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besonderen Wert darauf, hinauszuspringen und bei der Gelegenheit ein Bein zu brechen.

Die massiv gebaute Dame( ärgerlich): Sehr an­genehm, unter folchen Verhältnissen zu reisen!"

Der apoplektische herr:" Wenr die Eisenbahn­Gesellschaft eine genügende Zahl Waggons 2. Klasse eingestellt hätte, würde ich Ihnen mit meiner Wenigkeit nicht läftig fallen. Ich bitte also um Entschuldigung."

Der dekorierte Herr:" Diese Waggons befinden sich in einem Zustand... 1"

Eine Dame:" Sie werden nie gefegt!" Madame Ploussot: Und die Fensterscheiben! Glauben Sie, daß es jemand irgendwann einmal einfällt, sie zu pußen?" Das ganze Coupé( im Chor):" Eine nette Gesellschaft!" ( Pause.)

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Der junge Mann, der sehr gelehrt aussieht: Sehen Sie bloß! Hier hängt eine Tafel mit einer Inschrift, die geradezu ironisch flingt:" Aus hygienischen Gründen ist es verboten, auf die Teppiche zu spucken." Wo sind die Teppiche?"

Bloussot:" Hier natürlich nicht. In der 1. Klasse

freilich

..

Der apopleftische Herr:" In der 1. Klasse.. Richtig! Da hätte ich einsteigen sollen. Ich bin wirklich dumm. Natürlich! Das war mein gutes Recht. Wenn die 2. Klasse besetzt ist, steigt man eben in die 1. Es ist mehr als Gutmütigkeit von mir, daß ich es nicht gethan habe. Jetzt bedaure ich es! Hier geniere ich einen jeden und fühle mich selbst im höchsten Grade geniert! Diese abscheulichen Waggons find so niedrig, daß ein mittelgroßer Mann kaum aufrecht

( In diesem Augenblick wirft ein plötzliches Schwanken des Zuges die Reisenden über- und durcheinander.) Der apoplektische Herr( auf die massiv gebaute Dame fallend):" Ah! Pardon, Madame!"

Die massiv gebaute Dame:" Sie haben mir meinen Hut total zerdrückt!"

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Der apoplektische Herr: Ich bin untröstlich." Die massiv gebaute Dame: Untröstlich oder nicht mein Hut ich taput! Wären Sie nicht ins Coupé gestiegen, wäre so etwas nicht passiert! Eine Jdee, im Coupé zu stehen!" Der apoplektische Herr:" Na, wissen Sie ich hätte absolut nichts dagegen, mich zu setzen."

Die massib gebaute Dame:" Sie hätten bleiben sollen, wo Sie waren, das Coupé war voll.( Ihm halb den Rücken zukehrend.) Wirklich, es giebt Leute, die sehr wenig Bildung be­figen!"

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Bloussot( sehr würdig):" Streite Dich nicht mit diesem Menschen.( Bum Beamten.) Da! Hier haben Sie Ihre 9 Sous. Wir kommen aus Bois- des- Champs."

Madame Ploussot: Eine nette Gesellschaft, das muß ich sagen! Wir wollen uns beschweren."

Bloussot( bitter): Was nüßt das?( Bu den umstehen den, welche aufmerksam werden.) Was kann man von einer Gesell­schaft erwarten, die in ihren Coupés Gauner duldet? Das Beste ist man schweigt."

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( Nach diesen pathetischen Worten bietet Herr Bloussot seiner Gattin den Arm, und das Paar entfernt sich würdevoll.),

Kleines feuilleton.

Die Glarner Freiberge. Der Frankfurter Zeitung " wird aus der Schweiz geschrieben: Wenn die Schweizer Alpen noch ziemlich start mit Gemsen bevölkert sind, so hat man das nicht etwa den für die Tiere günstigen Jagdverhältnissen oder dem Mangel an Wilderern zu verdanken. Gewildert wird im Schweizer Hochgebirge nicht weniger als in Tirol und in den bayrischen Alpen, und dieses Jagd­system ist für eine schrankenlose Ausrottung unfres Hochwildes wie geschaffen. Die Schweizer Alpen wären denn auch heute wahrschein lich so ziemlich des Wildes entblößt, wenn man nicht beizeiten durch die Bestimmung von Freibergen und Bann­gebieten dem Hochwilde gefeßlich geschützte Zufluchtsstätten bereitet hätte. Wir haben eine größere Zahl derartiger Bann­bezirke im schweizerischen Hochland und eine im großen und ganzen tüchtige Aufsicht sorgt dafür, daß in diesen Freibergen nicht gejagt wird. So herrscht denn in allen Freibergen ein starker Wildstand, der viel zur Wiederbevölkerung umliegender Jagdgebiete beiträgt. In erster Linie gebührt dem Kanton Glarus die Ehre, dem Hoch­wilde in seinen Grenzen eine sichere Heimstatt geschaffen zut haben. Der große Glarner Freiberg im Gebiete des Stärpfstocks ist das älteste Banngebiet der Schweiz , denn er ist schon im Jahre 1569 gesetzlich und urkundlich festgestellt worden und seither hat die Landgemeinde jeden Versuch, das Kärpfgebiet für die Jagd zu öffnen, konsequent zurückgewiesen. Heute leben denn auch im Glarner Freiberg nach neuester Schäßung 1500 Gemfen und über 1000 Murmeltiere. Der Freiberg hat auch seine interessante fulturgeschichtliche Seite. Durch obrigkeitliche Verordr.ng war früher festgesetzt, daß jedem Hochzeiter aus dem Freiberge zwei Gemsen als Hochzeitsgeschent gegeben werden müssen; diesem Brauche

Der apoplektische Herr: Aber Madame!" Die massiv gebaute Dame( dreht ihm vollends den wurde sehr eifrig nachgelebt und die Hochzeiten fanden denn auch in Rüden zu).

( Pause.)

Die massiv gebaute Dame: Alle: Was haben Sie?"

Gerechter Gott!"

Die massiv gebaute Dame: Wir sind ja Dreizehn1"

Bloussot:" Sie glauben an Unglückszahlen?" Die massiv gebaute Dame:" Ja, mein Herr. Sie thun sehr unrecht, darüber zu lächeln."

Der dekorierte Herr:" Ich glaubte, die Zahl 13 bringt nur bei Tisch Unglück ?"

Die massiv gebaute Dame:" Sie bringt überall Un­glüd!. Wegen dieses Herrn da muß einer von uns in diesem Jahre sterben."

Der apoplektische Herr: Madamel.

Meinetwegen? Aber Die massiv gebaute Dame: Allerdings, Jhretivegen! Sie ungebildeter Mensch!

Der apoplektische Herr: Erlauben Sie, Madame... Sie waren dreizehn, bevor ich ins Coupé stieg. Jetzt sind wir vierzehn." ???"

Die massiv gebaute Dame: Der apoplektische Herr:" Ganz einfach: Sie zählen für zwei!"

Die massiv gebaute Dame( wütend):" Unverschämt­heit!"( Sie dreht ihm wieder den Rüden zu und vertieft sich in die Betrachtung der Landschaft. Unterdrücktes Gelächter. Dann Schweigen, das während der weiteren Fahrt nicht mehr unterbrochen wird. Endlich hält der Zug in Paris .)

Das ganze Coupé:" Na natürlich! 32 Minuten Ver­spätung! Eine nette Gesellschaft!"

( Jeder bemüht sich, möglichst als erster Coupé und Bahnsteig zu verlassen.)

Madame Ploussot( im Augenblick, da sie ihr Billet an der Kontrolle abgeben foll):" Oh! Mein Gott! Man hat mir das Portemonnaie gestohlen!"

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Ploussot: So machst Du's immer!" Madame Ploussot: Ist das vielleicht meine Schuld?" Der Beamte:" Ihr Billet, Madame?" Madame Ploussot: Mein Herr, ich hatte es in meinem Portemonnaie, und das hat man mir gestohlen.

Der Beamte:" Tut mir leid, aber Sie müssen zahlen." Madame Ploussot( entrüftet): Das ist aber doch zu fart! Wie?! Man bestiehlt mich und ich soll noch...

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Glarnerlande mit Vorliebe im Herbste statt. Ferner hat auch der Land­ammann und fein Stellvertreter, der Landesstatthalter, jedes Jahr An­spruch auf eine Gemse aus dem Freiberg und das gleiche Recht besaß aus nachbarlicher Freundschaft der Bürgermeister von Zürich . Jedem Hoch­zeiter", heißt es in einer alten Urkunde ,,, der vor Rat anhaltet, werden zwei Gamstier aus dem Freyberg gegeben, der Schütz hat das Fell. Ein Landammann und Statthalter haben jeder das Recht, jährlich oh eines schießen zu lassen. Freybergschüßen sollen acht sein, seajs evangelische und zwei katholische". Diese Freibergschützen" mußten bor versammeltem Rate feierlich versprechen und schwören, nicht mehr zu schießen, als ihnen erlaubt war, und in Summa den Nußen des Freybergs zu fördern, dessen Schaden zu wehrnen und zu wenden, bestmöglichst treu und ungefährlich". Auf die Wilderei waren strenge Strafen gefeßt: So jemand in den Freybergen gefährlicher­weise fehlbar erfunden wurde, der soll ein Tag und Nacht in die böse Gefangenschaft gelegt und mit Wasser und Brot gespiessen werden, auch sein Leben lang keine Büchs mehr in das Gebirg tragen bein Eid und 50 Kronen zur Buß geben." So streng geht man heute allerdings nicht mehr ins Zeug; aber hohe Geldstrafen werden auch in unsrer Zeit ausgesprochen jedem gegenüber, der mit der Büchse im Freiberggebiet angetroffen wird. Die Wildhüter zahlt der Staat und der Kanton läßt alljährlich durch die Wildhüter 60-100 Gemsen abschießen. Neuestens hat nun ein Stonsortium von reichen Glarner Jägern der Regierung eine jährliche Entschädigung von 4000 Frank angeboten für das Recht, unter der Aufsicht der Wildhüter 50 bis 60 Gemsen im Jahr waidgerecht abschießen zu dürfen. Aber in der Lokalpresse regt sich eine gewaltige Opposition gegen eine derartige bringen und dort wird das Volk von den 4000 Frank wahrscheinlich " Herrenjagd", die Regierung muß die Sache vor die Landsgemeinde nichts wissen wollen.--

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Theater.

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Der

Kleines Theater: Mutter Landstraße". Schau­spiel in drei Aufzügen von Wilhelm Schmidt- Bonn. junge Dichter ist den Lesern aus einigen ausgezeichnet anschaulichen, in der Neuen Welt" veröffentlichten Erzählungen und Stizzen be fannt. Wer auch nur seine Schilderung des Eistreibens auf dem Rheine gelesen, wird ihn nicht vergessen. Ob auch die Bühne, die so sehr sehr des frischen Nachwuchses bedarf, Bedeutendes von diesem kraftvollen Talente erwarten darf, wird die Zu funft zeigen. Mutter Landstraße" ist ein erster tastender Versuch, der an sich noch nichts entscheidet. Man hat den die den Eindruck einer rasch zugreifenden Entschlossenheit, offenbar mit starker Empfindung erfaßten Konflikt bis zur äußersten Spige forttreiben will; aber dem temparamentvollen Wollen gebricht