-

172

es einstweilen noch an der Beherrschung der so unendlich schwer zu meisternden dramatischen Form, so daß die Zuspizung nicht als ein notwendiges Resultat der Charaktere, wie wir sie vor uns sehen, sondern mehr als von außen hineingetragenes, als Konsequenzenmacherei des Dichters erscheint. Als legtes Stapitel eines Romanes, der den vielfach verschlungenen seelischen Entwickelungen im einzelnen nachgeht, hätten die Scenen zwischen Vater und Sohn vielleicht tief und überzeugend wirken können, so aber, abgetrennt vom Rumpfe der Vergangenheit, verlieren sie den Schein des Lebens. Man versteht den Groll und die maßlose Härte des Alten nicht; die Gründe, die er selbst zur Motivierung an­führt, Huschen wie ein wesenloses Schattenspiel, ohne vorüber. Es eine Nachempfindung in uns auszulösen, fehlt die Jbsenkunst, die, eine Katastrophe dramatisch gestaltend, im Bilde des gegenwärtig sich Vollziehenden uns zugleich auch das Vergangene, aus dem es wurde und werden mußte, schauen und fühlen läßt.

Der erste Aft spielt auf der staubigen Landstraße, die an einem wohlhäbigen oberbayrischen Gutshofe vorbeiführt. Ein Spielmann nimmt von seinen Wandergesellen Abschied und klopft an die Thür. um Sophie, die gern spendende, freundliche Nichte des alten Hofherrn, vorzubereiten auf die Fremden, die den Berg hinaufziehen. Regungslos starrt sie den Kommenden entgegen und stürzt dann in das Haus zurück. Eine armselig- dürftige Gruppe erscheint: Hans, der heimkehrende, ver­lorene Sohn mit einem Kinde auf dem Arm und hinter ihm er­schöpft vom Gange seine junge Frau. Ihr ahnt Schlimmes vor der ungastli verschlossenen Pforte, er aber liebevoll und zart wärmt ihr Herz mit seiner eignen frohen Hoffnung, daß sie hinter dieser Schwelle endlich das ersehnte neue Leben finden werden. Nichts deutet in den Reden auf Zweifel oder banges Schuldbewußtsein hin. Ganz unerwartet kommt so die große Auseinandersetzung zwischen Bater und Sohn am Abend in dem altmodischen, friedlichen Familienzimmer mit der niedrigen Balken decke und dem mächtigen, luftig prasselnden Ofen. Der Hofherr thut, als überhöre er den Gruß. Schweren Schrittes, die Hände in den Taschen geht er auf und ab. Rühr' mich nicht an." Sein Groll scheint wohl verlegtes Bauern- Ehrgefühl, ein Zorn, daß der Junge, der vor zehn Jahren so schmuck und zukunftssicher auszog, um Offizier zu werden, es in der Welt zu nichts, zu gar nichts hat bringen können. Das Elend des Sohnes empfindet er als Schimpf. .Deine Kleider da sind billig und abgetragen, der Schuh da ist zer rissen. Und Dein Angesicht hat Backenknochen wie der Hunger.. Will das diefer Sohn sein?" Hans, tief und tiefer sich demütigend, nicht nur aus Not, sondern auch in dem Gefühl findlich- ehrfürchtiger Liebe, beschwört ihn, wenigstens doch seine Rechtfertigung zu hören. Doch höhnisch verweist ihn der Vater an die leeren Wände. bist ihnen nicht gleichgültiger, wie mir." Dann aber flingen tiefere Töne an, als zürne er noch mehr als dem Elende der Selbstsucht des Sohnes: Hans habe sich versündigt an Sophie, der er den Treu schwur gebrochen, an der Mutter, die aus Gram über den Ungeratenen starb, an ihm, dem vor der Zeit gebeugten Vater, an dem Mädchen, das er leichtsinnig, unfähig, sich auch nur selber zu erhalten, zu seiner Frau gemacht. Aber obenhin, wie alle diese Momente gestreift werden, bleibt es unklar, wie dieser Alte zu so sinuloser Starrheit sich verhärten konnte, daß er, als Richter seines eignen Fleisches und Blutes sich fühlend, den lezten Rettungsweg dem Sohn vertritt und ihn zu sicherem Verderben hinausstößt. Nicht eine Nacht soll ihn das Haus beherbergen. Umsonst alles Flehen, alle Erniedrigungen, umsonst, daß Hans sein Kind dem Alten ent gegenhält. Ruhig verzehrt der im Angesicht der Hungernden und Erschöpften sein Abendbrot, als sähe und höre er nichts.

-

Du

Kunst.

e. s. Ausstellung im Kupferstich- Kabinett. Zeichnungen von niederländischen Meistern des 15. und 16. Jahr­hunderts und von holländischen Meistern des 17. Jahrhunderts find hier ausgestellt. Sie bilden den Inhalt der angekauften Sammlung A. von Beckeraths. Dieses kleine Zimmer der Ausstellungsraum des Kupferstich- Kabinetts- birgt meist sehr feine Sachen. Immer ist es eine geschmackvoll gesichtete Auswahl, die man hier zu sehen bekommt, und die Kenntnis, das Wissen dient nur dazu, dem künstlerischen Reichtum zu dienen.

Nichts erfreut und überrascht so sehr, wie das Bewußtsein, plöß­lich unter geschichtlichen Wichtigkeiten den Lebensfaden zu verfolgen, der Entwicklung heißt. Und plößlich sieht man Werke, die so sehr den Stempel der Notwendigkeit im Verlauf des Werdenden, Ganzen tragen, daß sie wie Strystallisationen eines ganzen Beitempfindens erscheinen. Es sind die Stationen der Entwicklung. Aus tausend Versuchen ergeben sich nun, fertig wie Ueberraschungen, die Resultate. Und wieder andre treten rätselhaft und beinahe ohne Zusammenhang auf. Eine unergründbare Kraft wird offenbar in einem Menschen. Jeder Strich ist ein Muß. Es ist an der Hand dieser Ausstellung Gerade die möglich, drei Jahrhunderte schnell zu überschauen. Zeichnung, diese schnelle, impulsiv- momentane Niederschrift des Künstlers, interessiert unsere Zeit ja besonders. So kann man sich vor diesen praktischen Beispielen allerlei Anmerkungen machen für unfre Zeit. Wir sehen, wie immer mehr der Kreis des Darstellbaren sich erweitert. Hier sind es nur Holland   und die Niederlande  . Aber die Entwicklungswege sind nicht so sehr zeitlich und örtlich beschränkt. Man spürt ordentlich den Drang, die Natur zu beherrschen und vor allem den Raum perspektivisch vertieft zu erfassen. Ehrliches Streben überall. Stein hohles, akademisches Bramarbasieren. Dieses praktische Volt kann es nicht anders. Ich mache besonders auf­merksam auf die Zeichnungen von Buy teuweg( Soldatentypen), Cuyp( Landschaften), Koninc, Adrian van de Velde  ( Tierstudien), Adrian van Ostade  ( Bauerntypen). allen giebt es hier Schönes und in echtem Sinne Vorbildliches zu sehen. Und am Ende dieser Entwicklung steht das geradezu un glaubliche Genie: Rembrandt  . Es ist fabelhaft, wie er sich heraushebt. Eine märchenhafte Kraft beinahe. Man weiß nicht, wo sie herkommt. Sie steht allein da. Jeder Strich eine Meister­schaft. Und das höchste technische Können dient nur der innerlich wirkenden Seele, das sie offenbart. Das alles geht zusammen in beinahe unnennbar schönem Reiz. Er ist wie ein Märchen unter uns. Er ist das Leben. Eine Offenbarung. Daß wir den haben, diesen Rembrandt  , da können wir unbändig stolz darauf sein. Unbedingt und ohne jede Klausell

-

Humoristisches.

Von

Protektion. Student zu seiner Mutter: Na, ich will mal sehen, was sich für Papa thun läßt. Mein Corpsbruder ist gestern Minister geworden."

-

haben d' Leut wieder a Unterhaltung und" san nöt so intressiert! Der Schenkfellner: So a Krieg is scho' recht! Do Seit Kriegserklärung da is, paßt toa Mensch mehr auf mei ( Simpliciffimus".) schlechte Einschenkerei auf!"

-

-

-

Notizen.

"

Nach andern Mitteilungen hat das

Unter dem Gesamttitel Die Dichtung" giebt Paul Remer im Verlage von Schuster u. Löffler( Berlin  ) Dichter­Noch weniger überzeugen die letzten Scenen in der Scheune, monographien heraus, die mit Kunstbeilagen und Buchschmuck wo Hans mit den Seinen ein Obdach für die Nacht gesucht hat. von dem Worpsweder   Maler Vogeler ausgestattet sind; diese Mono­Der Vater sucht sie auf, das Mitleid regt sich, er will die arme graphien werden nur von schaffenden Dichtern, nicht von Frau und das Kleine bei sich aufnehmen, denn sie sind unschuldig, Litteraturhistorikern, geschrieben werden. Im Mai erscheinen die aber der Sohn soll fort. Die Fiebertrante jammert, lieber möchte ersten vier Bände. Der Preis des gehefteten Exemplars ist auf sie sterben mit ihrem Manne, als daß er von ihr gehe. Der Alte 1,50 M., der des gebundenen auf 2,50 M. angesetzt. bleibt starr. Hans, durch die höhnischen Drohungen des Vaters zur Wut Im Wiener Burgtheater wurde Gerhart Haupt­gepeitscht, will sich mit der Peitsche auf ihn stürzen, aber zwingt manns, Rose Berndt  " nach sechs ausverkauften Vorstellungen dann die Erregung nieder. Da erscheint Sophie, den Verstoßenen auf höheren Wunsch" und aus stofflichen Gründen" vom Re­zu trösten und ihn, den sie uoch immer liebt, als Schwester auf pertoire abgesetzt. der einsamen Fahrt zu geleiten! Entsagend bittet er fie, zu bleiben, Stück überhaupt nichts gemacht". und seiner Frau eine helfende Freundin zu sein. Draußen ertönt In der Dresdener Altstadt wird im Frühjahr 1905 mit lockend das Lied des Spielmanns, der Ruf der Mutter Land- dem Bau eines neuen töniglichen Schauspielhauses straße, und Hans fühlt sich auf einmal frei und leicht. Der Vater, begonnen werden. dem er zuletzt noch warum, ist ziemlich rätselhaft- gestanden, daß er gestohlen und gefälscht hat, verlangt, daß er sich seinem Nichter stelle, und ruft vergebens die Knechte herbei, daß sie den Verbrecher halten sollen. Hans zieht ins Weite, nach seiner wunderlichen Logik, viel leicht durch den Verzicht auf seine Frau und auch Sophie, gereinigt und gefühnt. Ihm ist nach dieser Stunde so fromm und rein, wie einem Kinde, das gebetet hat". Alles wirrt sich in diesem Schlusse bunt durcheinander.

-

-

Die Architekturabteilung der diesjährigen Großen Berliner Kunstausstellung soll erweitert werden. Die preußische Staatsbauverwaltung wird eine Ausstellung von Entwürfen in einem besonderen Saale veranstalten. An die Architekturabteilung soll sich, wie in den letzten Jahren, eine kleine Gruppe künstlerisch durch­gebildeter Innenräume anschließen.

"

-

c. Eine kostspielige Inscenierung. Aus London  wird berichtet: Das Londoner Daly- Theater wird am 5. März mit einer neuen Posse mit Musik von James T. Tanner und Lionel Mondton, Der Singhalese" eröffnet. Die Vorbereitungen zur Inscenierung des Stückes dauerten viele Monate; man hat für die Aufführung nicht weniger als 280 000 m. ausgegeben. Die fünft lichen Blumen, die für die Dekoration der ersten Scene gebraucht werden, kosten allein 10 000 m.

So vortrefflich die Aufführung war( Reinhardt gab den Alten, Winterstein den Sohn, Lucie Höflich   und Gertrud Eyfoldt die beiden weiblichen Rollen), die der Dichtung fehlende Illusionskraft ließ sich auch durch die beste Darstellung nicht ersetzen. Der nicht laute Beifall hatte mit einer ziemlich energischen Oppo­sition zu kämpfen. Berantwortl. Redakteur: Julius Kaliski  , Berlin.- Druck und Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin   SW.

dt.

-