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abnehmender Geburtenhäufigkeit, aber nie hatte fie einen so in der Gruppe der fruchtbaren Departements aber auch diejenigen, alarmierenden Charakter, wie in den letzten Jahrzehnten des ver- in denen noch Gottesfurcht und fromme Sitte" herrschen, die gangenen Säculums. In dem Jahrzehnt 1891-1900 haben wir Bretagne   und die Vendée  . Hat man Pommern   häufig als die in unserme Nachbarlande sechs Jahre mit einem Geburtenüberschuß preußische Vendée   bezeichnet, so kann man umgekehrt auch wohl ein­von rund 814 000, denen vier mit einem Ueberschuß der Todesfälle mal die Vendée   als das französische Pommern   kennzeichnen: der von 65 000 über die Geburten entgegenstehen. Der Bevölkerungs- Landstrich mit den meisten Großgrundbesihungen, verhältnismäßig zuwachs schrumpfte also in jener Zeit auf 249 000 zusammen, nicht starkem ländlichen Proletariat, hoher Rate der unehelichen Geburten, einmal 25 000 auf das Jahr. aber auch der ehelichen. Dort, wo dem Kampfe der jetzigen französischen   Regierung gegen den Klerikalismus der schärfte Wider­stand entgegengeseht wurde, dort, wo man um die Schulschwestern mit den Soldaten und Gendarmen blutige Schlachten ausfocht, ist die Bevölkerungszunahme am allerſtärksten: 3,13 Proz. gegen den Durchschnitt 2,27 Proz. des ganzen Landes. Der reaktionäre Leroy Beaulieu sagt deshalb auch: Aus diesem Grunde halten wir der Kampf der gegenwärtigen Regierung gegen den Glauben und das Erziehungssystem in diesen Gebieten für absolut unpatriotisch. Es giebt kein Werk, das verhängnisvoller für unsre Nation sein könnte." Der gute Mann bergißt, daß die aufgeklärteste und am meisten modern denkende Volksgruppe Frankreichs  , die industrielle, von den Gedanken des Socialismus durchdrungene Bevölkerung der großen Rohlen- und Erzgrubenbezirke des Nordens und der Tertilgegenden des Pas de Calais  , der Vendée   und Bretagne   in der Volksvermehrung nicht nachstehen; und er wird nicht behaupten wollen, daß für sie dieselben psychologischen Motive gelten fönnten, wie für jene. Absolut und relativ geht die Volkszahl Frankreichs   dort zurüd, wo der Eigen­tumsfanatismus fleiner Besizer zu einer traditionellen künstlichen Beschränkung der Kinderzahl geführt hat. Diese Verirrung tann, wie nicht zu leugnen ist, durch religiöse und altfränkische" An­schauungen eingedämmt werden, so lange das eben dauert; fie wird aber sicher eingedämmt durch den Socialismus, der die Hoffnungsfreudigkeit und Lebenstüchtigkeit des Einzelmenschen er höht und das Recht der Ungeborenen zu achten lehrt. Die Zukunft der französischen   Rasse ist dann nicht gesichert, wenn man den Ein­fluß der Finsterlinge verstärkt, sondern nur dann, wenn man das Bolt von den Schäden des kapitalistischen   Eigentumsrechtes erlöst. S.

Seit einigen Jahren hat sich nun diese Situation, wie aus einem im Journal officiel"( Staatsanzeiger) veröffentlichten Berichte des Herrn Arthur Fontaine an den französischen   Handelsminister her­vorgeht, anscheinend gebessert: in Jahre 1901 war ein Ge­burtenüberschuß von 72 398, im Jahre 1902 ein solcher von 83 944 zu verzeichnen. Der französische   Nationalökonom Paul Leroy­Beaulieu, der die Bevölkerungsbewegung zum Gegenstande seines Specialstudiums gemacht hat, rechnet im Economiste français  " ( Französischer Volkswirt) fix aus, daß Frankreich  , wenn dieser Zustand der Dinge anhält, im Jahrzehnt um ungefähr 780 000 Einwohner wachsen werde, mit dem Einwanderungsüberschuß jogar zusammen um 1 200 000. Wie wenig das noch immer ist, lehrt ein Blick auf die deutschen   Verhältnisse: wir haben nahezu 800 000 Bevölkerungszuwachs in einem Jahre zu verzeichnen. Untersucht man die Zahlen der französischen   Bevölkerungsstatistik genauer, so zeigt sich aber auch, daß abgesehen von jedem Vergleich jene Berbesserung" durchaus problematischer Natur ist. Sie ist nämlich feineswegs aus einer Erhöhung der Geburtenziffer, sondern ledig lich aus einer Verminderung der Sterblichkeit entstanden. Auch im Jahre 1902 famen auf 100 der Bevölkerung in Frankreich   nur 2,27 Geburten; der Durchschnitt beträgt aber bei den europäischen  Nationen etwa 30 Proz. Mit 845 378 Geburten( Totgeburten nicht inbegriffen) blieb das Jahr 1902 in Frankreich   um nicht weniger als 12 000 hinter 1901 zurück, und um rund 7000 hinter dem Durchschnitt des Jahrzehnts 1892-1901. Und dabei darf man nicht übersehen, daß in Frankreich   die Zahl der im heirats bezw. zeugungsfähigen Alter stehenden Personen relativ erheblich höher ist, als in anderen Ländern.

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Kleines feuilleton.

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Die hohe Sterblichkeitsrate, die andre Länder Europas   im Ver­gleiche mit Frankreich   aufweisen, hat ihren Grund hauptsächlich in der größeren Sterblichkeit der Kinder: wo viele Kinder geboren werden, sterben auch viele Kinder, zumal, wenn wie in Deutschland  , die Lebensverhältnisse der großen Masse des Volkes so gut wie alles zu wünschen übrig lassen. Weil Frankreich   kinderarm ist, kann es also gar nicht eine so hohe Sterblichkeit erwarten lassen, wie die tonnt' es sich schon leisten, so alle Jahre wo anders hin eine Spriß­ki. B.-W.-B. Privatier Bastlmeier, ehemals Bäckermeister, andern Länder. Wenn aber unsre Nachbarn sich mit dieser Er­tour" zu machen scheinung über den beunruhigenden Mangel an Regenerativkraft ihres auf's Land der Marjantas" und Zwetschgenknödel" abgesehen. dera Büldung g'wegen." Diesmal hatte er's Bolles hinwegzutäuschen suchen, dann dürfen sie doch nicht übersehen, Alfo nach Brag, mit Retourbillet, dessen mysteriöser Aufdruck daß die Sterbegiffern der letzten Jahre zwar niedrig waren, aber B.-W.-B." unfern G'schwollenen" aber gar nicht interessierte. 3 feinerlei Optimismus Anlaß geben: Frankreich   hat schon niedrigere gehabt! Es liegt kein Grund vor, die Abnahme der Sterbeziffern vor den" Atsisats"( Bollbeamten) an der Grenzstation glücklich über­Die Fahrt ab ,, München- C" war flott gegangen, das Gramen in den letzten beiden Jahren als eine dauernde Erscheinung anzustanden, und schon gegen abend rollt der Train in die Halle des sprechen, eine solche Hoffnung könnte vielmehr sehr trügen. Jeden- Brag- Smichover Westbahnhofs hinein. falls müßte Frankreich   ganz erhebliche Anstrengungen zur Ber- Schaffner die Coupéthür auf: Gleich darauf reißt der besserung seiner öffentlichen Gesundheitspflege machen, ehe es fich vor einer Abnahme seiner Bevölkerungsziffer durch Sinken der Sterbeziffer gesichert halten dürfte.

Die Zahl der Geburten forrespondiert mit der Zahl der Heiraten. Wenn nun auch die Zahl der Heiraten in Frankreich   im Jahre 1902 das Mittel aus dem Jahrzehnt 1892-1901 überstiegen hat, so war sie doch geringer als die der vorausgehenden drei Jahre 1901, 1900 und 1899. Sie betrug 294 786 gegen durchschnittlich, 291 431 in den Jahren 1892-1901. Daneben ist aber auch die Zahl der Ehescheidungen im Jahre 1902 mit 8431 auf eine früher nicht ge­fannte Höhe gestiegen. Leroy- Beaulieu meint, es sei unleugbar, daß die Institution der Ehe in Frankreich   schtver erschüttert und bedroht sei. Ob das nun, lediglich in Hinsicht auf die Bevölkerungs­zunahme, zu beklagen ist, erscheint deshalb zweifelhaft, weil die Zahl der unehelichen Geburten im Gegensatz zu den ehelichen nicht ab­sondern zugenommen hat. Auf 845 000 Geburten im Jahre 1902 entfielen 74.071 uneheliche, das sind annähernd 9 Proz. Damit er­reichen die unehelichen Geburten in Frankreich   beinahe den Prozent satz der unehelichen Geburten in Deutschland  . Seit den Tagen des zweiten Kaiserreichs ist in Frankreich   die Gesamtzahl der jährlichen Geburten um 100 000 gesunken, die der unehelichen aber gleich­geblieben.

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Brag- Smichov! Alles aussteigen!" Bastlmeier( verwundert): Woas.? Fallt mir net ein. I hab' mei' Retourfart'n in d' Stadt." Prozig zeigt er dem Schaffner das Billet.

Schaffner( nach genauer Musterung mit Nachdruck): hab'n B.-W.-B. So müss'n hier aussteig'n, oder zohľ'n 22 Kreuzer Zuschlag." Bastlmeier( aufbrausend): Woas ,, B. W. B." I J- und 22 Kreuza draufzahl'n...? Schneck'n! Moanen's eppa, i bin aa so an Hammel, so an g'scheerter? Herr... Dba. fonduftär! Na, er fimmt scho'!"

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Zugführer:( herantretend): Was giebt's?" Bastlmeier:" Herr Obatonduktär, da Konduktär will do' 22 Kreuzer von mir. Wia kemm' i da d'rzua? I hab' doch mei' Retourfart'n!"

Zugführer( ärgerlich über die Beschwerde, zum Schaffner): Sie, Liska, wie können's sich erlauben, von dem Herrn 22 Kreuzer zu verlangen?"

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Schaffner( sich stramm hinstellend):" Ich pitte Herrn Zug­führer der Mann hot B.-W.-B."

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Zugführer( Bastlmeier anschnauzend): Sie hab'n B.-W.-B. und beschweren sich noch? Sie steigen entweder aus oder zahln's 22 Kreuzer! Basta!"

Bastlmeier( fuchtig): Woas geht mir Cahnere B.-W.-B." an? Kruzitürk'n!( Er stürzt auf den auftauchenden Stationschef zu) Herr Inspektor, i bitt' Eahne, da Konduktär verlangt 22 Kreuzer Nachzahlung. Wia temm' i da d'rzua? I hab doch mei' Retour tart'n nach Brag!"

Wenn man die Bevölkerungsbewegung in Frankreich   studieren will, dann darf man sich nicht an die Gesamtziffern des ganzen Landes halten, weil die Verhältnisse der verschiedenen Landesteile ganz verschieden sind. In einer Gruppe der französischen   Departe­ments ist die Geburtenziffer doppelt so groß, wie in einer andern. Die Gruppe der Departements mit hoher Geburtenziffer ist ihrer­feits wieder aus zwei verschiedenen Elementen zusammengefekt: au ihr gehören die industriell am weitesten vorgeschrittenen und die in der Aufklärung" am weitesten zurückgebliebenen Gebiete Frankreichs  . Dr. Goldstein hat in einer bekannten Studie über die französischen   Bevölkerungsverhältnisse den Nachweis geliefert, daß die geringe Volfsvermehrung unsres Nachbarlandes im wesent­Lichen den Industriedepartements des Nordens zufällt. Wenn die Bevölkerung des ganzen Landes es an Fruchtbarkeit der Industrie­bevölkerung gleich thäte, dann käme Frankreich   mit einer Vermehrung bon 300 000 bis 400 000 Seelen im Jahre derjenigen Groß­ britanniens   beinahe gleich. Neben den Industriegegenden rangieren dem Stationschef das Billet.

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Stationschef( ärgerlich, daß der Zug, der schon ab geläutet ist, noch aufgehalten wird): Sie haben Retourbillet? Unmöglich!( Er ruft den Zugführer und den Schaffner heran.) Warum lassen Sie den Herrn nicht fahren? Er braucht nicht zahlen. Er hat Retourbillet!"-

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Zugführer( militärisch antretend. Jm tiefsten Brummbaß): Jch melde gehorsamst, der Herr hat B.-W.-B."

Stationschef( zu Bastlmeier, entrüstet): Was? Sie haben B.-W.-B.? Zeigen Sie Ihr Billet!"

Bast Imeier, der nicht weiß, was mit ihm vorgeht, überreicht