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gewonnen. So könnte sie vielleicht durchkommen

Aber gegen. Sie müssen harren und zurückstehen. Einer von ihnen, ein Herr in Pelzmantel und Schlapphut, alle überragend, lächelt zu dem Widerstand, und wie sein Begleiter Einspruch erheben will, berbietet er's ihm. Er will warten.

wird es möglich sein, noch drei Monate lang unentdeckt hier zu bleiben?.. 1001 Sie entschloß sich, es jedenfalls zu wagen.

Drei Monate voll quälender, beständiger Furcht gingen vorüber, und niemand, nicht einmal Margarete, erfuhr von Esthers Zustande.

Da sie noch wenig sichtbare Veränderungen in ihrer Figur bemerkte, da aber jeder Pfennig, den sie noch verdienen konnte, eine Lebensfrage für sie war, entschloß sich Esther mutig, es noch einen Monat zu wagen. Dann wollte sie kündigen und

gehen.

Noch ein Monat verging, und Esther machte sich bereit, von hier zu weichen, als auf einmal ein geheimnisvolles Flüstern von Mund zu Munde ging; und eines Tages ließ Mrs. Barfield sie zu sich ins Bibliothekzimmer bescheiden.

Esther erbleichte, und ihre Augen nahmen den Ausdruck der Angst an; es war ihr entseglich, vor Mrs. Barfield hin­zutreten und ihren Fehltritt eingestehen zu müssen.

Margarete, die neben ihr stand und ihr diesen Gedanken vom Gesicht ablas, sagte:

"

Nur Mut, Esther, Du kennst doch die Heilige", sie wird schon nicht schlimm sein, sie ist immer nachsichtig gegen die Fehler andrer Menschen."

Was ist denn los, was fehlt denn Esther?" fragte Mrs. Latch, die noch nichts von der Sache gehört hatte.

Ich werde es Ihnen nachher erklären, Mrs. Latch," sagte Margarete. Geh nur, Esther, geh schnell."

Esther ging raschen Schrittes den Korridor hinauf und sah schon im voraus das dämmerige Zimmer vor sich, mit den fleinen, grünen Sofas, dem runden, mit Büchern bedeckten Tisch, dem Klavier in der Ecke, dem Papagei und den Kanarien­bögeln in ihren Käfigen. Einen Augenblid blieb sie zögernd an der Thür stehen, dann klopfte sie leise. Die wohlbekannte Stimme rief: Herein".

Sie trat ein und befand sich vor ihrer Herrin. Mrs. Barfield legte das Buch, in dem sie gelesen hatte, nieder und blickte Esther an. Sie sah nicht böse aus, wie Esther gefürchtet hatte, aber ihre Stimme flang ein wenig schärfer als sonst..

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Ist das wahr, was ich gehört habe, Esther?" Esther ließ den Kopf hängen und sagte leise: Ja!" " Ich habe Sie für ein braves Mädchen gehalten, Esther!" " Ich mich auch, gnädige Frau."

Mrs. Barfield warf einen raschen Blick auf das Mädchen, zögerte einen Augenblick und sagte dann:

,, Und diese ganze Zeit hindurchwie lange ist es nun schon 2"

Fast sieben Monate, gnädige Frau!"

Alle diese Zeit über haben Sie uns belogen?" " Es waren schon drei Monate vorüber, bevor ich's selber wußte, gnädige Frau."

Drei Monate; und weitere drei Monate haben Sie also jeden Sonntag hier in diesem Zimmer beim Gebet mit mir gefniet; zwölf Sonntage haben Sie hier neben mir gesessen, wenn ich Sie lesen lehrte, und kein Wort davon gesagt!"

Die Schärfe in Mrs. Barfields Stimme erweckte ein Ge­fühl von Trotz in Esthers Herzen, und ihre Augenbrauen zogen sich finster zusammen, als sie sagte:

Wenn ich's Ihnen gesagt hätte, würden Sie mich sofort weggeschickt haben; und ich besaß damals nur einen Viertel. jahreslohn, damit hätte ich entweder verhungern oder mir das Leben nehmen müssen."

Es thut mir sehr leid, Sie so sprechen zu hören, Esther." Es ist das Unglück, gnädige Frau, das aus mir spricht!" Warum konnten Sie sich denn nicht mir anvertrauen? Ich bin doch nie strenge zu Ihnen gewesen. Nicht wahr?" ( Fortsetzung folgt.)]

Enrico Ferri  .

( Nachdrud verboten.)

Porträt- Skizze von Wilhelm Holzamer  .

Es ist vor der Ecole des Hautes- Etudes". Cine beträchtliche Menge wartet auf der Straße, bis die schmale Thüre geöffnet wird. Eine Droschke kommt angefahren. Die Infassen möchten fich bor uns andern Einlaß verschaffen. Aber die Menge wehrt sich das

Die schmale Thür ist geöffnet worden. Rasch ist der Gaal überfüllt. Es heißt für jeden, feinen Plaz bewahren, wenn man schon einen gefunden, einen Platz erkämpfen, wenn man noch im Geschiebe ist.

Mit liebenswürdiger Vorsicht drängt sich der große Herr in Belzmantel und Schlapphut wieder vor. Aber hier giebt's keinen Bardon. Nicht wanken und nicht weichen ist die Parole. Nun gut, so bleibt er stehen.

Enrico Ferris aus. Der große Herr fieht den Rufer beluſtigt at.

Neben ihm ruft ein Camelot Postkarten mit dem Porträt

Er steht und wartet. Er wartet halt.

Wir betrachten ihn, wie er vor uns steht.

Eine markante Erscheinung durch Größe und Kopfform, Haltung und Gefichtsausdrud. Bligende, junge, idealistische Blauaugen. Man lieft Energie in ihnen und Frische. Thatmenschen haben sie so, die nicht zurüdschreden, die Hindernisse reizen, denen sie die Sträfte Augen hat! Schärfe blizt spornen. Man denkt, es muß Einer" sein, der solche in ihnen, und bon Güte füllung. Sie träumen und schauen, sie fordern und führen. So spricht ihr Glanz. Sie sehen scharf nach einem Ziele, sie sehen Er­einer, der sie hat, der muß die Begeisterung haben, hingerissen zu sein und hinzureißen. Er muß die Thatkraft haben, Wege zu bahnen und die Güte, Stätten zu bereiten. Aber diese Jugend auch, an das eigne Wirken zu glauben und darin von Erfolg und Sieg durch brungen zu sein.

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Es ist mancher Charakterkopf hier in der Versammlung zu sehen, mancher zieht unsre Aufmerksamkeit auf sich. Manch graues Haupt und viele junge Köpfe eindrucksvoll und ausdrucksvoll, Gegen stand nachsinnender Betrachtung. Das Aeußere des Menschen, Zeichen bei so vielen. Von allen Stufen und Verschiedenheiten in Alter, und Zeuge seines inneren Wefens, Künder von Leiden und Leben Stand und Nation. Schwärmer und Fanatiker, Pflichtmenschen und tüchtige Arbeiter besonders auf geistigem Gebiete und feiner nüanciert es sich: Leid hier und Bitterfeit, Sehnsucht und Erwartung, Berkümmerung und Frohmütigkeit, Herbheit und Derbheit dort, Weichheit wieder und Verlorensein, mannigfaltig ist die Sprache, und aller Art find die Stempel, die die Züge tragen; aber kein Kopf fesselt so sehr, wie der des großen Mannes, der jetzt wieder begonnen hat, sich sachte er?... aber nein, er hätte es doch gewiß nicht nötig, sich so durch vorwärts zu schieben. Ein Gedanke durchblißt uns sollte die Menge zu schieben. Aber doch wie er bald nach links, bald nach rechts, bald mit dem Geficht nach vorn, bald nach hinten ge­wendet wird bei seinem Vorwärtsschieben ist nicht unter dem vollen Schnurrbart ein Zucken um den Mund. Kriechen nicht leise Fältchen an der Rasenwurzel hinauf und verraten den heimlichen Spaß, unerkannt zu ſein?!

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Enrico Ferri  !" tönt's durch den Saal.

mittelgang zwängt man sich zur Seite, dem Vordringenden Platz zu Hände heben fich empor, flatschen, Stühle werden gerückt, im machen und sieht ihn und sieht einander verwundert an, daß er gerade da ist, wo man ihn am wenigsten vermutet hat.

Der breite Schlapphut ist abgenommen, und ein angegrauter Lockenkopf neigt sich in furzem Nicken. Das Haar ist wohl schon ein wenig gelichtet, sein ursprünglich brauner Ton glänzt noch durch, an den Seiten aber schließt es in weißen Büscheln ab, die breit von den Schläfen abstehen.

auf seinem Plage. Der Saal jubelt ihm zu. So schlicht und einfach tam Ferri. So steht er nun auch oben scheint nun ganz in sich zurückzusinken, unberührt und abwesend. Er setzt sich und unberührt und abwesend, selbst sicher und wie zur Selbstbewahrung, um ganz aufrichtig zu bleiben, nicht Komödie zu spielen, nicht Kon­zeffionen zu machen. Ganz ehrlich er selbst zu bleiben im Jubel und Trubel der Menge. Und er ist auch wohl von Wichtigerem, Höherem erfüllt, um sich zu einem Insceneseßen reizen zu lassen.

Ferri spricht. Im ersten Moment ist man enttäuscht. Die Stimme ist schwach, dünn, fast trant. Sie erscheint belegt, an Verhältnisse, ob die Brust nicht zu schmal erscheint und zu ein­gegriffen, flanglos. Man betrachtet die große Gestalt auf ihre gefallen.

Derzeit hat er weiter gesprochen, behaglich, klar, die Disposition seiner Rede entwickelnd.

Auf den Klang der Stimme achtet man nun nicht mehr. Man ist gewissermaßen schon sicher in ihr. Sie führt einen schon, sie ängstigt nicht mehr.

"

Die Hände sprechen mit, in fleinen, aber bestimmten und bes zeichnenden Bewegungen. Der Oberkörper beugt und biegt sich, und bie Augen- die Augen find ganz Leben, Innerlichkeit, ganz Schauen. Ferri schaut", was er spricht! Ein wenig hilft noch sein Französisch mit, diesen Eindruck zu üben und zu verdeutlichen. Sein Französisch ist schön und klar, aber es fucht" ein wenig. Dadurch sieht man das Wachstum des Gedankens, des Gefüges der Gedanken, fast törperlich.

"

Die Rede floß ruhig bis jetzt dahin. Sie war bis jetzt nur Darlegung. Sie ist streng. Es scheint teine Schlager" zu geben. Sie ist fast zu streng für französische   Zuhörer, fast zu schwer. Sie ist zu sehr purer Geist". Ein Philosoph spricht hier, der die großen Beziehungen hat, dem sie klar und geläufig sind. Der nur für sie,