bleibt Novella Siegerin. Als die Schüler zur zweiten Stunde herbei­strömen, hat sie ihr Antlich mit dichtem Schleier verhüllt, und nun auf einmal, weiß Gott durch welchen Zauber umgewandelt, kritelt alles mit emfiger Feder ihre Worte nach.

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Nach diesem Intermezzo wird die Sache tragisch. Der arglese San Giorgio, dem Novella als ein über ihr Geschlecht erhobenes Wesen reiner Geistigkeit erscheint, sucht an ihrem Ehrentage um eine Unterredung nach. Sie denkt nicht anders, als daß er um sie freien werde; er aber bittet sie, bei ihrer kleinen Schwester, die er liebe, Fürsprache für ihn einzulegen. Haß, Eifersucht, Empörung rütteln an Novella  , sie verflucht die armen Bücher. Doch stolz nach außen hin verbirgt sie ihre Niederlage. Schwankenden Schrittes führt sie selbst dem Freund die Schwester zu.

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Der Schlußakt, der zehn Jahre später spielt, ist nur ein lose angefügter Epilog. Novella, die berühmte Lehrerin, friert in ihrer Einsamkeit. Aber auch San Giorgio ein hübscher antiphiliströser Zug, der mit manchem versöhnt hat fein Glück gefunden in der Ehe. Er sucht die alte Freundin auf und flagt sein Leid. Der einst so reizenden Bettina trivialer, engbegrenzter Frauensinn drücke mit Centnerlast auf ihn. In dem ersehnten Bunde sei die beste Kraft des Strebens ihm erstorben. Novella spricht von ihrer alten Liebe, und nun fällt es ihm wie Schuppen von den Augen. Eine Hoffnung blizt flüchtig auf, er könne fie noch jest gewinnen. Doch mit ruhigem Wort wehrt sie ihm. Sie hat abgeschlossen und will den Frieden. Begrabenes soll man ruhen lassen.

Die Aufführung, in der die beiden Hauptrollen Herrn Sommerstorff( San Giorgio) und Terefina Geßner ( Novella) zugefallen waren, ging über das Niveau des Stückes nicht hinaus. Sie gab korrekt, aber ohne eigene ergänzende Buthat, welche das Interesse hätte erhöhen können, wieder, was in den Verfen

stand.

dt.

Kleines Theater. Die Doppelgänger Komödie" von Adolf Paul  . Reizend respektlos jezt die Schnurre ein. Irgendwo in einem neu- barbarischen Königreich" hat die Natur sich eines argen Majestätsverbrechens schuldig gemacht, indem sie die er habenen Züge des Herrschers zum Verwechseln ähnlich in dem Gesicht eines armen Geigers wiederholte. Der König ist über das frivole Spiel des Himmels im höchsten Maße indigniert, um so mehr, da diefer ganz gemeine Sterl sein Doppelgängertum in raffinierter Weise dazu ausnutt, um sich auf der Straße von den getreuen Unterthanen als Majestät anhochen zu lassen. Mitten in die Rede des Königs tönt von draußen fautes Vivatrufen herein. Er sieht den Geiger, der, gekleidet wie er selbst. soeben auf dem Nichtplak einen Ver­urteilten begnadigt hat, an der Spiße des begeisterten Volkes in den Schloßhof ziehen, legt an und schießt. Die Massen dringen ein und der freche Doppelgänger läßt den König als Attentäter auf des Königs heilige Perfon verhaften. Das Geigerlein als Herrscher! Welch Luftig feine Satire auf das Gottesgnadentum hätte das werden können. Aber sei es, daß Adolf Paul   nichts Gescheiteres einfiel, sei es, daß er das Beste, was er sagen wollte, unter der Censur nicht fagen durfte, das Spiel verpufft nach einigen Ansätzen in wirkungs losen It. Schließlich wird gar, nur um den Knoten zu lösen, auch eine fleine melodramatische Anleihe nicht verschmäht. Ganz drollig, obwohl in Komik und treffendem Sarkasmus weit hinter dem, was man erwarten sollte, zurückbleibend, ist mit ihren Serenissimus und Kellermann- Späßen die Ministersizung unter dem neuen Herrn. So verrückt der Geiger in der Königsrolle fich geberdet, er droht ben Ministern, ihnen in ungnädiger Stimmung den Stopf vor die Füße zu legen, will eine Aera grandioser socialer Reformen mit einem internationalen Geigerfongreß beginnen usw. usw. feinem der in Demut ersterbenden Herrschaften kommt ein Zweifel, daß sie den angestammten Monarchen vor sich haben. Der geistige Unterschied scheint also ebenso unmerklich, wie der physische. Einzig die Königin entdeckt die Täuschung, doch ohne darum Groll zu zeigen. Bei aller Sonstigen Gleichheit des Doppelgängers traut sie ihm einige, bei dem Gemahl schmerzlich vermißte Qualitäten zu, und ist so mit dem Tausche fehr zufrieden. Erst die Ummanier des Geigers, der von ihr nichts wiffen till, macht sie zu seiner Feindin. Recht schwach ist, wie schon angedeutet, die Entwirrung. Des Geigers Frau fommt auf die Nachricht, daß man ihren Mann als Attentäter eingesperrt, mit Geige und Ficdelbogen aufs Schloß gelaufen, um Gnade für den Ge fangenen zu erflehen. In der Audienz verrät der neugebotene Stönig sich mit einem Wort, und das eifersüchtige Weib will nun den windigen Ausreißer durchaus zurückhaben. Als sie zu schreien an­fängt, wird sie gleichfalls ingesperrt. Doch die Geige ist liegen geblieben, und als am nächsten Morgen der gekrönte Musitus mit schrecklichem Champagnertater aufivacht, ficdeft er, den Stopfschmerz zu verscheuchen, auf dem geliebten Instrument frisch drauf los. Die Srönigin, im Einverständnis mit des Geigers Frau, hat das voraus gesehen und die Minister, die ihrer früheren Anklage nicht glauben wollten, vor der Thür versammelt. Die loyalen Herrn sind auch jetzt noch nicht überzeugt. Zivar Majestät hat früher nie gegeigt, doch tvarum sollte er's nicht fönnen, tvenn er's einmal zu wollen geruht. Aber der Geiger selbst hat das Regieren satt und tapituliert. Die gefangene Majestät, die eben hingerichtet werden sollte, wird wieder eingefekt in ihre Rechte und fährt im unterbrochenen Werk der Boltsbeglückung weiter fort. Der Spielmann aber darf zum Dant dafür, daß er der Königir nicht zu nahe getreten", frei des Weges Bichen  . In dieser Masse buntgehäufter Abenteuer geht die Einheit des Gedankens, wie des Stils verloren.

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Glänzend war die Darstellung. Reicher gab mit feiner Nüancierung beide Figuren, den König mit einem komisch krähenden, die Säße zerhackenden Organ, das ganz vorzüglich zu der Rolle paẞte, den Geiger als irren, aufgeblafenen Phantasten. Lilla Durieug mit dem lang vorgestreckten schmalen Halse, dem geheimnis­vollen Lächeln und dem leisen singenden Ton der Sprache war eine wundervolle Märchenkönigin, ein Mittelding von Mensch und Puppe, gerade wie es die Art der Komödie verlangte. Hedwig Wangel  machte aus der Geigersfrau, was sich der Rolle irgend abgewinnen ließ; und tadellos erekutierte der schwarzbefradte Ministerchor seine schwierige Ensemble- Aufgabe- eine Musterleistung der Regie.

Und doch, das Stück war zu zerfahren, um selbst in dieser Auf­führung Eindruck machen zu können. In der Sonntagvorstellung, der ich beiwohnte, Klang der Beifall schwach schwächer als in der Premiere laut den Zeitungsmeldungen und hatte nach dem letzten, dem schwächsten Afte, mit sehr energischem Bischen zu fämpfen.

Geologisches.

dt.

Monaten ist viel über die sonderbare Erscheinung gesprochen worden, ss. Darwin   über Vulkansäulen. In den letzten die der Gipfel des Mont Pelé   auf Martinique   nach den großen Aus­brüchen dargeboten hat. Der Lava- Obelist dieses Berges war so­fällig sie für den Beschauer gewesen sein mag, scheint aber nichts zusagen eine Tagesberühmtheit geworden. Seine Bildung, so auf­daß schon in dem Tagebuch, das Darwin   auf seiner Weltreise führte, unerhörtes zu sein, denn es wird jetzt darauf aufmerksam gemacht. sich auf die kleine Insel Fernando Niconha, die unweit des Kaps San etwas Aehnliches beschrieben worden ist. Die Schilderung bezicht Roque, der östlichsten Spike von Südamerika  , im Atlantischen   Ocean liegt. Darivin schreibt von dieser Insel:" Die merkwürdigste Er­scheinung ist ein legelförmiger Berg von über 1000 Fuß Söhe, dessen oberer Teil außerordentlich steil ist und an einer Seite sogar über seine Basis überhängt. Das Gestein ist ein Phonolith, der eine Absonderung in unregelmäßige Säulen zeigt. Wenn man diese isolierte Masse zuerst sieht, ist man geneigt zu glauben, daß sie plöhlich in einem halbflüssigen Zustand aus dem Erdinnern ausgestoßen worden sei. Auf St. Helena   jedoch gewahrte ich, daß einige Felsnadeln von ziem lich gleicher Beschaffenheit und Gestalt durch das Eindringen ge schmolzener Gesteinsmassen in nachgiebige Schichten gebildet sein mußten, indem letztere für die gewaltigen Obelisken die Form ab­gegeben hatten. In seinen Geologischen Beobachtungen" Darwin   über diese Lavakegel noch folgendes gesagt:" Auf St. Helena  finden sich ähnliche große tegelförmig aufragende Massen von Phono­ lithen   in fast 1000 Fuß Höhe, die durch das Eindringen von flüssigen, feldspathaltigen Laven in nachgiebige Schichten gebildet worden sind. Wenn dieser Berg( auf Fernando Noronha  ), was wahrscheinlich ist, einen ähnlichen Ursprung gehabt hat, so muß sich die Abtragung des Bodens hier in einem ungeheuren Maßstab bethätigt haben." Auffassung Darwins von der Entstehung solcher Lavasäulen ging also mehr dahin, daß der Lava- Erguß dabei unterirdisch erfolgt und erst dadurch später in seiner eigentümlichen Form zu Tage getreten wäre, daß die ihn ursprünglich einschließenden weicheren Schichten durch die nagende Wirkung von Regen, Wind und fließendem Wasser eine vollkommene Abtragung erlitten hätten.

Daß die Lavasäule von Fernando Noronha   noch jetzt besteht und die auffälligste Landmarke im südlichen Atlantischen   Ocean bildet, bestätigt ein Mitarbeiter des American Journal of Science", Dr. Branner, der sich im Auftrage der Geologischen Landesunter suchung von Brasilien   auf der Insel aufgehalten hat. Er schildert den Berg als völlig unersteiglich und seine Wirkung auf den Be schauer als sehr großartig. Da jekt am Mont Pelé   die Beobachtung gemacht worden ist, daß solche Lavasäulen thatsächlich, wie es Darwin  nur vermutungsiveise geäußert hat, durch den Auftrieb zähflüffiger Lavamassen entstehen können, so liegt der Schluß nahe, daß auch der Obelisk von Fernando Noronha   auf ähnliche Weise gebildet worden ist, doch könnte die Aehnlichkeit der Form auch eine zufällige, die Art des Ursprungs eine verschiedene sein. Uebrigens hat der lange Zeit in Indien   thätig gewesene Geologe Strachey darauf hingewiesen, daß sich auf der großen vulkanischen Hochfläche des Dekan gar nicht selten ähnliche Lavasäulen als Strönung vereinzelter vulkanischer Hügel vorfinden.-

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Notizen.

Beherleins gapfenstreich" fand bei der Auf­führung im Deutschen Volkstheater in Wien   nur einen mäßigen Beifall.

-Die Novität des nächsten Philharmonischen Konzerts unter Arthur Nitische Leitung( am 25. d. M.) heißt Aus dem Mittelalter" und ist in die Form einer Suite gekleidet.

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Das Niederrheinische Musikfest wird am 22. und 28. Mai in Köln   abgehalten werden; Edward Elgars   Dratorium Die Apostel" wird dort die erste deutsche Aufführung erleben. Im Bremer Stadt Theater erzielte die einaktige Märchenoper Dornröschen" bon Oskar Malata einen starken Erfolg.

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- Der erste deutsche Reuphilologentag wird vom 25. bis 27. Mai d. J. in Köln   stattfinden.

Berantwortl. Redakteur: Julius Kalisti Berlin.- Drud und Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.Berlaasanstalt Baul Singer& Co., Berlin   SW.