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Kirchengut mehr zu stehlen war, gewöhnlich mit der ordinären Falsch­münzerei: indem sie minderwertige Legierungen als vollwichtige Münze in Umlauf setzten.

Im ökonomisch zurückgebliebenen Deutschland hat diese alt­fränkische Art der Finanzreform noch im 18. Jahrhundert Bürger recht besessen. Der Preußenkönig Friedrich II. hat bekanntlich nach Anleitung seines Münzjuden Ephraim das ehrbare Handwerk des Thalerfälschens mit Eifer und Erfolg betrieben. Damit war er nun ganz entschieden hinter seiner Zeit zurück. Ueber ein Menschen­alter vorher schon war in den kapitalistisch entwickelten Nachbar­ländern Frankreich und England die neue Art des Finanzreformierens à la Mephisto erfunden worden, die schließlich zwar auch auf Falsch münzerei hinauslief und eine viel riesigere Gaunerei war, aber äußerlich sich zunächst doch anständiger ausnahm und im ganzen groß artiger angelegt war. Zwei Söhne Albions find die Urbilder der Finanzreformrollen Mephistos, der eine, John Law , ein geborener Schotte, der andre, ein gewisser Blount, aus England gebürtig: fie haben ihr Wesen ungefähr gleichzeitig getrieben; indes gebührt Law um ein paar Jahre die Priorität. In seiner schottischen Heimat war dieser Finanzabenteurer mit seinem Papiergeld- Projekt abgeblikt, obwohl die Schotten bei ihren englischen Nachbarn damals in erster Linie das Beiwort geldgierig" führten; sie hießen aber auch ver­schmitt und fielen auf den faulen Zauber nicht hinein. Um so besseren Erfolg hatte Law in dem festländischen Staat, den er an Stelle feines undankbaren Vaterlandes mit dem Projekt beglückte, in Frank­ reich , wo er 1716 auftauchte. Die Regierenden saßzen da freilich derart in dem Sumpf der Finanznot, daß sie geneigt sein mußten, nach einem Strohhalm zu greifen, damit ihnen die Schmußsluten nicht über dem Kopfe zusammenschlugen.

Ludwig XIV . war im Herbst 1715 verstorben und hatte seinen Nachfolgern als wesentliche Hinterlassenschaft einer glanzvollen" und ruhmreichen" Regierung die nach damaligen Begriffen ganz ungeheuerliche Schuldenlast von zwei Milliarden Livres vermacht. Aus dem weißgebluteten französischen Volk war durch neue Steuern füglich nichts mehr herauszuquetschen. Für Staatsmänner mit so etwas, wie einem Gewissen, hätte also die Parole lauten müssen: Sparsamkeit, Beschmeidung der unproduttiven Ausgaben für die Armee und insbesondere für den Hof, der allein jährlich Hunderte von Millionen verschlang. Indes Sparsamkeit war am allerwenigsten die Sache des verschwenderischen Wüstlings, der für den minder­jährigen König Ludwig XV. die Regentschaft führte, des Herzogs Philipp von Orleans, und ein Gewissen hielt dieser Ehrenmann für ganz überflüssigen Ballast. Er begann in der That eine Finanz­reform, aber bei Leibe nicht an seinem eignen Etat: durch strenge Untersuchungen wurden den Staatslieferanten und Finanzbeamten 200 Millionen abgeknöpft, um die sie den Staat betrogen hatten; dies Geld kam aber nicht etwa den Staatsfinanzen zu gute, sondern der Herzog von Orleans und seine Spießgesellen verjubelten es. So wuchsen die Staatsschulden in ein paar Jahren auf zweiundeine halbe Milliarde an; die Staatseinkünfte waren auf Jahre hinaus verpfändet. Man stand vor dem Bankerott, und da erschien denn der erfindungsreiche Schotte Law als rettender Engel, dessen staats­kundiger Leitung die Regierenden sich blindlings überließen. Er versprach nichts Geringeres, als den ganzen Schuldenberg, wie mit einem Zauberschlag, in kürzester Zeit abzutragen. Der Taufend­Künstler verfuhr ganz nach jenem mephistophelischen Rezept für eine Finanzreform. Die lnzahl vergrab'nen Guts" folite über dem großen Waffer, in Nordamerika , zu finden sein, wo Frankreich da­mals große Gebiete besaß: die weiten Gebiete am Mississippi , die unter Ludwig XIV. entdeckt und nach ihm Louisiana benannt worden waren, wurden dem Publikum als ein zweites Peru , ein Dorado angepriesen, das in seinem Boden unerschöpfliche Schäße an Gold und Silber berge, die nur darauf warteten, gehoben zu werden.

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unter dem 29. November 1719, sechs der vornehmsten Damen hätten dem vielbeschäftigten und schwer zu sprechenden Law im Hof eines Gebäudes aufgepaßt, um ihn dazu zu bewegen, daß er ihnen von den Mississippi - Aktien abließe. Law war sehr eilig, wollte nicht hören und sagte schließlich: Meine Tamen, ich bitte tausendmal um Ver­zeihung, aber wenn Sie mich nicht loslassen, so muß ich platen, denn ich habe ein Bedürfnis zu p., das ich unmöglich länger anhalten tann." Worauf die Tamen faltblütig antworteten: Nun wohl, Sie nur, hören Sie uns aber auch an." Und sie mein Herr, þ. blieben ruhig dabei stehen, um mittlerweile ihr Gesuch vorzutragen. Doch die Papiergeldgeschäfte der Zettelbant gingen anfangs famos; denn es war gerade eine Währungsverschlechterung vor­genommen worden, und die Bank versprach, die Zahlung ihrer Noten Als nun aber immer neue nach der alten Währung zu leisten. Hunderte von Millionen Livres in Papiergeld ausgegeben wurden, als das Papiergeld Zwangsturs bekam, als Verbote ergingen, Zahlungen über 100 Livres anders als in Papier zu machen, mehr als 500 Livres in gemünztem Gelde zu befizen, da ergriff weite reise das Mißtrauen, ob denn auch wirklich Deckung für diese Die Deckung konnte natürlich mur Papiermassen vorhanden sei.

in den Goldbergen der Mississippi - Gesellschaft bestehen, und wenn diese etwa bloße Chimäre waren, so war es mit dem Papiergeld und den Aktien allemal Effig. Sobald der Zweifel, ob die Unzahl vergrabnen Guts" in Louisiana auch wirklich vorhanden sei, erst ernsthaft erhoben wurde, war der Strach unvermeidlich; denn nach verflogenem Goldfieber konnte sich füglich niemand einer Illusion darüber hingeben, daß die Prärien im Mississippithal rasch realisier­bare Werte von der nötigen Riesenhöhe gar nicht aufzuweisen hätten. Der Herzog von Orleans beschleunigte den unvermeidlichen Zus sammenbruch durch eine Maßnahme, die ihn verhüten sollte. Am 21. Mai 1720 feite er den Wert der Banknoten auf die Hälfte herab, um das wahre Verhältnis" wieder herzustellen. In Vor­aussicht des Effekts hatte Lai heftig, aber vergeblich widersprochen. Es erfolgte ein Ansturm auf die Bant, sie konnte nicht zahlen, ver­widelte natürlich die Mississippi - Gesellschaft in ihr Geschick und das ganze Papiergebäude fiel ein. Die ungedeckten Passiva der beiden bankrotten Unternehmungen betrugen zwei Milliarden. 20 000 Familien waren an den Bettelstab gebracht, und eine un­geheure rise 30g ganz Frankreich in Mitleidenschaft. Der Staat war natürlich nach der Finanzreform ebenso verschuldet, wie zuvor; reicher war er bloß um einen betrügerischen Staatsbankrott. In­dessen waren doch Finanzen reformiert worden, nämlich die der großen Spekulanten, die ihre Aktien rechtzeitig an die Dummen weiterverkauft und auf diese Weise ungeheure Reichtümer eingesact hatten; die vornehme lingebung des Prinzregenten war alle Schulden mit bloßem Papier losgeworden und hatte ordentlich Güter zugekauft. Leer ausgegangen war dagegen der Vater des Er entkam mit größter Lebens­ganzen Schwindels, John Law. gefahr durch die Unterstübung des Regenten aus dem wütenden Frankreich und starb als armer Teufel in Venedig .

Circa

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Um dieselbe Zeit, als in Frankreich die Mississippi - Seifenblase plate, begann in England die South Sea Bubble ", die Südsee= Seifenblase, aufzusteigen. Dies Projekt, von dem Geldmakler Blount ausgeheckt, sah dem Latoschen so ähnlich, wie ein Ei dem andren, und war also zum Scheitern prädestiniert, die öffentliche Weinung fiel aber doch darauf hinein. England war während des Menschenalters, seit die glorreiche" Revolution von 1688, mit Marr zu sprechen, die kapitalistischen Plusmacher ans Ruder ge= bracht hatte, mit der respektablen Schuldenbürde von 50 Millionen Pfund( eine Milliarde Mark) belastet worden. Zur Behebung der finanziellen Schwierigkeiten schlug nun Blount eine Aktiengesellschaft vor, die für das Monopol des Handels mit der Südsee die Staats­schulden übernehmen und tilgen sollte. Woher aus der Südsee die Schäße zur Deckung kommen sollten, ist unerfindlich. Das Publikum Die Hauptgründung Latos wird darum gewöhnlich als glaubte aber daran, zumal als Blount ausstreute, daß die Er­Mississippi Gesellschaft" bezeichnet; offiziell hieß sie Occident werbung einiger Pläße in Peru demnächst erfolgen werde. Compagnie"( gegründet 1717). Sie war ein Aktienunternehmen Attien der 1720 gestifteten Südsee- Gesellschaft fanden also reißenden unter staatlicher Aegide und stand in engster Verbindung mit einer Absatz: gegen Staatsschuldenscheine und bares Geld. Die näm­gleichfalls durch Law ins Leben gerufenen Bettelbank, die 1718 für lichen Surstreibereien wie in Frankreich setzten ein und brachten eine fönigliche erklärt ward. Der Zweck beider Unternehmungen war, die Aftien von 100 Pfund auf einen Verkaufspreis von 1000 Pfund. die Staatsschulden zu decken und bares Geld in die leeren Staats- Das darin dokumentierte Goldfieber war dem französischen durchaus fassen zu bringen. Beiden Zielen sollten die Aktien der Mississippi ebenbürtig. Ebensowenig blieb natürlich der ungeheure Krach aus, Gesellschaft, dem letzteren außerdem das Papiergeld der Zettelbant als die ruhige leberlegung zurüdfehrte und die Schäße der Südsee Stocks" zu dienen. Die Aktiengesellschaft sollte nämlich von dem für Aktien ein- als Luftschlösser bewerten ließ. 1721 begannen die tommenden Bargelde der Regierung Vorschüsse machen, die sie in fallen, und nun plazte die Blase. Die Passiva des Bankrotts waren stand setzten, den Staatsgläubigern zu fündigen; der Einfachheit noch größer, als im Falle der Mississippi - Gesellschaft. Die Südsee halber wurden diese eingeladen, ihre Staatspapiere gleich gegen Gesellschaft hatte nämlich dem Spekulationsgeist der Engländer sondern war Aftien umzutauschen, und das ließen sie sich nicht zweimal fagen, nicht genügt, durch circa 100 verwandte weil die Schuldscheine der Regierung, die mehr als Fünfzig vom Unternehmungen fleineren Stils ergänzt worden, die mit der Hundert verloren hatten, bei der Einlage für Mississippi - Aktien zum Original Seifenblase zusammen ein Nominalkapital von sechs vollen Wert angenommen wurden. Die Masse des geldbesitzenden Milliarden darstellten. Die Krisis, die über das Land hereinbrach, Publifums ließ sich durch die Riesengewinne anloden, die im Prospett war furchtbar. Ihr Geld verloren hatten natürlich hauptsächlich die der Compagnie versprochen wurden: der von Law ausgeworfene Kleinen Leute, die sich hatten verloden lassen, die großen Gauner dagegen Köder einer sofortigen Dividende von 8 Proz. 30g. Eine unglaub- hatten ihr Schäfchen ins Trockene gebracht. Das Parlament ver­liche Spekulation ging los, die dahin führte, daß die Aftien schließlich suchte zwar, den Hereingefallenen zu dem Ihrigen zu verhelfen; auf dem Zehnfachen des Nominalpreises standen. Adel, Geistlichkeit das war aber verlorene Liebesmüh', die Spekulanten hatten ihren und Bürgertum, wer nur irgend Geld hatte, alles riß sich um die Raub in Sicherheit gebracht. Attien. Wie außerordentlich die Geldgier auch die sonst so steifen und Eine satirische Schilderung des ganzen Schwindels hat uns förmlichen Aristokraten erfaßt hatte, davon werden tolle Stückchen der berühmteste englische Schriftsteller jener Zeit, Jonathan Swift , erzählt. Das Beste findet sich in einem Brief der Herzogin Elisabeth in seiner Ballade über den Südsee- Plan" hinterlassen. Er be­Charlotte von Orleans , einer pfälzischen Prinzessin, deren handelt in dem Gedicht die Sache mit Humor. Mit grimmigem Ernit Korrespondenz kulturgeschichtlich ungemein wertvoll ist. Sie berichtet dagegen hat er nachher das Facit seiner Beobachtungen während