschrumpft, immerhin giebt es noch eine ganze Anzahl von Briefen anzufertigen. Denn mit der Federführung allein ist es noch nicht getan, und wenn vielen die Hand auch gelentig genug ist, um Schriftzüge zu malen, so hapert es mit der Orthographie. Dann kommt die Anfertigung von Bitt­schriften aller Art, die mit ihren mannigfaltigen obligatorischen Formeln selbst für weniger Ungebildete noch immer eine Geheim­wissenschaft bleiben. Wie der Inhaber der Bude bei St. Lazare versichert, hat er sogar so viel zu thun, daß er sich eine Schreib­maschine anschaffen mußte, und daß er jetzt mit der Absicht umgeht, das Geschäft in ein bequemeres geschlossenes Lokal zu verlegen. Freilich, ihre Liebesbriefe können die meisten Menschen heute selbst schreiben, aber sie haben andre neue Bedürfnisse bekommen, für welche der écrivain public" ein unentbehrlicher Helfer geworden ist. Die vornehme Dame, die ihren Brief viel besser stilisieren könnte als der öffentliche Schreiber, kommt, weil ihre eigene Schrift sie ver­raten könnte, die fille- mère, die ihren Fehltritt nicht entdecken lassen will und sich bei der Amme auf dem Lande nach der Kleinen erkundigt. Dann aber und dieser Zweig des Betriebs mehrt sich mit jedem Tag folgt die Reihe der Kunden, die eine Rede zu halten haben und nicht reich genug an Ideen sind. So manche der schönen Ergüsse. welche die Ehrenpräsidenten der populären Gefangvereine, Turn vereine ustv. bei festlichen Gelegenheiten von sich geben, stammen aus dem Kopfe des écrivain", dann die Ansprachen bei Begräbnissen, bei Hochzeiten. Endlich ist der écrivain" auch der Dichter von Ge legenheitsgedichten, von Trinksprüchen und andren Improvisationen" Nicht wenig zur Erhaltung des Gewerbes tragen auch die Liebhaber von Orden und Verdienstmedaillen bei. Zunächst muß der écrivain " mit entscheiden, ob man überhaupt Aussicht auf den mérite agricole" oder diese und jene Auszeichnung hat. Dann besorgt er, wenn der Kandidat keine Beziehungen hat, die Vermittelung mit den ein­flußreichen Leuten, seien diese auch nur der bei den Deputierten­wahlen maßgebende Sneipwirt des Bezirks. So also, meint der lette öffentliche Schreiber von Paris , muß man sich dem Fortschritt an= zupassen verstehen und man erleidet keinen Schaden.

-

-

-

"

tt. Der Hagedornapfel. Seit etwa fünf Jahren wird keine Apfelsorte so oft erwähnt und viel gerühmt wie der Hagedornapfel. Im Jahre 1899 hat ihn eine viel gelesene Gartenbau- Zeitschrift, " Der praktische Ratgeber", sehr warm empfohlen, und seit diefer Beit ist er von vielen angepflanzt worden. Gelegentlich einer Um­frage über diese Sorte liefen bei der erwähnten Zeitschrift von den verschiedensten Orten Deutschlands die günstigsten Berichte ein. Der Hagedornapfel beginnt nämlich sehr bald zu tragen, schon im zweiten Jahre der Pflanzung, und er trägt alsdann regelmäßig jedes Jahr. Wer die Sorte also im Jahre 1899 oder auch selbst erst 1900 gepflanzt hat, der hat schon mehrere Ernten gemacht und fann sich über die Eigenschaften des Baumes bereits ein Urteil bilden. Selbstverständlich werden immer wieder neue oder neu hervor gesuchte Apfelsorten empfohlen, aber meistens werden diese doch bald wieder vergessen. Der Hagedornapfel ist jedoch eine Sorte, die allgemein Anerkennung findet, so wie vorher der Bismarckapfel und noch früher die Goldparmäne Ereignisse im Obstbau gewesen waren. Der Bismarcapfel hatte allerdings nur durch seine frühe Fruchtbar­feit und die Größe seiner Früchte Aufsehen erregt, die Goldparmäne aber wird als eine der vorzüglichsten, wohlschmeckendsten und dabei anspruchslosen Sorten ihr Ansehen behalten. Der Hagedornapfel " Na warum denn nicht? Sind die denn nicht reizend?" steht gewissermaßen zwischen beiden in der Mitte. Er ist außer­Aber, Ella, das find ja Fünfgrofchenpuppen. Die kannst Du ordentlich anspruchslos, auf jedem Boden, der überhaupt wohl für arme Kinder nehmen, aber doch nicht für Deine Nichte." zum Obstbau nur noch noch einigermaßen zu gebrauchen ist, Na ich sehe doch nicht so weit." und Die andre entschuldigt sich gedeiht er, er wächst auch in rauhen Gebirgslagen, förmlich:" Für arme Kinder gebe ich überhaupt keine Buppen, da so zum Beispiel auf dem Riefengebirge in einer Meereshöhe gebe ich Strickshawls und wollene Strümpfe, das ist für die lange bis 750 Meter. Er ist auch im Laube wie im Holze sehr gesund, gut genug." und seine Blüten sind weder gegen Frost noch gegen Regen ent pfindlich. Gerade diese Eigenschaft ist von großer Wichtigkeit bei einem Apfel, denn nur zu oft vernichten Nachtfrost oder anhaltendes Regenwetter zur Zeit der Blüte den ganzen Jahresertrag. Der Baum ist an und für sich sehr fruchtbar, aber erst diese Unempfindlich­feit zur Zeit der Blüte macht eine jährliche Ernte ziemlich sicher. Ein Gartenbesitzer aus Rothenburg schreibt, er habe einen Hagedorn­apfel vor etwa 15 Jahren gepflanzt; zwei Jahre, nachdem er gesezt war, habe er getragen und von da an tein Jahr geruht. Dabei habe er jedes Jahr überreichlich voll gehangen, jeit den letzten bier Jahren habe er gestützt werden müssen.

" Da sind ja auch ganz fleine Puppen, guck doch mal, die da hinten Reigen tanzen. Davon fönnte ich zwei für Gretchen nehmen." Aber Ella!" Die Dame mit dem breiten Persianatragen fagt es im Tone höchster Entrüftung.

Ach überhaupt diese Wohltätigkeit, wenn ich nicht unsrer Stellung wegen müßte, ich thäte überhaupt nicht mit.

" Ja, es ist eine schauderhafte Last und..." ihre Nede verklingt im Straßenlärm. -

Aber Neue kommen an ihre Stelle und immer Neue und immer weiter klingt das Rufen, Lachen, Bewundern, Hoffen und Seufzen vor den Puppen.

Am Straßenrand die dünnen Kinderstimmchen verhallen un­gehört im Wind:' n Sechser die Knarre,"' n Groschen der Hampel

mann!"

"

Der Lette seines Berufs. Der Frankfurter Zeitung " wird aus Paris geschrieben: Vor einigen Tagen starb hoch in Jahren eine Der populärsten Persönlichkeiten von Paris , le Père Jean", vie er im Volksmunde hieß. Er war einer der wenigen, die ihr von der steigenden Bildung der Massen verdrängtes Gewerbe bis in die Gegenwart herübergerettet haben. Seitdem seine öffentliche Schreib­stube verschwunden, existiert in Paris nur mehr eine einzige gleiche. Wer vom Ostbahnhof tommt, bemerkt an der Mauer des Gefängnisses St. Lazare eine grüne Barade mit ein paar Fenstern. Durch die Thür tritt man in einen langen schmalen Raum, in dem eine mit Wachstuch überzogene Sibbant, ein paar Stühle, Aftenständer und zwei Tische stehen. Ein Geschwisterpaar, ein junger Mann und seine noch jüngere Schwester, sind die Inhaber. Sie haben das Geschäft

Die Frucht des Hagedornapfels ist ziemlich groß, glattrund, wachsglänzend und an der Sonnenseite leicht gerötet. Sie ist mun allerdings im Geschmack nicht gerade vorzüglich, aber sie ist doch auch nicht schlecht und kann schließlich noch als Tafelapfel gelten. Sie wiegt normalerweise 210 bis 225 Gramm, also beinahe ein halbes Pfund. Allzustart wächst der Hagedornapfel nicht, von folchen unermüdlichen Trägern das gilt ja auch vom Bismarck­apfel und von der Goldparmäne fann man natürlich nicht auch noch ein riesiges Wachstum verlangen. Als Hochstamm sollte diese Sorte deshalb nicht gepflanzt werden, sondern als Halbstamm. Vorzüglich eignet sie sich als Buschbaum. Als solcher baut sie sich so schön, schön, daß sie wenig oder gar nicht geschnitten zu verden braucht. Solch ein Buschbaum wird als einjährigǝ Veredlung, also als kleine dünne Rute gepflanzt und auf vier, fünf