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als die verschiedenen Scherzi. Das alles hinbert natürlich nicht,| sich in der bildenden Kunft gegen eine Streichung dessen wehren darf, daß wir von einer geradezu entzüdenden Erinnerung an diese Ein- was die Kirche selber seit Jahrhunderten geschaffen und befundet brücke sprechen und die wackere bescheidene Gesellschaft der Auf- hat, so gebührt zwar auch hier alle Achtung den Bestrebungen, die merffamkeit nicht nur engerer, sondern auch der weitesten Kreise von sich z. B. in der Zusammenberufung eines firchenmusikalischen Kunstfreunden empfehlen können. Kongresses auf Ostern nach Rom kundtun; allein das 6. und 16. Jahr­Ein Beweis für unsre Meinung von dem Ueberwiegen eines hundert sind eben nicht das Ende alles Könnens. von der Aus­allzu weichen und accentarmen Vortrages bei der größten künstlerischließung weiblicher Stimmen aus der Kirche wollen wir gar nicht schen Feinheit und Milde ist auch eine Künstlerin, über die wir uns sprechen. Wohl aber bekümmert uns, daß auch von dieser Seite schon mehrmals geäußert haben, und die uns doch immer wieder wieder die Vokalmusik als die einzig richtige Tontunst und die, dazu drängt, über sie einige Worte zu sagen: dic berühmte Sängerin Instrumentalkunst als etwas Minderwertiges aufgefaßt wird. In Lilli Lehmann . Ihr neulicher, für diesmal letter Lieder- Berlin hat im 19. Jahrhundert ein Mann gewirkt, Eduard abend, bot nur Gesänge von Schubert . Barte, nicht zu große Linien August Grell( 1800-1886), langjähriger Dirigent der Sing­führende Gefänge, also beispielsweise" Die Sterne", gelingen ihr akademie, der vielleicht schärffte Gegner der Instrumentalmujit als fo gut, daß man an dieser ruhigen und doch herzenswarmen Vor- eines Verfalles der reinen Kunst. Von einem solchen Manne find nehmheit, welche die Künstlerin entfaltet, im wahren Sinne des allerdings um so mehr Verdienste für die von ihm bevorzugte Kunst­Wortes feine Herzensfreude haben tann. Obwohl ihr schwierigere gattung zu ertvarten. Und daß diese Verdienste Grells nachwirken, Aufgaben in der Höhe der Tonlage manchmal nur mehr etwas zeigte uns allerdings ein Konzert mit Vortrag: Chorgesang in mühjam gelingen, verfügt sie dennoch über eine mustergültige Technik. dritthalb Jahrtausenden", von Professor Theodor Krause . Am meisten fiel uns wieder ihre Herrschaft über die verschiedenen Er ist der Begründer der( nur aus Männern und Knaben bestehen­Slangfarben auf, mit denen sie verschiedene Empfindungen äußern den) Kirchenchöre der Nikolai- und der Marienkirche. Sein Vor­fann. So verstand sie es zum Beispiel, im Erlkönig " die Stimmen trag hat mit der Unterstübung seiner Sänger uns thatsächlich eine so des Königs und seiner Töchter anscheinend tonlos, tie aus einer interessante Ueberschau über die Entwicklung der Chormujit feit deit andren Welt, und thatsächlich mit einem so musterhaften Ton zu alten Griechen gegeben, daß wir gerne noch dabei verweilen. Auch fingen, daß man nicht bald wieder einen solchen Eindruck im manche etwas gravitätische Abschweifungen des würdigen alten gesamten und im einzelnen verzeichnen kann. Lieder jedoch, wie das Herrn tönnte man in den Kauf nehmen, obschon an ihrer Stelle ine Große gehende Die Allmacht und hinwieder das ganz zarte nähere historische Erläuterungen erwünscht gewesen wären. Aus­" Du bist die Ruh" lassen doch die Kunst der Sängerin als merklich gehend von einer Erinnerung an den größten Musifer, den Berlin beschränkt erscheinen, zumal wenn ein Lied, wie das lettgenannte, nach seiner Meinung hervorgebracht, und dem es noch immer keinen wiederholt wird; dann wirkt die Beschränkung auf technisch guten Straßennamen gewidmet hat, nämlich an Grell, ließ uns der Vor­Gesang und auf eine innige Herzenswärme, die in den Vortrag tragende einen griechischen, mehrere mittelalterliche und einige hineingelegt wird, schließlich doch geradezu etivas langweilig. neuere Chorgefänge hören. Am auffälligsten war wohl das Beispiel In all dem sehen wir den Kampf zwischen älteren und neueren die Mehrstimmigkeit nur erst in der allerprimitivsten Weise an= von Hucbald aus dem 9. Jahrhundert, einer Beit, in welcher Auffassungen der Kunst, wenn nicht toben, so doch leise sich kündigen. gefangen hatte. Wir hörten die biel berrufenen, schauderhaften Seit einiger Zeit entfaltet sich auf dem Gebiete des Männergesanges Gefänge in parallelen Quinten und Oftaven; es schien uns nicht der Streit um alte und neue Kunst, und bekanntlich wird mit großem schwer, auch dem eine Vernunft abzugewinnen, sobald wir nicht mehr Eifer das schlichte Bolkslied gegen das reiche Kunstlied ausgespielt. mit der Erinnerung an das uns geläufige zuhörten. Ueberraschend Bor uns liegt eine Broschüre von Adolf Prümers , Musik schön flang ein Beispiel aus der Zeit der künstlichsten mittelalterlichen direktor in Münster , betitelt: Silcher oder Hegar? Ein Wort Kunst von G. Dufay( 15. Jahrhundert). Dann kam das alte über den deutschen Männergesang und seine Litteratur". ( Leipzig Wolfslieb: Jnsbrud, ich muß dich laffen", aus dem später der 1903, Hermann Seemann Nachfolger.) Die Broschüre schlägt im allgemeinen den richtigen Weg ein, zeigt aber, wieviel nötig ist, Choral wurde:" O Welt ich muß dich lassen". Von G. Fr. Händel um in diesen Dingen über eigenjinnige Feindschaft oder bloßen fühlten wir uns auf modernem Boden. Gerne nahmen wir unter freundliche Ausgleichung hinwegzukommen. Mit Recht wendet sich des Vortragenden selber entgegen, namentlich ein schlichtes und doch den abschließnden Stücken auch einige volksliedartige Gesänge der Verfasser gegen unechte Wolflieder, gegen die Versimpelung der kunstvolles Herbstlied für Kinder". In der Anpassung an das Wort Männerchor Litteratur , gegen die Liedertafel- Mujit, gegen die Schmachtlappen- Fabritate; er bedauert, daß der übermäßigen Bestehen wir hier allerdings noch bei ziemlich konservativen Gepflogen­geisterung für das Volkslied leider eine Unterschätzung des Kunst- heiten. Ueberraschend weich flangen, was sonst so selten ist, die von liedes gegenüber steht, die sich nicht ganz rechtfertigen läßt. Das Professor Krause gezogenen Knabenstimmen. Ihnen und eben jener Kunstlied muß Kunstlied bleiben, es darf nicht im Volkslied auf großen Künstlerin Lilli Lehmann ist aber noch eines gemein, das gehen." Und neben dieser richtigen Ansicht finden wir nun Ausfälle die Gesangskunst früherer Jahrzehnte von der heutigen sehr merklich gegen die moderne effetthascherische Stompofitionsmanier", die be- unterscheidet: die allzu große Weichheit in der Aussprache der Konso zeugen, was wir gesagt haben. Der Verfasser nennt den Erlfönig ven Schubert ein abschreckendes Beispiel dafür: Die Angstschreie des vom Erlkönig verfolgten Kindes flingen wie gräßliche Fieber­phantasien, der Bater des Kindes dagegen verfügt über ein er­staunliches Maß von philisterhaftem Phlegma, und Erlkönig ist geil vor Liebe zu zu einem Snaben!" Man tönnte Schuberts Kunst taum besser würdigen, als es hier zu lesen ist, zumal wenn man das Lied in einer solchen Interpretation gehört hat, wie wir im vorigen eine angeführt haben. Der Verfasser stellt den Komponisten des bekannten Volksliedes Ich weiß nicht, was soll es bedeuten", und den bekannten, finstvollen, aber lange nicht extrem modernen Hegar einander so gegenüber, daß er die Vorteile beider vereinigt wünscht. " Dem Volksliede muß ein Hegar erstehen, dem Kunstliede ein Gilcher; beide vereint werden das deutsche Lied zu dem vollendetsten Kunstwerke erheben, wie es die deutsche Nation sich erhofft."

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nanten.

Unfre heutigen Betrachtungen haben vielleicht von selber etwas gezeigt, das in diesen Dingen leicht übersehen wird: daß nämlich der Stampf zwischen altem und neuem nichts weniger als ein Kampf zwischen zwei Parteien ist, sondern sich aus einer Fülle von Gegen­fäßen und Uebereinstimmungen zusammensetzt, die eben gekannt und nicht bloß durch den Haß gegen das eine oder das andre erledigt sein

wollen.

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SZ.

Kleines feuilleton.e

Ein Vogelmörder. Zur Lebensweise unsres E i chhörnchens hat ein jüngerer westfälischer Naturforscher, Paul Wemer, zahlreiche Noch von einer Seite her werden wir in der jüngsten Zeit an Beobachtungen zusammengetragen, die manches Neue bringen. den Kampf zwischen altem und neuem erinnert. Nachdem schon seit Wemer unterscheidet drei Nestarten: 1. Zufluchts- oder Luftnester, in einigen Jahrzehnten in der Kirchenmufit eine fonservative Richtung, den äußersten Zweigen von Birken, Eichen, Buchen 2c. aus Laub mit der sogenannte Cäcilianismus", in ähnlicher Weise für Rückkehr zu etwas Moospolsterung erbaut; sie dienen, ihrem Namen gemäß, mur älterer Kirchenmufit eingetreten ist, wie in der bildenden Kunst zu zu vorübergehendem Aufenthalt. 2. Notnester, in den Astgabeln der Gunsten der mittelalterlichen Stile eingetreten wird, hat der gegen- Kiefern, Fichten und Eichen; sie sind fester gebaut und dienen zur wärtige Papit eine eingehende Ankündigung seiner Reformideen er- Aufnahme der Jungen, wenn das Hauptnest in Gefahr erscheint. lassen. Es ist nicht nötig, an Stelle dieses Wortes Reformideen"( Buweilen schleppen die Eltern ihre Jungen in der Not auch in die das Wort Neaktionsideen" zu sehen. Diese Sache ist nämlich nicht Nester von Eichelhähern, Krähen, Bussarden.) 3. Hauptnester, fest so einfach, daß wir sie mit einer Entrüstung über ein Burüd- erbaut und in Astgabeln an den Stamm geschmiegt, so daß das schrauben abtun könnten. Vor allem scheint die Kirchenmusit in Rest auch bei Sturm möglichst wenig erschüttert wird, oder in hohlen eine Schleuderei hineingeraten zu sein, die tatsächlich ein reformieren Bäumen oder auch wohl auf der Erde im Heidekraut, überdeckt von des Dreinfahren verlangt; und was Deutsche , wie der am Schluß einem Kiefernzweige. Mehrfach entdeckte Wemer Hauptnester, die unsrer Betrachtungen zu nennende Mann, aus Italien erzählen, durch eine Zwischenwand in zwei Kammern geteilt waren und in spricht wahrlich für alles andre eher, als für ein Zurückbleiben dieser Wand ein mit einer aus Moos und Laub verfertigten Klappe deutscher Tontumst hinter italienischer. Dies ist der eine Buntt geschlossenes Loch besaßen. In solchen Nestern fand Wemer in jenen päpstlichen Bestrebungen. 8weiten& fann man feiner mehrmals die Federn bon gerupften Meisen und Gold­Institution verdenken, daß sie ihre Angelegenheiten nach eignem hähnchen, und da er diese Vögel wiederholt ihre Nachtruhe in Gutbünten ordnet; und eine aufmerksame Betrachtung tunstgeschicht- Eichhörnchenneſtern hatte aufsuchen sehen, so stieg in ihm der Ver­licher Verhältnisse zeigt in dieser bildlichen wie in der tönenden dacht auf, daß das Eichhörnchen der Mörder seiner Gäste sei. Bei Kunst eine wesentliche Verschiedenheit zwischen der bloßen Behandlung weiteren Beobachtungen gelang es in verschiedenen Fällen, das Eich­religiöser Stoffe mit weltlicher Auffassung, und einer horn auf frischer That zu ertappen. Dasselbe lauert in der Nähe aus internen Interessen hervorgehenden religiösen Kunst. Anders oder in der zweiten Kammer des Fangnestes, bis die Vögel in der aber steht es drittens mit dem in jenen Bestrebungen vor- Dämmerung in das Nest schlüpfen und überfällt dieselben dann liegenden Versuch, die Entwicklung zurückzuschrauben. Wenn man plötzlich. Um sich ein möglichst sicheres Bild von dem Umfange