„(Sötte doch... es sagt ja keiner. Und das Geschäft... warum soll ich das denn verkaufen?" „Weil's sonst ganz auf den Hund kommt," erwiderte er grob und höhnisch.„Hier gehört ein Mann'rein und kein Frauen- zimmer I" „Und wenn schon... ich kann ja einen'reinsetzen." Dabei strich sie über den guten Rock. Sie wagte ihn nicht anzusehen. „Oder glauben Sie etwa, Willem, daß ich schon zu alt zum Heiraten bin?" Ihr ganzes Gesicht brannte. Llber jetzt hob sie die Augen: sie wollte sehen, was fiir eine Miene er dazu machte. Halb lauernd guckte er sie an. Dann pfiff er durch die Zähne. „Bläst der Wind so?" Er schien jetzt wirklich gespannt.„Bin neugierig, den Ihren kennen zu lernen, hol's der Deubell Jugend wärmt am besten, Frau Franken!" Er lachte. Sie hatte noch nie so wie jetzt empfunden, wie viel Stechendes in seinen Augen war. „'s braucht vor allem einen tüchtigen Mann, der das Geschäft versteht. Ob er zwanzig Fahre jünger ist wie ich oder älter, soll mich nicht scheren." „Aber fein muß er sein— he? Lumpen und Larve glatt... anders wie unsereins, Madame?" Er ließ die Augen nicht mehr von ihr. „Man bleibt im Stall nicht fein," erwiderte sie schwer atmend. Ihr war, als könne sie nicht weggehen und die Augen nicht ab- wenden, so lange die seinen so auf ihr ruhten. „Fürs Geschäft wäv ich nicht der Schlechteste," sagte er plötzlich. „Oder meinen Sie nicht, Frau Franken?" Die letzteil Worte packten sie an, wie Fäuste. Sie duckte sich unwillkürlich. „Ja... ja." sprach sie stockend.„Und wenn Sie nichts da- wider haben. Willem..." Lichter brannten in seinen Augen auf; die Muskeln spannten sich. Die Gäule sahen sich um, eine Schwalbe flog durch den Thür- spalt und wandte sich erschreckt. „Davon reden wir übermorgen, Madam." stieß er heraus. Die Stimme schien noch heiserer. Und er bog die Peitsche in den Händen, als sollt' sie kurz und klein brechen. Die Witwe ging zwei Tage lang in lnühsam verhaltener Erregung umher. ES war ihr manchmal, als renne sie sehend ins Unglück, aber als könne sie nichts dawider thun. Dabei wurde sie ordentlich rot und jung, als Wilhelm Gundermann ihr an dem Dienstag sagte:„Dann können wir's meinetwegen so halten, Frau Franken. Aber was ich mach', mach' ich bald. Je früher man in die Mäuler der Lente kommt, um so früher kommt man wieder'raus!" In der Stadt begriff man die Wahl der Witwe nicht.„Liest sich den Dreckfink aus, als gäb's keine properen Menschen im Lande",— so pfiff's von allen Dächern. Es that nichts. Nach ein paar Wochen war aus Frau Franken eine Frau Gundermann und aus dem Knecht der Besitzer eines Fuhrgeschäfts geworden. Aber auch in dieser neuen Stellung that er die schmierige Joppe so wenig ab wie die speckig glänzende Mütze. Er arbeitete für vier; der Geiz hatte ihn gepackt. Er. der gewiß eine furchtbare, bittere und verprügelte Kindheit und Jugend hinter sich hatte, schien nur ein Ziel zu kennen: reich zu werden, andre zu treten wie er einst getteten worden, Groschen um Groschen zusammen- zuscharren, um einst die Thaler rollen zu lassen. Er führte ein ganz neues Regiment im Hause ein. entließ alle Leute bis auf einen Knecht, schränkte die Ausgaben ein. wo er nur konnte, und setzte sich mit so zäher Verbissenheit hinter die Arbeit, daß sich das Geschäft wirNich langsam hob. Um seine Frau kümmerte er sich gerade so viel, daß er ihr Pfennig für Pfennig das Wirtschaftsgeld vorzählte, mit dem sie auszukommen hatte. ' Das arme Weib, das vordem behaglich im Speck gesessen, wollte die große Wandlung erst nicht begreifen. Sic hatte ihm alles über- geben, und nun war's eine Not, daß sie sich überhaupt satt effen konnte. Er zwang sie zur Arbeit; es war vorbei mit den schönen Kleidern und der alten ruhigen Behaglichkeit. Ruhlas mußte sie sich in der Wirtschaft und auf Geschäftsgängen abhetzen. Ihre gc- diegene Fülle schwand, damit aber auch die zweite Jugend. Sie magerte ab, wurde alt. Eine furchtbare Enttäuschung lähmte jede Kraft. Sie war nicht mehr neugierig, sie hatte nicht das Gruseln mehr vor ihrem Manne, sondern nur noch eine feige Angst. Es steckte kein, aber auch kein Geheimnis hinter dem allen, Roheit blieb Roheit, blind- wütiger Zorn blieb Zorn. Sie fiel sichttich zusammen.„Die Ruthen, Nachbarin," sagte sie einmal und nickte vor sich hin,„die man sich selbst gebunden hat, thun am we heften." Zehn Jahre jedoch gingen noch hin, ehe sie starb. Ihr Mann begrub sie. wie es in der Stadt hieß,„zwischen zwei Geschäftsfuhren", den» der Betrieb durfte natürlich nicht darunter leiden, am wenigsten der Omnibusvcrkehr. Dieser„Omnibus " war für Wilhelm Gunder- mann alles, das einzige, was er in seiner Art liebte, war seine Goldgrube, sein Glückswagen. Eine zwei Meilen von Polajewo entfernte Stadt hatte nämlich nicht lange nach dem großen Kriege Bahnanschluß erhalten. Wilhelm Gundermann hatte das sofort ausgenützt und ließ dreimal des Tages einen Omnibus'rübcrgehcn, der die Polajewocr zu und von den Zügen brachte. Früh um sechs Uhr, wenn alles noch schlief, bimmelte schon die Glocke durch das Rumvcln der Räder, bimmelte durck die Straßen und rief jeden, der mitfahren wollte. Mittags und abends hörte man die Klingel noffl einmal. Vorn auf dem Sitze des Rumpelkastens hockte Wilhelm Gundermann in seiner schmierigen Tracht, schrie mit heiserer Stimme, peitschte die Pferde. Wie gesagt, es liebte ihn niemand, doch jeder, der sich nicht für teures Geld einen eignen Wagen mieten wollte, war gezwungen, mit ihm zu fahren. So war der Omnibus fast immer voll, und der Fuhrherr kassierte die Markstücke ein. fühlte jedes einzeln cm und betrachtete es, ob es auch echt sei und jagte dann schimpfend los. Er trug jetzt einen verwilderten Backenbart, durch den er das Geld für den Barbier ersparte. Seine Schulter war von jeher schief gewesen, seine Augen lauerten, und um seinen Mund spielte stets ein Zug, als verhöhne er alle andern und wäre doch dabei voll von innerem Zorn. Es hütete sich auch jeder, ihn zu reizen. Denn man kannte ihn und wußte, daß die aufgespeicherte, gleichsam sich selbst immer wieder erzeugende Wut oft bei geringer Veranlassung hervorbrechen, ihn sinnlos machen, ihn in blinde Raserei versetzen konnte. Seine Frau, seine Knechte, seine Pferde hatten das er- fahren, ja es war passiert, daß er alles, was in ihm gärte, auch an leblosen Gegenständen misgelassen und sie zertrümmert hatte. Uni» man verstand, daß der Gedanke einem kommen konnte, dieser Mensch hätte einen Totschlag auf dem Gewissen. So lief das Leben hin, und Wilhelm Gundermann konnte sich fast schon ausrechnen, wann er ein reicher Mann durch seine Gold- grübe, seinen Glückswagen sein würde. Alles andre hatte er beinahe aufgegeben— die Spesen waren zu groß, und seine Habgier war mit jedem neuen Thaler gewachsen. Nur einen Stallburschen hatte er noch, der ihm half; auch der Knecht war entlassen, denn er selbst machte alles. Und immer weiter bimmelte die Glocke.„Hü, Moische Rotzers, hü!" schrie die heisere Stimme, die Peitsche knallte. „Moische Rotzers" nannte der Fuhrmann seine Gäule, wenn sie wild ausgreifen sollten. Die wußten, daß die Peitsche dazu die Begleitung schlug, spitzten die Ohren und legten sich ins Zeug. (Schluß folgt.) kleines foriUetou. — Der versteinerte Wald von Arizona soll nach einem Kongreß- antrag in einen Nationalpark von 369 Quadratkilometer aufgenommen und künfttg gegen Abbau und Vandalismus geschützt werden. DaS geologische Amt hat vor einiger Zeit durch einen seiner Paläonto- logen, Prof. L. F. Ward, eine» Bericht über den versteinerten Wald oder Chalzedonischen Park anferttgen lassen, dein die„Kölnische Zeitung " das Folgende entnimmt: Der Wald liegt 24 Kilometer östlich des Zusammenflusses des Little Colorado und des Rio Pnerco, etwa 42 Kilometer südlich der Santa Fs- Eisenbahn(Atlantic and Pacific) und wurde 1853 beim Bau der Bahn entdeckt. Während die versteinerten Wälder in Wyoming iZellowstone Park) und Kali, formen(Calistoga) der Tertiärzeit angehören, reichen diejenigen der Triasformation in Arizona , Nen-Mexuo und Utah um viele Millionen Jahre weiter zurück. Hier im Trias der genannten Staaten kommen diese Wälder an Hunderten von Plätzen in großen Massen und selbst in aufeinander getürmten Stämmen vor, aber nirgends ist das Farbenspiel so anmuttg, sind die Lagerungen so interessant, ivie in dem Walde, der zum Nationalpark erhoben werden soll. Die Ver- steinerung ist hier so weit gegangen, daß die Stämme zum großen Teil fast in Edelsteine verwandelt wurden. Nicht nur Chalzcdone, Opale und Achate finden sich unter ihnen, sondern manche nähern sich dem Charakter des Jaspis und Onyy. Sie sind so hart, daß es von ihnen heißt, sie gäben einen vorzüg- lichen Schmirgel. Auch die landschaftlichen Bilder sind sehr anziehend. Es gedeiht dort zwar nur ein kurzes Büschelstras, aber die Auswaschungen haben seltsame Gebilde erzeugt. Die Gegend stellt nämlich den Ueberrest einer einstigen Ebene von 1719 Meter Höhe dar, die durch Erosionen bis zu 219 Meter tief durchschnitten und in zahllose Rücken, Felstiirme und Mesas(Tische) zersetzt wurde. Die Ablagerungen bestehen aus wunderschönem Ton in Purpur, weiß und blau, und aus schiefrigem und massigem Sandstein in Rotbraun und Grau. Der massige Sandstein, der in verschiedenen Lagen da ist, widerstand der Auswaschung und bildet infolgedessen die Mesas und Türme. Im Mittelpunkt der Partte liegt der berühmte Lirhoden- dronbach, nach Süden abfließend, aber meistens trocken. Anr untern Ende dieses Wasserlaufs zerklüftet sich die Gegend außerordentlich, und hier liegen die versteinerten Stämme zahllos umher, oben auf den MesaS wie in den Schluchten, und der ganze Boden ist bedeckt mit Edelsteinen in allen Farben, den abgebrochenen Stücken der Bäume. Diese bc- sondere Fläche dehnt sich mehrere Kilometer aus, und an einer Stelle liegt ein 39 Meter langer Stamm quer über einer 19 Meter langen und 7 Meter tiefen Schlucht, eine natürliche Brücke bildend. Die Bäume sind fast alle Cedern, nur einer ist eine Karolina-Pappel (Cottonwood). Die Bäume des LithodendronbacheS haben nicht den llebcrzug von Sandstein, der ihnen anderswo fest angekittet ist und sich: erst nach Tausenden von Jahren ablöst. Teils ihre Lage, teils der Umstand, daß sie alle keine Aeste aufweisen, deutet daraus, daß die Bäume ein Flußthal heruntergeschwemmt Ivaren, wobei die Aeste abbrachen. Sie waren dann hier in die Mesozoische See gelangt und init Sand zugeschüttet worden, wo sie blieben, bis die
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21 (24.3.1904) 60
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