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Diese fühle Objektivität des Sehens, die kondensiertes Gefühl ift, das den Gegenstand ganz außer sich selbst stellen will, wird bei Liebermann zur Kälte. In der Bildern, die er diesmal aus­stellt, fehlt die seelische Verknüpfung. Es sind Probierstücke, in er­Lesenen Farben zusammengestellt aber es fehlt etwas. Diese Reiter und Reiterinnen und badenden Jungens am Strande heben sich wohl luftig ab gegen den Himmel und die See. Das Räumlich ist, wie immer bei Liebermann, durch die sparsame Verwendung der Mittel frei und licht. Do bringt die Freiheit nicht über die Kälte hinweg. Diese Studien machen einen gestellten", allzu erflügelten Eindruck. Dies wird durch die mehrfache Variation des gleichen Vorwurfs auf mehreren Bildern erhöht und verstärkt.

Eine still verhaltene Straft lebt in den Zeichnungen von Hans v. Marées. Er ist ein Vorläufer, der zu seiner Zeit und noch jest wenig Anerkennung fand. Die Weichheit seiner Linien ist nicht Schwäche, sondern innere Bändigung. Ihm verwandt ist Karl v. Pidoll. Und von da geht ein Weg u v. Hofmann, von dem diesmal nur drei fleine Pastelle da sind, die nichts Neues geben. Zu dem weichen Fluß der Linien tritt bei ihm die leuchtende Mannigfaltigkeit der Farbe.

Der Schivede 3orn ist groß im Porträt. Er schwankt und wählt und zaudert nicht. Gerade geht er auf sein ernstes Ziel los. Nicht so sachlich und kräftig ist der Amerikaner John Whistler: Er läßt seiner Persönlichkeit mehr Spielraum, ist feiner, vielleicht aber nicht so wurzelecht. Ein historisches Interesse fesselt bei Turner. Er löste die festen Formen in Farben auf. Doch ver­missen wir schon jetzt etwas bei ihm. Es stört ein Zuviel der Farben. Die rechte Einigung fehlt, die Atmosphäre, wie wir sie jeßt schon sehen und geben. Am feinsten wirkt das Aquarell Venedig ", hingehaucht in sparsamsten Farben.

Die Zeichnungen von A. Kubin, aus denen man jetzt absolut etwas machen will, sind zu leichte und billige Augenblicksware. So sehr sie vielleicht augenblicklich wirken diese erdachten Träume und erzwungenen Halluzinationen- so wenig halten sie an.

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Noch nenne ich Orlit, Israels , den zur Zeit nach dem Gang der Mode start überschäßten Korinth , Brandenburg , Baluschek und Zille, dessen Vorstadttypen wohl wißig sind, aber dafür auch oberflächlich.

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In diesem Augenblid wird an die Thür gepocht. Der Kommissar( schon übler Laune bei dem bloßen Ger danken an die Möglichkeit einer Störung): Herein!" Der Sekretär( sehr geschäftig): Herr Kommissar!" Der Kommissar: Ich habe keine Zeit!" Der Sekretär: Aber Herr Kommissar!"

Der Kommissar: Ich habe keine Zeit, sage ich Ihnen! Der Sekretär: Aber Herr Kommissar! Ein Selbstmorda versuch..."

B

Der Kommissar: Wa- a- as?"( Höchst erstaunt):" In unsrem Revier?"

Der Sekretär:" Jawohl."

Der Kommissar: Hm... hm... Das ist aber doch äußerst... äußerst seltsam."

Der Sekretär: Ein Mann hat sich zu ertränken versucht. Ein Vorübergehender hat ihn herausgezogen." Der Kommissar: Nun, und Der Sekretär: Nun, und natürlich beglückwünschen, ihm

Sie müssen den Netter

Der Kommissar: Das ist mir aber sehr fatal! Ich bin mit Arbeit überhäuft!"

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Der Sekretär: Trotzdem es ist unerläßlich!" Der Kommissar: Glauben Sie?" Der Sekretär: Aber sicher!"

"

Der Kommissar: Gott ! Welch ein Leben!... Keine Selimde Ruhe! Ich bin mit Arbeit überhäuft, buchstäblich über­häuft.( Erhebt sich mit einem Ausdruck des Bedauerns von seinem Sessel.) Na meinetwegen!"

Gefolgt von seinem Sekretär betritt er die Wachtstube. Hier find zwei Schußleute angelegentlichst damit beschäftigt, Wieder­belebungsversuche an einem Menschen anzustellen, der betvußtlos und total durchmäßt auf einer Tragbahre liegt. Ein andrer Mann, ebenfalls durchnäßt, giebt gute Ratschläge, während er sich seiner Kleider entledigt und sie zum Trocknen an den Ofen hängt. müssen ihm die Zunge herausziehen!... Noch mehr! Noch mehr!... So!... Gleich wird er wieder zu sich kommen!.. Donnerwetter ja! ein nettes Bad!... Wie naß man bei so etwas

wird!"

Ein Schumann: Der Herr Kommissar!" ( Begrüßungen.)

Sie

Der Herr:" Ah! sehr erfreut!( Sich vorstellend.) Isidor Tabot, Rue Notre- Dame Lorette Nr. 22."

Der Kommissar( zeigt auf den Mann, den man ins Leben zurückzurufen sucht): Haben Sie diesen...?"

Die zwei neuen Radierungen, die Klinger giebt- eine Scene aus dem Krankenhauſe mit grandioser Wucht hingestellt und eine gedankentiefe Symbolisierung schwerer innerer Fragen zeigen feine neue Seite. Wohl aber die Nietzsche - Büste, die im Eingangs­faal steht. Klinger hat vermieden, was bei Nietzsche so nahe zu liegen scheint, das allzu starke Hervortretenlassen eines einzelnen Tabot( sich in die Brust werfend, stolz auf seine Heldenthat): Charakterzuges. Doch wird er damit nicht flach. Er wägt beides richtig Jawohl, ich, Herr Kommiffar!( Mit großer Rungengeläufigkeit) ab und stellt eine Gerechtigkeit her. Es ist ein kraftvolles Werk Sch habe diesen Mann einem sicheren Tode entrissen! Ich spaziere voll reifster Fülle und zwingt einfach zur Bewunderung. Prachtvoll an der Seine entlang, als ich plötzlich sehe, wie ein Mensch, der ist die Stirn. Ruhe und Bändigung spricht aus den Zügen, Herr- schon einige Augenblicke mit verstörten Mienen am Ufer hin und her schaft über sich selbst. Noch erwähne ich die Bronzegruppe Jugend" von M. Levi gegangen ist, sich in den Fluß stürzt." und den in Haltung und Modellierung vollendeten Stier von Tuaillon.

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Der Retter.

es.

( Nachdruck verboten.)

Von E. G. Glü d. Autorisierte Uebersegung aus dem Französischen. Drt der Handlung: das Polizeibureau des XXIII. Arrondisse­ments ein Stadtbezirk, dessen Polizeirapporte stets fürzer find als die sämtlicher andren Arrondissements. Niemals ist hier ein nennensiverter Diebstahl, niemals ein Mordversuch, niemals eine nerbenaufregende Feuersbrunst zu verzeichnen; nur von Zeit zu Zeit einmal ein Unfall ohne ernstere Folgen: ein überfahrener Hund, ein durch die elektrische Leitung der Straßenbahn getötetes Pferd oder dergleichen.

Ungeachtet dieses Mantos an sensationellen Geschehnissen ist der Herr Bolizeikommissar des XXIII. Arrondissements doch vielleicht der beschäftigste Mann von ganz Paris ; beschäftigt allerdings nicht als Beamter, fondern als Schriftsteller. Er ist ein überaus frucht­barer Iyrischer Dichter. Freilich füllt er weder die Zeitungen mit den Kindern seiner Muse, noch betraut er die Verleger mit der Verbreitung derselben; nein, er dichtet hauptsächlich zu seiner eignen Befriedigung, einem dunklen, tiefinnerlichen Drange folgend, ohne nach Gold und Lorbeeren zu trachten notgedrungenerweise, weil Zeitungen und Verleger seine Geistestinder beharrlich verschmähen. Augenblicklich befaßt er sich mit einem Gedicht, dessen Titel er bereits gefunden hat. Suzons Reise" soll das Poem heißen. Die drei ersten Zeilen stehen schon auf dem Papier: Eines Tages floh klein Suzon

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Heimlich, heimlich nach Barbuzon, Nach Barbuzon mit dem Liebsten.

Der vierte Vers macht Schwierigkeiten. Vergebens wiederholt der Poet mechanisch:" Mit dem Liebsten! Mit dem Liebsten!" Die Inspiration will nicht kommen. Plöglich schlägt er sich vor die Stirn. Richtig! Es ist talt, und die Kälte ist der Inspiration nicht günstig. Er erhebt sich, legt etwas Holz in den Ofen und wirft einen Blick auf den Thermometer vor dem Fenster: Donnerwetter! Zwei Grad unter Null! Dann kehrt er zu seinem Schreibtisch zurück, setzt sich und greift von neuem zur Feder.

"

Der Kommissar:" Zur Sache! Zur Sache! Fassen Sie sich furz!" Tabot: Nur der Stimme der Pflicht gehorchend und ohne daran zu denken, welche Folgen dieses eisige Bad für mich haben fann, stürze ich mich im nächsten Moment ebenfalls in den Strom. Jch tauche unter und. Der Kommissar( ungeduldig): Und packen dieses Individuum?" Tabot: Nein, ich packe zunächst noch garnichts." Der Kommissar( erstaunt):" Wie?"

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Tabot: Erst beim dritten Untertauchen gelingt es mir, den Unglücklichen zu ergreifen... und ihn dem feuchten Grabe zu entreißen!" Der Kommissar: Sie besigen eine beneidenswerte Ge­ſundheit!"

Tabot: Mein Gott ! es geht mir ja so leidlich. Vor allen Dingen mein Temperament.

Der Kommissar: Sie mißverstehen mich. Wenn ich sage:" Sie befizen eine beneidenswerte Gesundheit!" meine ich damit: Was Sie da gethan haben, ist einfach lächerlich!" Tabot( vertvirrt): Wie?"

Der Kommissar: Wenn Sie eine ordentliche Lungen­entzündung bekommen, werden Sie jedenfalls wissen, woher Sie sie haben." Tabot: Aber.

bei

Der Kommissar: Das wird Ihnen ganz dienlich sein!" Tabot: Verzeihung, aber

Der Kommissar: Das wird Sie lehren, ein zweites Mal solcher Temperatur nicht zu baden."

Tabot( entrüstet): Na, das ist aber doch zu start!"

Der Kommissar: Wie beliebt?"

Tabot: Ich sage, das ist aber doch zu stark! Wie! Ich riskiere mein Leben, um das eines Mitmenschen zu retten, und Sie machen mir hier Vorwürfe statt... statt mir Worte des

des

wie soll ich mich ausdrücken?... des Lobes, der An­erkennung furz ein paar freundliche Worte zu sagen!" Der Kommissar: Ich bin offen." Tabot: Sie könnten sich Ihre Offenheit für eine bessere Ges legenheit sparen!"

Der Kommissar: Ei, sieh mal au! Wir brauchen Ihre Belehrung nicht! Wer hat Sie gebeten, sich in den Fluß zu stürzen?