Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 251.
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Donnerstag, den 24. Dezember.
( Nachdruck verboten.)
Das Verbrechen des Arztes.
Koman von J. H. Rosny.
Autorisierte Uebertragung von M. v. Berthof. Gun fette das Gespräch noch eine Weile fort. Aus Justinkt wie aus Ueberlegung richtete er es so ein, um bei den Mitteilungen seiner Frau gegenüber den Wunsch des Vaters in den Vordergrund stellen zu können. Wenn Madeleine auch unendlich vertrauensvoll war, so begriff er doch, das; wenn ein Zweifel über sein Vorgehen aufkommen fonnte, sie die erste gewesen wäre, ihn zu empfinden. So trug er auch Sorge, nachdem er seine Projekte mit Dufrêne durchgesprochen hatte, auf die Frage der Heirat noch einmal zurückzukommen.
Auf dem Heimwege fühlte er sich beinahe ruhig. Die Gefahr, die bei seinem Fortgehen so nah und dringend geschienen hatte, verschwand wie jene Silberwolken, die der Wind vom Horizont vertreibt.
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zuhalten. Aber bald ermannte er sich wieder und Holte zu einem entscheidenden Schlage aus.
Als Donzagues sich im Schloß einfand, war der ganze Horizont in ein finsteres, drohendes Wolkenmeer verwandelt. „ Grüßt der alte Zeus mein Geschick oder bedroht er es?" fragte lächelnd der Seemann. Er füßte Madame Monteaur die Hand und fragte:
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Wissen Sie es bielleicht, gnädige Frau?" ,, Nein, wahrlich, ich weiß es nicht. entgegnete sie. Uebrigens, ob Zeus nun drohen oder grüßen mag. Sie wissen, das blinde Geschick ist mächtiger als er. Aber das Schicksal selbst hat noch nicht gesprochen!"
„ Das habe ich auch nicht erhofft," war seine Antwort. Der Mann, der seine Flagge auf die Schwelle eines un bekannten Landes gepflanzt, glaubt noch damit nicht, es erobert zu haben, er versucht nur, die Rivalen beiseite zu schieben. Wenn mein Antrag mur nicht zurückgewiesen ist, dann nicht wahr, er ist doch nicht zurückgewiesen?"
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Nein," jagte Madeleine, der er einen ängstlichen Blick Dann sind meine Hoffnungen übertroffen!"
Er atmete aus boller Brust; er sah fortwährend herauszugeworfen hatte. fordernd nach dem Schloß der Donzagues hinüber. Ihm war es, als verteidigte er sein Gut gegen einen Fremden...Sie müssen das recht verstehen," begann die junge Fran Durch eine sonderbare Berkettung der Instinkte, utakte er wieder. Die Sachlage ist etwas fompliziert. Herr Dufrêne sich über Marguerite unbeschreibliche Rechte an; ja, der Raub, und seine Tochter wünschen, daß vor dem Monat Oktober die den er begangen hatte, erschien ihm noch wie ein Baud mehr, ganze Sache gar nicht zur Sprache kommen soll." das sie verknüpfte. Das Antlitz des jungen Mannes verdüsterte sich.
Die Idee, daß ein andrer den Schaden an ihr wieder gut machen tönnte, erfüllte ihn mit Zorn. Aber als er den Fluß überschritten hatte, als er die Stelle betrat, an der damals das junge Mädchen ohnmächtig in seinen Armen gelegen hatte, da erlosch alles andre, und ein wahrer Liebes taumel erfaßle ibn. Er hätte das Gras küssen mögen, auf das er sie gebettet und wieder ins Leben zurückgerufen hatte. Da gab es teinen Reichtum, feinen Ruhm, keine Familic mehr, die Erde schien nur mehr das Reich dieses geschmeidigen jungen Mädchens!
„ Er wird sie nicht friegen! Er wird sie nicht friegen!" grollte er vor sich hin.
Seine ganz Unruhe fam wieder. Ein wilder Hai flutete ihm durch die Adern. Er wünschte dringend, Donzagues wäre tot. Bei den Gedanken, daß dieser junge Mann sie eines Tages befitzen könnte, daß er sie in seinen Armen halten, ihr Haar küssen, die feinen, beweglichen Wimpern, den roten Mund füssen, daß sie ihm ganz gehören fönnte, vollzog sich ein völliger Umsturz in den Gefühlen Herbelines. Der Gedanke an den Besitz durch einen andren erweckte zum erstenmal sein sinnliches Begehren.
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Ist das am Ende nicht doch eine Art von Abweisung?"
fragte er. Durchaus nicht," fiel Madame Montcaur ein. Später, wenn die Ferien des jungen Mädchens vorüber sind, soll ein Entschluß gefaßt werden. Aber in der Zwischenzeit, so wünschen es Vater und Tochter, soll keine Frage an sie gestellt werden." „ Soll damit gesagt sein, daß es mir diese ganze Zeit nicht gestattet sein würde, meine Angelegenheit zu verfechten?" „ Nún, das gerade nicht!"
Werden wir uns flar. Darf ich also nicht einmal Fräulein Dufrêne den Hof machen?"
Nun denn, das eben sollen Sie nicht."
Er runzelte die Brauen und dachte einen Augenblick nach. „ Das ist aber schrecklich traurig," begann er wieder. Tantalus durfte wenigstens den Versuch machen, ob er das Wasser und die Früchte würde erreichen können. Doch ic werde auch diese Qual auf mich, nehmen, wenn es sein muß Aber, das nehme ich doch für sicher an, daß man mir eine einzige Unterredung gewähren wird, in der ich meinen Antrag persönlich vorbringen darf?"
Das Ende der Woche verlief verhältnismäßig ruhig. Bei diesen Worten fühlte Guy, der als stumme Person Guy war wieder zu sich gekommen, oder glaubte es wenigstens. dieser Unterhaltung beiwohnte, wie sich seine Gesichtsmusfeln Er merkte wohl, daß seine Liebe zu Marguerite noch im 3uzusammenframpften. Seit Donzagues eingetreten war, nehmen begriffen war, aber er glaubte sicher, nie dem Sinnes prüfte er diesen Rivalen mit der ängstlichsten Genauigkeit. rausch zu unterliegen. Er hatte seiner Frau und feiner Neidisch suchte er die Vorzüge abzuwägen. Aber es gelang Schwiegermutter von den Wünschen Dufrênes gesprochen und ihm, die Neize des brünetten jungen Mannes im über fie mit sehr allgemein gehaltenen Erklärungen begleitet, die triebenen Lichte zu sehen, und nach und nach gelangte er zu aber seine Unterredung mit Marguerite ganz im Dunkeln der Ueberzeugung, daß es Jean Philibert mit Hilfe der Ein ließen und übrigens nicht den entferntesten Verdacht erweckten. famteit gefingen miiffe, ein unerfahrenes, junges Mädchen Man war übereingekommen, Donzagues zu sagen, er möge zu blenden. Daher erbebte er auch vor Furcht und Eifersucht, vorläufig auf feiner Zusage bestehen. als er Madeleine die Worte sagen hörte:
Im täglichen Leben schien sich nichts geändert zu haben. Guy arbeitete wie gewöhnlich und besuchte unentgeltlich einige Kranke. Er hatte mitgeteilt, daß er in der Lage sei, seine Ferien um vierzehn Tage zu verfängern. Marguerite fam jeden Morgen. Er fuhr fort, ihr nützliche Winte für die Uebersetzung des Werkes von Sommer zu geben, und präfte die gemachte Arbeit. Aber je näher der für Donzagues fefi gefeßte Zeitpunkt herankam, um so nervöser wurde der Doktor. Die Eifersucht und die Unruhe fammelten sich Tropfen- und Tropfen wie die Wasser einer dürftig riesenden Quelle: Jur der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag schlief er gar nicht und erhob sich fiebernd. Das Wetter trug noch zu seiner Aufregung bei. Seit dem Morgen schon war die Luft drückend, Wirbelwinde erhoben sich drobend und setzten wieder aus, und aus dem von schwülen Lüften durchzogenen Westen brauste geflügelt der Sturm heran. Nach einigen Vlik und Donnerschlägen schien er wie eine zögernde Armee am Horizont inne
„ Das ist selbstverständlich!"
Madame Monteaur machte eine zustimmende Bewegung. Und da Donzagues sich auch Guy zuwendete, so war auch er u antworten gezwungen:
„ Gewiß!"
Wissen Sie vielleicht, zu welcher Stunde Herr und yräulein Dufrêne geneigt wären, mich zu empfangen?" fragte der junge Mann.
Zu jeder Tagesstunde!" antiportete Madeleine. Ich fetze voraus, daß es genügt, sie zu benachrichtigen. fönnten sie auch hier treffen, wenn Sie das vorziehen. Ich glaube, sie sollen sogar heute nachmittag beide herüberkommen, gegen fünf Uhr, nicht wahr, Mama?"
" Ja, um fünf Uhr. Marguerite wird wahrscheinlich noch etwas früher als ihr Vater hier sein."
Wenn Sie also gestatten, dann will ich gegen fünf thr wieder kommen," sagte Donzagues, indem er sich verabschiedete.