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Guh sah ihn in der Pappelallee verschwinden. Seine wußten wie sie selbst. 1teberdies ist es wohl allgemein bekannt, Seele war voll Bitterkeit. Er dachte daran, daß er ohne diesen daß wirklich leidenschaftlichen Gemütern erotische Unter­hereingeschneiten Menschen einen köstlichen Sommer verlebt haltungen nicht angenehm sind, weil sie ihnen die Illusionen haben würde.

Wie gleicht doch die civilisierte Gesellschaft den Tieren im wilden Walde! Welcher Zufall leitet jeden unsrer Schritte. Jedes neue Wesen, das vor uns auftaucht, sollte uns eigentlich eine Art von Schrecken einflößen. Kann man wissen, welchen Einfluß es auf unser Geschick nehmen wird? Kann man wissen, ob nicht von ihm die Handlung ausgehen wird, die uns zum Unglück verdammt? Es hätte genügt, wenn Jean Philibert Donzagues feinen Urlaub nur einige Kilometer ent­fernt von Aulnettes zugebracht hätte, damit das Glück von Guy Herbelinc nicht in Frage gestellt werde.

Und ist er denn allein?" fragte sich der Arzt. es nicht noch viel mehr der unbekannte Strolch, gegen den ich Marguerite beschüßen mußte?" Er hielt sich nicht lange bei diesen Gedanken auf. Sein überreizter Geist war nicht zum Philosophieren geeignet. Im Grunde erhigte ihn nur ein einziger Gedanke: die jetzt unvermeidliche Begegnung zwischen Donzagues und dem jungen Mädchen. Was würde er nicht gethan haben, um sie zu verhindern!

Was thut's übrigens? Bloße Worte werden nichts an Margueritens Entschluß ändern!"

Aber er glaubte nicht daran. Für die Leidenschaft giebt es weder Zeit noch Raum. Vielleicht liegt darin eine Art Logit. Wenn sie alle Hindernisse in unserm Ich niederschlägt, wenn sie in einem Augenblick alles, was uns sonst unüber­steigbar erschienen, hinwegfegt, ist es da erstaunlich, daß sie die Welt nach ihrem Ebenbild gestalten möchte? Die Eifer­sucht, die den Rivalen ins Unermeßliche steigert, der schmäh­lichsten Niederlage zeigt, ist nur eine Form der Ueber treibungen der Heftigkeiten, der außerordentlichen Schwächen, die dadurch plötzlich in uns entstehen.

Gun konnte gar nicht anders, als Marguerite durch ein Wort, ein Lächeln, ja durch den bloßen Anblid von Donzagues gewonnen sehen. Und das Gewitter, das von den fernen Hügeln wieder heranzog, trug nur dazu bei, sein Angstgefühl zu erhöhen.

rauben.

Marguerite blieb am Ufer des Flusses, den sie liebte, stehen. Nie ging fie an einem fließenden Wasser vorbei, ohne sich erheitert und erfrischt zu fühlen. Die Wellen rauschten ihr das Willkommen entgegen, sie hörte sie lachen und trillern oder sich in langem Geplander verlieren. Sie sah in ihnen die Grazie schöner Tänzerinnen, sie beneidete das Schilf und das Gras, die die Wellen mit reizenden Sprüngen flüchtig licbkosten. Dann erriet sie, daß sie alle Geheimnisse der lebenden Welt in sich trugen. Wir treten an sie heran und entdecken in ihnen alle unsre bedeutsamsten Bewegungen. Sie pulsieren wie die Herzen, fließen wie das Blut, funkeln wie die Augen. Und wie in uns selbst, wiederholen sich in ihnen alle Dinge. Ihre Spiegelungen sind für sie das, was für uns unsre Empfindungen, unsre Eindrücke und Ge­danken sind.

Sie war stehen geblieben: Sie sah, wie die Wellen ein­ander folgten. Aber dieses Schauspiel hatte aufgehört, ein fröhliches zu sein. Es machte eigentlich einen fast tragischen Eindruck. Das war, weil das Gewitter von den Hügeln näher fam. Der Fluß zeigte einen fahlen Glanz und große schieferartige Flecken. Die Blätter der Weiden und Pappeln sträubten sich und ließen klagend und aufstöhnend ihre silber­schimmernden Seiten sehen. Kein Sperling   ließ sich mehr hören. Nur die Schwalben flogen immer tiefer und tiefer in rajender Unruhe.

Marguerite seufzte. Sie fühlte sich eigentlich verwandelt. Für Mädchen, die nicht darauf vorbereitet sind, wird die Liebe, wenn sie über sie fontmt, zu einem phantastischen Er­eignis. Die inneren Bewegungen, die einander mun folgen, haben keinen Zusammenhang mehr mit ihrer Vergangenheit! Sie finden sich darin nicht zurecht, so wenig, wie einem Norveger eine tropische Landschaft je an die Fjorde, die Tannenwälder oder die Ebenen seiner Heimat erinnern fann. Sie wußte zwar, daß es die Liebe sei, die sie erfüllte, und doch war sie dessen nicht ganz sicher. Guy Herbeline hatte stets in ihrem Leben die erste Rolle gespielt. Sie dachte manchmal, daß sich außer der Befangenheit, die sie nun empfand, nichts geändert habe. Und dann hatte sie feine Ahnung von der Art der Gefahr, die ihr drohte. Und doch) fürchtete sie sie. Es ist eine Thatsache, daß selbst für die un­gleichzeitigen Gefühl der Schuld und der Furcht begleitet sind. Welche von ihnen, besonders wenn sie einen höher entwickelten Charakter hat, findet sich nicht schon ein wenig gesunken, durch Die bloße Thatsache allein, daß fie liebt? Vor dem immer dunkler werdenden Fluß fühlte sich Marguerite schwach und befleckt, aber um so tiefer bewegt. Sie atmete die Luft, die zu leicht geworden war, diese Luft, die man schwer" zu nennen pflegt, weil sie unsre Muskeln lähmt. Der gesteigerte Duft, den die Pflanzen ausströmten, regte sie noch heftiger auf. ( Fortsetzung folgt.)

Wenn ich ihr nur begegnen könnte!" dachte er. Denn er fürchtete jest, zu Eufrêne zu gehen. Er über trieb bei sich selbst den Verdacht, den seine Besuche erwecken fonnten. Jedenfalls würde das vor Donzagues' Unterredung fehr verdächtig ausgesehen haben. Was thun? Um den Fluß herumstreichen und die Brücke überwachen, über die sie un- wissendsten Mädchen die ersten Eindrücke der Liebe von dem bedingt kommen mußte? Und wenn sie nicht allein war? Dufrêne, immer sehr ängstlich und unsicher, ließ sie nur manchmal, infolge der Bemerkungen der Damen, von dem Dienstmädchen begleiten, wenn er es nicht selbst thun konnte. Und heute nachmittag, wo das Gewitter drohte, war es fast als sicher anzunehmen, daß er sie nicht allein gehen lassen würde. Aber was that das er mußte den Versuch machen, sie zu treffen. Und im übrigen wurde es Guy unmöglich, im Schlosse zu bleiben; seine fiebernden Pulse jagten ihn hinaus. Dieses Wetter geht mir auf die Nerven," sagte er. " Ich muß mir etwas Bewegung machen."

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Aber so geh' doch, mein Schatz," sagte zärtlich Madeleine. Kaum daß er das liebevolle Lächeln dieser anmutigen Gefährtin, die er einst wahrhaft zu lieber glaubte, bemerkte. Und doch hatte er leichte Bedenken:

Es ist unmöglich, daß ich sie betrüge," suchte er sich zu beruhigen.

Im Freien atmete er mit vollen Zügen die Luft, die von Augenblick zu Augenblick leichter wurde. Es war, als ob die Bäume lange Seufzer ausstießen, denen eindrucksvolles Schweigen folgte. Gefallene Blätter erhoben sich, wirbelten in der Luft gleich fleinen, roten und gelblichen Vögeln, dann fielen sie wieder zu Boden. Die Insekten flogen summend freuz und quer, die Unruhe der Vögel war allgemein.

In dieser mit Elektricität geladenen Luft, in der die unbeweglichen Dinge Leben zu bekommen schienen, hatte Guy die Empfindung, als sei dieser Tag für ihn ebenso bedrohlich wie schicksalsschwer.

Um dieselbe Stunde ging auch Marguerite dem Fluß zu. Sie befand sich seit mehreren Tagen in einer Aufregung, die sich immer mehr und mehr steigerte.

Dieses junge Mädchen, das für die tiefe Leidenschaft ge­schaffen war, war um so unwissender, als es fast ganz ohne Altersgenossinnen gelebt und nie ein Buch gelesen hatte, in dem die Liebe eine Rolle spielte. Durch einen jener seltenen Zufälle war sie selbst in der Pension mur mit zwei ganz jungen Mädchen befreundet gewesen, die ebensowenig vom Leben

H

Aus dem Mulikleben.

Es war bereits einigemal die Rede von der jebigen Schiveizer Mufitergeneration. Als ihr angesehenster Name, als der führende Musiker der Schweiz   gilt Frdr. Hegar( geb. 1841), der weitberühmte, vorwiegend konservative Männergesangs Komponist, der die volks tümlichen leberlieferungen Naegelis pflegt. Der lang vor ihm, von Gottfr. Angerer geleitete Sängerverein Harmonie" aus Zürich  hat den Schweizer   Ruhm auch ins Ausland getragen, wie es in andrer Weise die Sängerin Er. Wedekind thut. Neben Hegar wirkt als beliebter Chorkomponist K. Attenhofer( geb. 1837). Als Klavier­und auch wieder Chorkomponist erscheint Gust. Weber( 1845--1887), als Organist usw. D. Varblan( geb. 1860), ale Komponist von Suiten 1. a. P. Maurice( geb. 1868), als allseitiger Musiker Hans Huber  ( geb. 1852). Durch Opern, Sinfonien usw., denen be sonders ein lyrisch- poetischer Zug nachgerühmt wird, hat sich Emil Jacques Daleroze( geb. 1865) in ehrenvoller Weise be­fannt gemacht. Waadtländischer Abkunft, ist er doch auf seinent Lebenswege durch deutsche Kultur hindurchgegangen. Mit dem Profeffur in Genf  , sondern auch eine lebhafte Thätigkeit als Schrift­Komponistentum verbindet er nicht nur eine Konservatoriums teller   und Vortragender über Musik und Musiffritif. Eir besondere Seite seines Wirkens ist nun der Versuch, die Musik in den Dienst der pädagogischen Behandlung der Kinder zu stellen. So hat er zahlreiche Kinderlieder geschrieben, die von den Kleinen und zum Teil auch von Größeren mimisch und mit Tanzbetvegungen auf­